HSH Nordbank:Risikopapiere am Sparkassenschalter

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Die Institute haben Anlegern gefährliche Finanzprodukte der HSH Nordbank verkauft. Der Landesbank droht die Abwicklung, im schlimmsten Fall ist das Geld weg.

Von Meike Schreiber, Jan Willmroth und Markus Zydra, Frankfurt

"Osteranleihe", "Sommeranleihe", "Winterzauber": Was nach Natur, blauem Himmel oder Gewürzteemischung klingt, sind Wertpapiere der HSH Nordbank. Die Landesbank, für die Freitagnacht Gebote eingingen, muss einen Käufer finden, sonst wird sie abgewickelt. Dennoch hat das Institut mit Hilfe der Sparkassen unter diesen schönen Namen im großen Stil Finanzprodukte an Sparer verkauft. Die Rede ist von Zertifikaten - Papiere, die spätestens seit der Lehman-Pleite 2008 einen zweifelhaften Ruf haben.

Natürlich vertreiben auch andere Banken solche Wertpapiere; der Zertifikatemarkt in Deutschland kommt auf 70 Milliarden Euro. Dass aber ausgerechnet die zum Verkauf stehende HSH mit diesen Wertpapieren so groß werden konnte, ist bedenklich. Zwar teilten die Bank-Eigentümer am Sonntag mit, zum 30. Juni seien fristgerecht erweiterte Angebote eingegangen. Die Zukunft der HSH ist dennoch so ungewiss wie die keines anderen Geldhauses hierzulande, und dieser Umstand erhöht die Ausfallrisiken der Zertifikate.

"Das ist eigentlich ziemlich unfassbar, dass die Sparkassen Zertifikate der HSH verkauft haben und noch verkaufen. Als Kleinkunde trägt man ein großes Risiko, wird dafür aber mit Minizins abgespeist", sagt Udo Philipp, Vorstand des Instituts für Finanzdienstleistungen und Finanzexperte der Grünen. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sagt: "Wenn Kleinanlegern empfohlen wird, einen Großteil des Vermögens in einzelne Zertifikate zu investieren, dann ist das für mich lupenreine Falschberatung".

Einst war die HSH Nordbank der weltgrößte Schiffsfinanzierer, nun muss die Landesbank mit Sitz in Hamburg und Kiel privatisiert werden. (Foto: Carsten Rehder/dpa)

Zwar plädieren Verbraucherschützer seit Jahren dafür, die Beratung in Deutschland umfassend zu reformieren: Weg von der Provisionsberatung, die in erster Linie auf den Verkauf der Produkte abzielt, hin zur Honorarberatung, die als unabhängiger gilt. Passiert ist bisher jedoch wenig.

Zertifikate gehören zu jenen undurchsichtigen Produkten, die Volksbanken, Sparkassen und Privatbanken nach wie vor fleißig verkaufen, obwohl die wenigsten Kunden deren Chancen, Risiken und Kosten vollständig begreifen dürften. Zertifikate gaukeln oft vor, man investiere etwa in einen Börsenindex. In Wirklichkeit handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen. Das bedeutet: Geht eine Bank, die das Zertifikat ausgibt, pleite, ist das Geld weg. Bereits in der Finanzkrise brachten diese Papiere mit der "Lehman-Oma" den Prototypen des geprellten Anlegers hervor. 40 000 deutsche Sparer hatten etwa 600 Millionen Euro in Lehman-Zertifikate investiert. Als die Investmentbank 2008 unterging, waren die Zertifikate über Nacht wertlos. Erst später wurden viele Betroffene entschädigt. Allen voran die Sparkassen mussten sich Kritik gefallen lassen.

Doch im Vergleich zur HSH war Lehman als Zertifikate-Emittent ein Zwerg: Papiere im Wert von neun Milliarden Euro hatte die Landesbank aus Hamburg zeitweise unter die Leute gebracht; derzeit stehen noch fünf Milliarden aus. Der Großteil dürfte in Privatanleger-Depots liegen.

Was die Sache im Fall der HSH so kompliziert macht: Auf Geheiß der EU-Kommission müssen die Eigentümer das Institut bis Februar 2018 verkaufen. Gelingt das nicht, droht die Abwicklung, und das hätte womöglich Folgen für Anleger.

Eine neue EU-Richtlinie fordert nämlich, dass sich Gläubiger an Abwicklungen beteiligen ("Bail-in"), also auf ihr Geld verzichten, damit nicht mehr die Steuerzahler für die Abwicklung oder Rettung der Bank aufkommen müssen. Auch Zertifikate-Besitzer sind Gläubiger.

Im Vergleich zur HSH war Lehman als Zertifikate-Emittent in Deutschland ein Zwerg

Die Beteiligten geben sich Mühe, die Verlustrisiken als minimal darzustellen. Weil die HSH Nordbank den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein gehört, könnten beide für die Rettung aufkommen. Auch die Sparkassen, die mit den Landesbanken in einem Haftungsverbund verschränkt sind, werden alles tun, um Reputations-Schäden zu vermeiden. Und natürlich wären im Fall der Fälle zunächst die Eigenkapitalgeber und nachrangige Gläubiger dran. Da hat die Bank noch viele Milliarden Puffer. Es kann aber auch anders laufen. Und noch ist offen, was die EU-Kommission im Ernstfall verlangt.

Einen Rechtsanspruch auf Entschädigung gibt es jedenfalls nicht, anders als es bei Spareinlagen bis 100 000 Euro der Fall ist. Das Ganze hat daher auch eine politische Dimension, die über Deutschland hinausreicht. "Banken sollten sich grundsätzlich nicht refinanzieren, indem sie im großen Stil solche unbesicherten Anleihen an Privatanleger verkaufen", sagt Finanzexperte Philipp. "Man sieht in Italien, dass so etwas dazu führt, dass dann doch die Steuerzahler eine Bank retten müssen, nur weil man die Kleinanleger schützen will."

Fragt sich nur, wer die Papiere eigentlich gekauft hat. Dem Vernehmen nach haben allen voran Sparkassen in Ostdeutschland und Bayern HSH-Zertifikate vertrieben. Weder die HSH noch der Sparkassendachverband DSGV wollten sich dazu äußern. Nach Informationen der Verbraucherschützer in Hamburg haben Sparkassen zumindest die "Winter-Anleihe 2017" der HSH auch an Anleger mit geringer Risikobereitschaft verkauft. Das zeige ein Begleitschreiben zur Mündelsicherheit der Anlage, in dem Wertverluste ausgeschlossen werden. Zum Kundenkreis gehörten "vermutlich ältere Kunden mit einem kleinen oder größeren Vermögen, das sie eigentlich sicher anlegen wollten - für befürchtete Gesundheits- und Pflegekosten im Alter", sagen die Verbraucherschützer.

Gab es dann wenigstens hohe Zinsen für das Risiko? Noch nicht einmal das. Für ein einfaches Zertifikat ("Sommer-Anleihe 2017") zahlt die Bank für drei Jahre Laufzeit 0,75 Prozent Zinsen pro Jahr. Wer eine unbesicherte HSH-Anleihe mit noch dreijähriger Laufzeit an der Börse kauft, erhält dafür gut zwei Prozent Zinsen. Die Sparkassenkunden halfen der HSH also durchaus, sich günstig zu refinanzieren. Die Sparkassen hingegen strichen Vermittlungsprovision ein und verdienten Depotgebühren.

Man kann der HSH zugute halten, dass sie in den Broschüren vorschriftsgemäß auf das Risiko hinweist. Ob das den Käufern aber klar war? Auch viele Sparkassen bekamen zuletzt kalte Füße. Noch vor zwei Jahren hatte die Hälfte der 400 Institute die HSH-Zertifikate im Programm. Inzwischen vertreiben nur noch etwa zwanzig Sparkassen diese Produkte. Finanzexperte Philipp fragt sich grundsätzlich: "Warum verkauft man das überhaupt noch?"

© SZ vom 03.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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