Immobilien:Die Preisfrage

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Was lohnt sich: kaufen oder mieten? Wenn die Zinsen wieder steigen, kann das für verschuldete Hauskäufer und die Wirtschaft zum Problem werden. In Deutschland betrifft das vor allem Südbayern.

Von Benedikt Müller und Markus Zydra, Frankfurt

Es ist die wohl schwierigste Finanzfrage des Lebens: Lohnt es sich, eine eigene Immobilie zu kaufen? Oder ist es rentabler, zur Miete zu wohnen, sein Geld dafür breit gestreut anzulegen? Zwar sind die Kaufpreise in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Doch sind Baukredite in diesem Jahr günstig wie nie zuvor. Und in Zeiten unsicherer Renten ist die Idee verlockend, im Alter mietfrei zu wohnen.

Für alle Unentschiedenen hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) nun nachgerechnet. Demnach ist es in Deutschland zwar flächendeckend günstiger, im Eigentum zu leben, statt zu mieten. Im Schnitt liegt die Ersparnis bei 41 Prozent. Hinzu kommt allerdings, dass der Käufer sein Darlehen auch tilgen muss. Und: Die Zahl gilt eben nur für das aktuelle Zinstief.

Doch was passiert, wenn die Zinsen wieder steigen? Spätestens seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten scheint eine Zinswende in der Baufinanzierung möglich zu sein. Denn mithilfe eines schuldenfinanzierten Konjunktur-Programms könnten (zunächst in den USA) Inflation und Zinsen wieder anziehen. Früher oder später würden dann auch in Europa die Zinsen steigen. Abwegig ist das nicht. Zumindest haben mehrere Baufinanzierer in Deutschland die Kreditzinsen seit der US-Wahl angehoben, etwa ING-Diba, Allianz und Hypo-Vereinsbank. Sind die goldenen Zeiten auf dem Immobilienmarkt also bald vorbei?

In Teilen Europas wohl schon. Der EU-Systemrisiko-Rat (ESRB) warnte am Montag, dass die Immobilienmärkte in Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Luxemburg, in den Niederlanden, in Schweden und Großbritannien mittelfristig "verwundbar" seien und die Finanzstabilität gefährden könnten. Zum ersten Mal in seiner Geschichte sprach das Gremium eine solche Warnung öffentlich aus. Der ESRB kooperiert mit der Europäischen Zentralbank. Der Ausschuss soll helfen, Finanzkrisen zu verhindern. Die Regierungen dieser acht EU-Staaten sind nun gehalten, den Boom an den Häusermärkten einzudämmen. Nationale Aufsichtsbehörden könnten den Banken etwa strengere Regeln für die Kreditvergabe vorschreiben.

Wegen der niedrigen Zinsen kaufen sich viele Menschen auf Pump ein Eigenheim. Wie in Deutschland sind die Preise in vielen EU-Staaten gestiegen. Sollten nun die Zinsen wieder anziehen, könnte die Nachfrage zurückgehen. Eine Zinswende könnte auch die Wirtschaft schwächen und zu höherer Arbeitslosigkeit führen. Manche Hausbesitzer könnten ihr Darlehen nicht mehr bedienen; eventuelle Notverkäufe würden die Häuserpreise drücken.

Für Deutschland versucht das IW mit seinem Gutachten zu beruhigen: Selbst wenn die Bauzinsen deutlich steigen, ist es unwahrscheinlich, dass die Preise hierzulande einbrechen. Denn noch seien die Kosten der eigenen vier Wände angemessen im Vergleich zu den Mieten. Für etwa 400 Landkreise haben die Forscher untersucht, wie hoch die monatlichen Ausgaben für Kredit, Renovierungen und Abschreibungen sind. Dies verglichen sie mit ortsüblichen Mieten aus Internet-Portalen.

Im bundesweiten Durchschnitt ist die Kaltmiete demnach von knapp sechs Euro pro Quadratmeter im Jahr 2006 auf knapp sieben Euro im Jahr 2016 gestiegen. Rechnet man die Kosten für das Eigenheim auf den Quadratmeter herunter, sind diese 2008 von knapp acht Euro auf etwa 4,50 Euro gefallen. Klarer Vorteil fürs Kaufen. "Die Zinsen sind stärker gesunken, als die Preise gestiegen sind", sagt Michael Voigtländer, Immobilienexperte des IW, der das Gutachten im Auftrag der Wohnungsfirma Accentro angefertigt hat.

Allerdings berücksichtigen die Autoren nicht, dass Käufer neben den Zinsen eine Tilgungsrate zahlen. Denn die Tilgung sei ein monatlicher Vermögensaufbau; das könne man nicht mit der Mietzahlung vergleichen. Im echten Leben jedoch vereinbaren Kunden im Schnitt eine Tilgungsrate von knapp drei Prozent pro Jahr, wie der Kreditvermittler Dr. Klein berichtet. Sie zahlen also mehr Tilgung als Zins; dafür besitzen sie am Ende ein abbezahltes Haus.

Die Deutschen verändern ihre Gewohnheiten kaum, Zinsen hin oder her

Deshalb haben die Forscher ein zweites Modell durchgerechnet: Darin nutzt der Käufer seine Ersparnis im Vergleich zur Miete, um den Kredit zu tilgen. Nach zehn Jahren braucht er eine Anschlussfinanzierung, um insgesamt nach 35 Jahren schuldenfrei zu sein. Das Ergebnis: In Städten wie Berlin, Frankfurt oder Stuttgart geht die Rechnung noch auf, selbst wenn die Zinsen in der Zwischenzeit auf mehr als 3,5 Prozent steigen sollten. In München dagegen müssten die Zinsen weiter auf 0,8 Prozent sinken, damit ein Käufer wirklich günstiger wegkommt als ein Mieter. Ein unrealistisches Szenario.

Die Autoren folgern: In Südbayern könnte der Immobilienmarkt überhitzt sein. "Ein Zinsschock könnte dort tatsächlich etwas verändern", sagt Voigtländer. Es sei zwar nicht unattraktiv, rund um München ein Eigenheim zu kaufen. Doch sei dort Kaufen, einschließlich Tilgung, teurer als Mieten.

Bundesweit gibt Voigtländer Entwarnung: "Es ist unwahrscheinlich, dass wir in eine spekulative Blase hineinschlittern." Denn sie hätte auch ein psychologisches Moment: Viele Menschen würden kaufen, weil sie auf noch höhere Preise in der Zukunft spekulieren und mit Gewinn verkaufen wollen. Doch die Forscher beobachten, dass die Kaufneigung in Deutschland kaum zugenommen hat. Zwar wird etwa bei Google der Begriff "Wohnung kaufen" heutzutage doppelt so oft gesucht wie vor fünf Jahren. Doch für den Begriff "Wohnung mieten" ist die Zahl der Anfragen genauso stark gestiegen. Auch auf der Plattform Immobilienscout 24 ist der Anteil der Kaufgesuche gegenüber den Mietanfragen kaum gestiegen. "Es gibt keine eindeutige Hinwendung zum Kaufen", sagt Voigtländer. Schließlich seien die Hürden zum Eigenheim hoch: Die meisten Banken verlangen 20 Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital; zudem sind Grunderwerbsteuer, Notar- und Maklerkosten höher als in anderen Ländern.

Dass die Kosten für ein Eigenheim noch immer niedriger sind als die Mieten, wertet Voigtländer als gutes Zeichen. In Ländern wie Irland oder den USA etwa, wo vor knapp zehn Jahren die Blasen platzten, war Wohneigentum teurer als das Leben zur Miete - selbst wenn Schuldner überhaupt nicht tilgten. Solange das Verhältnis umgekehrt ist, sagt Voigtländer, seien weiter steigende Preise viel wahrscheinlicher als ein weit verbreiteter Einbruch.

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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