Hypo Real Estate:Mit Anlauf in den Abgrund

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Die Depfa Bank hat seit langem strukturelle Probleme. Jetzt droht sie ihre neue Mutter HRE in den Ruin zu treiben.

Martin Hesse

Das Timing hätte schlechter nicht sein können. Eine Woche vor dem Zusammenbruch der Mittelstandsbank IKB hatte die Hypo Real Estate (HRE) im Juli 2007 die Übernahme der Depfa Bank angekündigt.

Der damalige Depfa-Chef Gerhard Bruckermann soll mit 100 Millionen Euro verabschiedet worden sein - HRE-Aktionäre dagegen haben ihren Kurs seither nur fallen sehen. Analysten kritisierten schon damals, HRE habe für die Depfa zu viel gezahlt. Doch HRE-Chef Georg Funke hielt an dem Kauf fest. Erst im Oktober, als die Kreditkrise schon tobte, schloss er die Übernahme ab. Ein Jahr später droht die Depfa ihre neue Mutter in den Abgrund zu reißen.

Kein zufälliges Opfer

Wenn auch viele Kreditinstitute unter den extremen Marktbedingungen leiden, gilt die Depfa nicht als zufälliges Krisenopfer. Sie ist besonders auf jenen Interbankenmarkt angewiesen, der seit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers praktisch eingefroren ist.

Experten sind der Ansicht, die Risiken der Depfa seien bereits im vergangenen Sommer absehbar gewesen. "Die Depfa hat in der Krise vor allem zwei Fehler gemacht: Sie hat es versäumt, die bisher sehr kurzfristige Refinanzierung ihrer Ausleihungen auf längere Laufzeiten umzustellen, und sie hat Vermögenswerte in ihrer Bilanz zu hoch bewertet", sagt ein Bankenexperte.

Die Depfa ist nicht die einzige Bank, die sich zuletzt stärker in die Abhängigkeit des Interbankenmarktes begeben hat, über den sich Kreditinstitute gegenseitig kurzfristig Geld leihen.

Die Bundesbank verweist in ihrem jüngsten Monatsbericht darauf, dass Banken in den vergangenen zwei Jahrzehnten viel stärker als zuvor Finanzmärkte und andere Banken statt Kundeneinlagen als Quelle zur Finanzierung nutzten. Laut Bundesbank hatten deutsche Banken untereinander per Ende Juli Kredite über 1800 Milliarden Euro vergeben. Zugleich habe die Laufzeit der Refinanzierung abgenommen. Durch beide Entwicklungen sei das Liquiditätsrisiko gewachsen.

Bei Staatsfinanzierern wie Depfa, Eurohypo oder der französischen Dexia paart sich das Liquiditätsrisiko mit einem Ertragsproblem. Ihren Schuldnern, meist Staaten mit guter Bonität, können sie kaum höhere Zinsen abverlangen, als sie selbst für die Refinanzierung zahlen müssen.

Um überhaupt Gewinn zu erzielen, setzten sie besonders stark auf eine kurzfristige, billigere Finanzierung. Doch schon seit die Zentralbanken 2006 begannen, die Leitzinsen zu erhöhen, verschärfte sich das Problem der Staatsfi-nanzierer. Und als im Sommer 2007 die Kreditkrise ausbrach, stiegen die kurzfristigen Marktzinsen weiter, während staatliche Schuldner für langfristige Anleihen noch weniger zahlen mussten.

Schneller angepasst

Grundsätzlich standen alle Banken vor diesem Problem. Andere Kreditinstitute passten ihre Refinanzierung jedoch rascher an. So begab die Deutsche Bank im Spätsommer 2007 in großem Stil langfristige Anleihen, um die Geldversorgung zu verbessern. Und die Commerzbank, die im vergangenen Jahr den Staatsfinanzierer Essen Hyp ganz übernommen hatte, hat dort das Geschäft zurückgefahren.

Dennoch wird die Commerzbank mit den Immobilienfinanzierern Eurohypo und Essen Hyp an der Börse als anfällig angesehen. Zwar sei der langfristige Refinanzierungsbedarf der Bank gesichert, auch verfügt sie anders als HRE über hohe Kundeneinlagen. Schwierig könne jedoch auf Dauer die Geldaufnahme für Fristen von 30 bis 90 Tagen werden, wenn der Interbankenmarkt weiterhin so angespannt sei, heißt es in Bankenkreisen.

Der Spiegel berichtete am Wochenende, hohen Refinanzierungsbedarf hätten auch einige Landesbanken. So müsse die LBBW bis Ende 2009 mehr als 100 Milliarden Euro refinanzieren. Bei der Bayerischen Landesbank summiere sich der Bedarf auf 43Milliarden Euro, bei der WestLB auf 30 Milliarden Euro. In einem sind sich die Experten einig: Sollte die Rettung der HRE scheitern, dürften alle großen deutschen Banken es erst einmal schwer haben, an frisches Geld zu kommen.

© SZ vom 06.10.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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