Hygiene-Ampel bundesweit:Wer rot sieht, geht woanders essen

Lesezeit: 3 min

Die Bundesländer wollen sie: An der Eingangstür könnten Gäste bald erfahren, wie sauber ein Restaurant ist. Eine Ampel-Skala informiert, wie der jüngste Besuch der Lebensmittelkontrolleure vor Ort gelaufen ist. Doch die Idee schmeckt nicht jedem.

Die Bon-Maschine spuckt im Minutentakt neue Bestellungen aus. Spargel, Flammkuchen, Salat, Schnitzel. Im Bremer Rathauskeller gehen um die Mittagszeit die Gerichte fast wie am Fließband raus, jeder Handgriff muss sitzen. "Mehr Gemüsespalten, bitte", ruft Sous-Chef Oliver Wichmann. Sorgsam dekoriert er Pannfisch und Beilagen in einer Pfanne, ein dicker Klecks Soße landet auf der Anrichte. Sofort wischt Wichmann mit einem Tuch hinterher.

Ratskeller-Restaurant im Bremer Rathaus. (Foto: dpa)

Trotz Hektik hat Sauberkeit oberste Priorität in der Küche des Ratskellers - und ob sich die Mitarbeiter dran halten, überprüft Küchendirektor Arnd Feye mit strengem Blick. Doch nicht in allen Restaurants geht es so ordentlich zu. Im vergangenen Jahr haben Bremer Kontrolleure 3800 Lebensmittelbetriebe unter die Lupe genommen. Bei mehr als zehn Prozent bestanden größere Mängel. In Nordrhein-Westfalen beanstandeten die Experten sogar jedes drittes Lokal.

Abgelaufene Lebensmittel, schmutzige Arbeitsflächen, nachlässiges Personal - wie unappetitlich es in manchen Küchen zugeht, bekommen die Gäste selten mit. Das wollen die Verbraucherschutzminister der Länder nun ändern. Eine Hygiene-Ampel soll möglichst schon vom 1. Januar 2012 an gut sichtbar in Gaststätten hängen, beschlossen sie am Donnerstag. Die Pläne sehen ein mehrfarbiges Balkendiagramm vor, auf dem ein Pfeil die Bewertung des Restaurants anzeigt, die aus der letzten Lebensmittelkontrolle folgt.

Steht die Skala auf Grün, kann man bedenkenlos speisen, bei Gelb sind Zweifel angesagt, und bei Rot gab es schwerwiegende Mängel. Die Ausgestaltung stehe aber noch nicht endgültig fest, sagte die Vorsitzende der Ministerkonferenz, Bremens Gesundheitssenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD): "Wichtig ist, es muss auf den ersten Blick verständlich sein." Später sollen auch Bewertungen für Bäcker, Fleischer, Händler, Großküchen und Wochenmärkte dazukommen. Im Internet wird die Bewertung ebenfalls abrufbar sein, was gerade für Betriebe wichtig ist, die wenig Kundenkontakt haben.

"Ich sehe das wirklich als einen großen und weitreichenden Schritt im Sinne des Verbraucherschutzes", sagte Rosenkötter. "Die Verbraucher sollen wissen, wie es um die Hygiene in einzelnen Lebensmittelbetrieben bestellt ist." Die Bundesregierung soll nun die Gesetzesgrundlage für das Bewertungssystem schaffen.

Eine solche Öffentlichkeit kann immense Wirkung haben. Im Berliner Stadtteil Pankow gibt es seit zwei Jahren ein Smiley-System mit bis zu 80 Punkten - je mehr Punkte, desto schlechter wird das Restaurant bewertet. Die Bewertungen zwangen schon Restaurants zum Schließen.

Als der Bremer Küchendirektor Feye zum ersten Mal von der Hygiene-Ampel hörte, dachte er: "Kein Problem." Schließlich hatten die Lebensmittelkontrolleure in seinem Haus bis auf Kleinigkeiten wie abgeblätterte Farbe nie etwas zu kritisieren. Das grüne Licht neben der Eingangstür wäre also ein gutes Aushängeschild. Doch umso länger Feye über das geplante System nachdachte, desto kritischer wurde er: "Das Ganze ist nur eine Momentaufnahme. Es gibt keine Branche, in der so viel Fluktuation herrscht wie in der Gastronomie - mal ist es ein guter Pächter, mal ein schlechter." Was passiert bei einem Betreiberwechsel? Bleibt die Ampel hängen? Oder wird sie abgenommen, bis ein Kontrolleur den Betrieb besucht hat? "Bis dahin wundern sich die Gäste, wieso der keine Ampel hat", sagt Feye. Er befürchtet, dass das System nicht für mehr Transparenz sorgt, sondern diese den Gästen nur vorgaukelt.

Dafür sprechen Zahlen. Bundesweit gibt es zurzeit 2500 Lebensmittelkontrolleure und damit 1200 zu wenig, wie der Vorsitzende des Bundesverbandes, Martin Müller, erläutert. "Nicht jeder Betrieb kann zur rechten Zeit kontrolliert werden." Dadurch könnte die Ampel das Bild verzerren, fürchtet er. Deshalb müssten Länder und Kommunen dringend mehr Personal für diese Aufgabe einstellen. Generell befürwortet Müller die bunte Farbskala: "Wir hoffen, dass dadurch ein Wettbewerb bei der Hygiene entsteht."

Beim Hotel- und Gaststättenverband kommt die Idee der Minister dagegen nicht gut an. "Wir sehen vor allem das Problem der Wettbewerbsverzerrung", sagt eine Sprecherin. Auch Bäcker und Fleischer würden inzwischen Salate und teilweise sogar warme Gerichte anbieten. Die Hygiene-Ampel müssten sie aber erst später als die Gaststätten einführen. Das sei unfair. Ob das Kontrollbarometer überhaupt was bringt, sieht der Verband skeptisch. Schließlich gebe es schon festgelegte Hygienestandards. Doch Verstöße würden wegen der fehlenden Kontrolleure nicht immer auffliegen, geschweige denn geahndet werden.

© SZ vom 20.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: