Deutsche Bank: Hauptversammlung:And the winner is...

Lesezeit: 3 min

Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann geht als Sieger aus den Turbulenzen um seine Vertragsverlängerung hervor, sein Chefkontrolleur Clemens Börsig wirkt gedemütigt.

Martin Hesse, Frankfurt

Es hatte sich etwas zusammengebraut über Frankfurt. Von Tag zu Tag hatte sich die Atmosphäre aufgeladen, in der Stadt und rund um ihre größte Bank. Und als sich die Aktionäre der Deutschen Bank mit vor Hitze glänzenden Gesichtern in langen Reihen vor der Messehalle aufstellten, um zu erfahren, wie ihr Vorstandschef Josef Ackermann und ihr Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Börsig ihren Machtkampf erklären würden, da kam ein Sturm auf. Sogar das Wetter schien von der Unruhe zu künden, die die Bank erfasst hat.

Zuständigkeiten geklärt: Deutsche-Bank-Chef Ackermann (vorne) und sein Chefkontrolleur Börsig. (Foto: Foto: Reuters)

Aber drinnen ist es kühl, die Stimmung kontrolliert. Und man kann zunächst nur an vielen kleinen Dingen ablesen, dass hier etwas aus dem Lot geraten ist. Etwa als Börsig und Ackermann ihre Plätze in der Mitte des Podiums einnehmen. Der Händedruck ist nicht länger als nötig, das Grinsen des Vorstandschefs ist breiter und gelöster als das Lächeln seines Chefkontrolleurs, der eher angespannt wirkt - wie ein Boxer vor dem Kampf.

Kein Typ für die Massenbegeisterung

Natürlich, Börsig war nie ein Typ, der mit seinem Charme die Massen für sich gewinnt. Und er hat den schwierigeren Job heute: Börsig muss als Aufsichtsratschef eine Hauptversammlung leiten, auf der es neben Finanzkrise und Datenaffäre vor allem um ein Thema gehen wird: Wie konnte es sein, dass Börsig sich selbst zum Vorstandschef machen wollte, damit scheiterte und schließlich Ackermann eine weitere Amtszeit antragen musste?

So jedenfalls hatten in den Tagen nach der entscheidenden Aufsichtsratssitzung am 28. April mehrere Insider den Hergang der Dinge geschildert. Doch einen Monat später in der Frankfurter Festhalle soll den Aktionären eine andere Wahrheit eingepaukt werden. Sehr rasch kommt Börsig nach den einleitenden Formalien zur Sache: "Ich freue mich persönlich sehr, dass Dr. Ackermann bereit ist, die Bank weiter zu führen. Und ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit." Und dann lässt Börsig den Aufsichtsratskollegen Tilman Todenhöfer eine kryptische Erklärung verlesen, aus der hervorgehen soll, dass Börsig keinerlei Ambitionen auf den Vorstandsvorsitz hatte. Explizit steht das so aber nicht in dem einseitigen Text. Die Formulierungen lassen Raum für Interpretationen. Etwa wenn es heißt, der Aufsichtsrat habe es als seine Pflicht angesehen, alle Alternativen, bis hin zur Notwendigkeit, Börsig in die Pflicht zu nehmen, geprüft. Börsig habe aber "im gesamten Prozess keine eigenen Ziele verfolgt".

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum die Aktionäre die Inszenierung der Bank nicht einfach schlucken wollen.

Und so bleibt offen, ob Börsig sich drängen ließ oder selbst drängte, Ackermann zu ersetzen. Oder ließen Ackermanns Getreue ihn ins Messer laufen, wohl wissend, dass er sich im Aufsichtsrat als Vorstandschef nicht durchsetzen lassen würde? Viele Aktionäre jedenfalls nehmen der Bank ihre Inszenierung nicht ab. Auf dem T-Shirt des Mannes, der Jahr für Jahr als wandelnde Littfaßsäule gegen die Deutsche Bank protestiert, steht dieses Mal: "Putschversuch bei der Deutschen Bank, Börsig gegen Ackermann." Er fordert eine Abwrackprämie für die beiden.

Stiller Protest: Ein kritischer Aktionär stellt sich auf der Hauptversammlung demonstrativ vor Bank-Chef Josef Ackermann. (Foto: Foto: dpa)

Ein anderer Aktionär zitiert Jimmy Hendrix, um auf dem Machtkampf zwischen Ackermann und Börsig anzuspielen. "Hey Joe, what are you doing with that gun in your hand?" Und um 11:45 Uhr fordert erstmals ein Anteilseigner Börsig zum Rücktritt auf. Doch ein Antrag auf Abwahl Börsigs als Versammlungsleiter scheitert mit mehr als 99 Prozent Gegenstimmen.

Szenenapplaus für den Bankchef

Dennoch, wie die Sympathien in der Halle verteilt sind, war spätestens deutlich geworden, als Ackermann an das Mikrofon getreten war. War Börsig nur höflich beklatscht worden war, wird Ackermann während seiner Rede immer wieder von Applaus unterbrochen. Auch die Körpersprache Ackermanns zeigt, wer als Gewinner aus den Turbulenzen um seine Vertragsverlängerung hervorgegangen ist. Wo Börsig den Blick nach unten gerichtet seine Rede ablas, da nutzt Ackermann den Teleprompter. Aufrecht steht er, den Blick scheinbar in den Saal gerichtet und ruft den Aktionären seine gewohnten Botschaften zu: Von der Mitverantwortung der Banken für die Krise; von der Notwendigkeit staatlicher Hilfen; vom Sinn einer Rendite von 25 Prozent und schließlich von der ungebrochenen Stärke der Deutschen Bank.

Am Ende von Ackermanns Rede lässt sich erahnen, warum auch später in der Diskussion nur vergleichsweise zahme Kritik an der verunglückten Nachfolgeregelung aufkommt: Die Aktionäre feiern Ackermann dafür, dass er bis 2013 Bankchef bleibt. Mit einem typischen Ackermann-Grübchen-Lächeln hatte der Schweizer beteuert, es sei wirklich seine ernstgemeinte Lebensplanung gewesen, aufzuhören. Doch auf Ersuchen des Aufsichtsrates habe er zugestimmt, der Bank noch länger zu dienen. Und als er sich bei den Aktionären für die lautstarke Unterstützung bedankt, greift er sich kurz an den Augenwinkel und der Mann, in dem manche einen Börsig-Mörder sehen, zeigt so etwas wie Rührung.

Doch wer geglaubt hatte, Börsig würde sich bei dieser Hauptversammlung als schlechter Verlierer zeigen, der wird enttäuscht. "Der Applaus spricht für sich", gönnt er Ackermann seinen Erfolg. Gelassener als in vergangenen Jahren und gelegentlich sogar mit einem Hauch Ironie leitet Börsig die Versammlung. Und als der Kirch-Anwalt Franz Enderle die "Lobhudelei" in der Erklärung für Börsig anprangert, da wird er ausgebuht.

In diesem Moment darf sich sogar Börsig für einen Moment als Sieger fühlen.

© sueddeutsche.de/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: