Hypo Real Estate:Bank im Dauerstress

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Schwerer Verdacht: Bereits vor der Lehman-Pleite soll die HRE massiv von der Insolvenz bedroht gewesen sein. Schuld daran: das Geschäftsmodell.

Claus Hulverscheidt

Die deutsche Bankenaufsicht hatte bereits im Frühjahr 2008 Hinweise darauf, dass die Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) bei einem Wegbrechen ihrer Finanzierungsmärkte unmittelbar von einer Insolvenz bedroht gewesen wäre. Das ergab die Vernehmung von Mitarbeitern der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags. Der Leiter des zuständigen Referats in der Bafin, Stefan Schrader, sagte, die HRE und die Aufsicht hätten sogenannte "Stress-Szenarien" durchgespielt, aus denen hervorgegangen sei, dass das Institut im ungünstigsten Fall keine 20 Tage hätte überleben können. Dabei sei ein so drastischer Fall wie die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers noch nicht einmal berücksichtigt worden.

Bereits vor der Lehman-Pleite war die Hypo Real Estate offenbar massiv von der Insolvenz bedroht. (Foto: Foto: AP)

Der Konkurs des US-Instituts Mitte September 2008 hatte zu einem Zusammenbruch des gesamten Kreditgeschäfts unter den Banken geführt. Nur wenige Tage später geriet die HRE in eine so dramatische Schieflage, dass sie von der Bundesregierung und einer Gruppe von Banken mit zunächst 35 Milliarden Euro gerettet werden musste. Der Untersuchungsausschuss will nun klären, warum genau dieses Institut ins Wanken geriet, ob die Staatshilfen von mittlerweile rund 90 Milliarden Euro notwendig waren und ob Regierung, Bundesbank und Bafin den Beinahe-Zusammenbruch bei früherem Hinsehen hätten verhindern können.

Schrader sagte, die Bafin sei schon Anfang 2008 zu dem Schluss gekommen, dass das Geschäftsmodell der irischen HRE-Tochter Depfa wegen der sich zuspitzenden Weltfinanzkrise und der völligen Anhängigkeit des Instituts von funktionierenden Kapitalmärkten mit "latent wachsenden Risiken" behaftet sei. Es sei auch klar gewesen, dass ein Zusammenbruch der Depfa die gesamte HRE-Gruppe in erhebliche Schwierigkeiten gebracht hätte. Im Durchschnitt habe die Bank Kredite in Höhe von vier Milliarden Euro am Tag aufnehmen müssen.

Topmanager müssen aussagen

Deshalb habe man die Hypo Real Estate im März 2008 gebeten, tägliche Liquiditätsberichte zur Verfügung zu stellen. Der Referatsleiter räumte allerdings ein, dass die Bafin die Zahlen aus Irland nie daraufhin überprüft habe, ob sie die deutschen Mindeststandards erfüllen. Es habe sich auch niemand vorstellen können, dass das Kreditgeschäft zwischen den Banken einmal vollständig zum Erliegen kommen könnte, wie es nach der Lehman-Pleite geschehen sei.

Die Ausschuss-Vertreter der Parteien bewerteten die Aussagen der Zeugen völlig unterschiedlich. Der FDP-Obmann Volker Wissing sagte, es sei nun erwiesen, dass die HRE wohl auch ohne die Lehman-Pleite über kurz oder lang in existenzielle Schwierigkeiten geraten wäre. Ähnlich äußerte sich sein Grünen-Kollege Gerhard Schick. Dagegen erklärte SPD-Obfrau Nina Hauer, es habe sich einmal mehr gezeigt, dass niemand die Lehman-Pleite habe vorhersehen können. Entsprechende "Stress-Szenarien" seien zwar durchgespielt worden, von allen Experten aber als unrealistisch bewertet worden. Deshalb könne auch niemand Finanzminister Peer Steinbrück anlasten, er habe zu spät reagiert.

Nach den Plänen der Opposition sollen in den kommenden Wochen neben weiteren Mitarbeitern von Bundesbank und Bafin auch alle jene Topmanager und Spitzenbeamten vor dem Ausschuss aussagen, die Ende September 2008 an den Beratungen über das erste HRE-Rettungspaket beteiligt waren. Dazu zählen die Chefs von Deutscher Bank und Commerzbank, Josef Ackermann und Karl-Heinz Blessing, Blessings Vorgänger Klaus-Peter Müller, Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen und der Wirtschaftsberater von Kanzlerin Angela Merkel, Jens Weidmann. Zudem soll HRE-Chef Axel Wieandt vernommen werden.

© SZ vom 05.06.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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