Imperium des italienischen Premiers:Berlusconismus lohnt sich nicht mehr

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Der drohende Machtverlust des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi hat auch wirtschaftliche Folgen. Er bringt auch seinen Mediaset-Konzern in ungeahnte Probleme - und es steht weiteres Ungemach bevor.

Ulrike Sauer

Es ist ein Sommer des bösen Erwachens für Fernsehzar Silvio Berlusconi. In der Gunst der Wähler befindet sich die Parteikreatur des italienischen Regierungschefs im freien Fall. Die Zustimmung für sein "Volk der Freiheiten" (PDL) stürzte unter 25 Prozent. Aber nicht nur die politische Macht bröckelt: Auch in der Rangliste der reichsten italienischen Privataktionäre rutschte der Premierminister deutlich ab. Zum ersten Mal seit dem Börsengang seines Fernsehkonzerns Mediaset im Jahr 1996 flog der Unternehmer aus dem Spitzenfeld der reichsten Mailänder Börsenanleger. Er landet nun auf Platz sieben.

Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi bei einem TV-Interview im April 2008. (Foto: dpa)

Berlusconis Aktienvermögen schmolz im vergangenen Jahr um 38 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro. Schuld daran ist der Kurssturz der Mediaset-Aktie. Das TV-Imperium des Premiers, verwöhnt von der einstigen Monopolstellung in Italiens Kommerzfernsehen, tut sich schwer, in der neuen Medienwelt Schritt zu halten.

So wie die Dinge liegen, ist es wohl der Politiker Berlusconi, dem der Fernsehunternehmer Berlusconi die harte Landung verdankt. Italiens Medienbranche erlebt derzeit einen Paradigmenwechsel. Bislang profitierte Mediaset davon, dass sein Eigentümer schon acht Jahre auf dem Sessel des Regierungschefs sitzt und seine Amtstätigkeit unverhohlen nach den eigenen privaten und geschäftlichen Interessen ausrichtet.

Sogar die Geschicke des Hauptkonkurrenten, des notorisch kriselnden Staatssenders RAI, bestimmt er. Die Regierungsmacht wirkte in Krisenzeiten gar als Fallschirm für die Sendergruppe - sowohl 2001 als auch 2008 gelang es Mediaset, sich vom negativen Branchentrend abzukoppeln. Die Werbeeinnahmen sprudelten weiter.

Damit ist der Mailänder Konzern im internationalen TV-Geschäft ein Unikum. Je tiefer die Einschaltquote fällt, desto mehr Werbung erhält er. Beispiel 2011: Mediaset setzt der Boom des kleinen Senders La7 zu. Die Erzrivalin RAI steigert ihre Quote um 5,8 Prozent und rechnet dennoch mit einem Rückgang der Werbeeinnahmen um 40 Millionen Euro. Mediaset büßt 2,1 Prozent Quote ein, die Scheibe am italienischen TV-Werbekuchen aber wächst auf 56 Prozent an. Mit Marktlogik ist dem schwer beizukommen. Es handle sich um ein "industrielles Geheimnis" ironisierte die Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera".

Was ist, wenn Berlusconi stürzt?

So rätselhaft ist das Phänomen nicht. Italiens Industrielle huldigen dem Regierungschef mit Werbespots auf den Mediaset-Sendern. Nicht nur die halbstaatlichen Energiekonzerne Enel und Eni schichteten ihre Werbeinvestitionen zu Lasten der RAI und der Presse um. Auch große Privatunternehmen ziehen Canale 5, Retequattro, Italia 1 und den Bezahlsender Mediaset Premium vor.

Doch das System hat eine Schwachstelle: Stürzt Berlusconi, ist es auch mit der Vorzugsbehandlung des Mediaset-Konzerns vorbei. Noch läuft zwar der Abspann des Polit-Dramas "Berlusconi" nicht - an der Börse geriet sein Unternehmen aber bereits stark unter Druck. Seit Jahresanfang fiel der Wert der Aktie um 45 Prozent.

Der Blick auf den Kursverlauf ist erhellend: Noch im Frühherbst 2010 notierte Berlusconis TV-Konzern stabil bei 5 Euro je Aktie. Im November, als die Regierung wackelte, brach der Kurs ein. Über den Winter fasste die Koalition Tritt - und auch die Aktie stabilisierte sich. Seit Mai aber befinden sich die Mediaset-Papiere im freien Fall. Am 19. August rutschte der Kurs auf den Tiefstand von 2,42 Euro. Erreicht Berlusconi das Ende seines Sunset Boulevards?

Sein ältester Sohn Pier Silvio, Vizepräsident von Mediaset, schiebt das Debakel auf die Regierungsturbulenzen. Die Talfahrt an der Börse sei nicht Geschäftsfragen geschuldet, sagte er. Belastend wirke sich das schlechte Ansehen Italiens, die instabile politische Lage und "die Bindung des Unternehmens an den Ministerpräsidenten" aus.

Als Berlusconi junior Ende Juni in den Fernsehstudios in Cologno Monzese das neue Programmschema für den Herbst vorstellte, jammerte er: "Im Fall einer Regierungskrise sorge ich mich nicht um Mediaset. Ich fürchte jedoch, dass die feindliche Stimmung gegenüber meinem Vater sich auf das Unternehmen richten könnte". Mediaset, ein Opfer des väterlichen Interessenkonflikts. Von hausgemachten Schwierigkeiten will der 42-jährige Politikersohn nichts wissen.

Und doch liegt bei Mediaset einiges im Argen. Am 28. Juli gab Pier Silvio Berlusconi einen leicht rückläufigen Umsatz im ersten Halbjahr bekannt. Der Gewinn fiel um 32 Prozent. Am selben Tag bestätigte der Europäische Gerichtshof in einem Berufungsverfahren ein Urteil gegen Mediaset. Das Unternehmen muss staatliche Subventionen, die es bei der Einführung des terrestrischen Digitalfernsehens in Italien erhielt, zurückzahlen.

Zwischen 2004 und 2005 hatte die Regierung Berlusconi den Kauf von Decodern für den Empfang terrestrischer Kanäle mit 220 Millionen Euro gefördert. Die Zuzahlung habe es Mediaset erlaubt, "seine Marktposition im Satellitenfernsehen gegenüber der Konkurrenz zu konsolidieren", argumentierte das Gericht. Noch teurer kam Berlusconi die 20 Jahre zurückliegende Bestechung eines Richters im Übernahmekampf um den Verlag Mondadori zu stehen. Ein Mailänder Tribunal verdonnerte die Dachholding Fininvest, 564 Millionen Euro Entschädigung an den ehemaligen Konkurrenten Carlo De Benedetti zu zahlen.

Warum funktioniert das Zwittermodell des Partei-Unternehmens nicht mehr? Mediaset war ein Vierteljahrhundert der Motor des Berlusconismus. Doch die einst so modern inszenierten Sender haben den Anschluss verloren.

Erstmals seit 2001 keine Dividende

In einer sich rasant wandelnden Medienwelt wirkt der Mailänder Konzern wie ein Fossil der achtziger Jahre. Die Pseudo-Satiresendung "Striscia la notizia" und die Gags der Show "Paperissima" sind abgenutzt. Neue Sendungen schlugen nicht ein wie erhofft. Kein Wunder, dass das junge, konsumfreudige Publikum aus den nördlichen Landesteilen in Scharen zum Konkurrenten Rupert Murdoch und seinem erfolgreichen Satellitensender Sky Italia abwandert. Oder ins Internet. Der Vormarsch des Web-Fernsehens lässt das Imperium des 75-jährigen Berlusconi ziemlich alt aussehen.

Dazu kommt, dass sich der Durchbruch in neuen Geschäftssparten schwieriger gestaltet als erwartet. Die Expansion des 2008 gegründeten Abonnentensenders Mediaset Premium mit 4,4 Millionen Kunden verläuft holprig. 2010 schrieb Mediaset Premium erstmals schwarze Zahlen, fällt 2011 aber wieder in die Verlustzone zurück. Emblematisch ist das Fiasko der TV-Produktionsgesellschaft Endemol, an der sich Mediaset mit einem Drittel beteiligt hat. Der niederländische Hersteller von Fernseh-Formaten wie "Big Brother" droht von zwei Milliarden Euro Schulden erdrückt zu werden. Auf den Eigentümerwechsel folgte eine Flucht der Autoren. Flops häuften sich.

So gingen Berlusconi und seine fünf Kinder in diesem Jahr leer aus. Die Familienholding Fininvest schüttete erstmals seit 2002 keine Dividende aus. An der letzten Nullrunde war die Pleite von Berlusconis Münchner Geschäftspartner Leo Kirch Schuld gewesen. Kein gutes Vorzeichen für den machtbewussten Signore Berlusconi.

© SZ vom 30.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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