Der Zugang ins Internet führt heutzutage fast immer über Asien. Einige der weltweit größten Anbieter von Mobiltelefonen, Laptops oder Heimcomputern haben auf dem Kontinent ihren Sitz, oder sie lassen hier fertigen. Besonders China ist ein beliebter Standort für die Marktführer. Billige Arbeitskräfte schrauben in der Volksrepublik zusammen, was anderswo ausgedacht und konzipiert wird. Eng verbunden damit: der Name Foxconn als zwielichtiger Inbegriff dieser Auftragsarbeit.
Der chinesische Arm des taiwanischen Elektronikkonzerns Hon Hai lässt rund 1,2 Millionen Menschen für sich schuften: schlecht bezahlt, schlecht behandelt, schlecht ausgebildet. Mehr als ein paar Handgriffe lernen die oft jungen Angestellten bei Foxconn nicht. Wer aussteigt, wird binnen weniger Stunden ersetzt: das Wegwerfmodell der Arbeit. Das Management-System bei Foxconn steht seit Jahren in der Kritik.
Militanter Befehlston von Vorgesetzten, Geldstrafen bei Ungehorsam und ein Lohngefüge, das die Mitarbeiter zu massenhaft Überstunden nötigt, setzen den jungen Beschäftigten zu. Die Bedingungen gelten als Ursache für eine ganze Reihe von Selbstmorden in den vergangenen vier Jahren von Foxconn-Angestellten. Das Unternehmen gelobte Besserung. Doch geschehen sei fast nichts, klagen Arbeiter.
Arbeiter sprechen von acht bis neun Todesfällen seit 2013
Schlimmer noch: Eine Foxconn-Fabrik in Chongqing im Westen Chinas war nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in den vergangenen zwölf Monaten Schauplatz einer neuen Suizidserie. Arbeiter sprechen von acht bis neun Todesfällen durch Selbstmord seit 2013. Der jüngste Fall soll sich erst im April dieses Jahres ereignet haben. 2010 hatten sich mehr als ein Dutzend Arbeiter auf dem Foxconn-Gelände in Shenzhen umgebracht, 2013 nahmen sich drei Angestellte des Standorts Zhengzhou das Leben.
Die jetzt betroffene Fabrik in Chongqing stellt in erster Linie Notebooks für den US-Hersteller HP her. Das Unternehmen mit Sitz in Palo Alto in Kalifornien bestätigte auf Anfrage "Zwischenfälle, die untersucht werden". Eine genaue Zahl nannte eine HP-Sprecherin nicht, betonte aber, sie sei deutlich geringer, als von den Arbeitern behauptet. In einer schriftlichen Stellungnahme teilte der Computerhersteller zudem mit: "HP nimmt die Arbeitsbedingungen in den Fabriken, die seine Produkte herstellen, sehr ernst und pflegt hohe Standards bei der Auswahl seiner Lieferanten."
Zulieferer in China:Apple nach Tod von 15-Jährigem in der Kritik
Vier Arbeiter sterben, einer davon in jugendlichem Alter und nach wenigen Wochen Fabrikarbeit. Die Zustände in einer iPhone-Fabrik in Shanghai erhöhen den Druck auf Apple. Die Zulieferer weisen die Schuld von sich - und machen gefälschte Personalausweise verantwortlich.
HP-Mitarbeiter in China seien mit der Untersuchung der Vorfälle befasst. Allerdings, so räumte die Sprecherin ein, seien die Mitarbeiter nicht ständig vor Ort. Wenn nötig, würde man Maßnahmen einleiten, um die Kommunikation zwischen Management und Arbeitern ebenso zu verbessern wie die Lebens- und Arbeitsbedingungen. Auch würde man den Arbeitern psychologische Hilfe anbieten. Foxconn reagierte nicht auf eine Anfrage.
Der Frankfurter Sozialforscher Boy Lüthje sieht die Bemühungen der ausländischen Konzerne zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen chinesischer Arbeiter kritisch. Lüthje lehrt als Gastprofessor an der Sun-Yat-sen-Universität in Guangzhou, Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Entwicklung der industriellen Beziehungen in der Volksrepublik. "Die Konzerne setzen auf die Strahlkraft der Weißwaschprogramme von Organisationen wie der Fair Labor Association. Substanzielle Änderungen treiben sie nicht voran", sagt er.
Die Fair Labor Association (FLA) wird von amerikanischen Unternehmen finanziert. Nach den Todesfällen in Shenzen 2010 half sie unter anderem dem US-Konzern Apple bei der Untersuchung der Arbeitsbedingungen in der Foxconn-Fabrik. Dabei ging es unter anderem um die Durchsetzung freier Betriebsratswahlen.
Vor mehr als einem Jahr schon kündigte Foxconn an, Arbeitnehmervertreter zuzulassen, die von der Belegschaft frei gewählt werden. Doch nichts dergleichen geschah. "Es gibt Betriebsräte, aber die meisten Arbeiter wissen nicht einmal, dass sie existieren", sagt der Student Xu Hui. Für Forschungsprojekte interviewt der 27-Jährige regelmäßig Arbeiter von Foxconn. Er selbst ließ sich bereits zweimal für insgesamt mehr als zwei Monate für einen Job am Fließband des Elektronikherstellers anstellen.
Nach Abzug der Kosten bleiben 180 Euro Lohn
"Die Arbeiter können ihre Vertreter bis heute nicht frei wählen", sagt Xu. Auch er fertigte im Jahr 2011 für mehrere Wochen Notebooks für HP - in seinem Bereich ging es um den Zusammenbau der Laptopgehäuse. Zwölf Sekunden blieben ihm pro Einheit. Sechs Tage in der Woche arbeitete er zwölf Stunden. Nach Abzug von Kosten für Verpflegung und Unterkunft blieben ihm 1500 Yuan, umgerechnet knapp 180 Euro, als Lohn.
2009 verkündete Foxconn den Bau neuer Fabriken in Chongqing und Chengdu, der Hauptstadt der Provinz Sichuan. Es war der entscheidende Schritt für eine Neuordnung der IT-Geografie in China. Bis dahin waren das Perlflussdelta und die Region um Shanghai im Osten die Zentren der Elektronikzulieferer. Westchina buhlte um Investitionen und machte Firmen wie Foxconn den Standort schmackhaft.
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Zu den Annehmlichkeiten zählt auch eine enge Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden, die eine Berichterstattung in den Medien über die Selbstmorde in den Fabriken mit harten Methoden zu verhindern wissen. Auch die strenge Zensur von Kurznachrichtendiensten kommt Foxconn entgegen. Die Internetgemeinde ist vorsichtig geworden, seitdem Haftstrafen drohen für "schädliche Inhalte", die Nutzer verbreiten. Berichte über Selbstmorde gehören dazu. Sie schaden dem Image.
2010 hatte die Berichterstattung über die Suizide nicht nur im Ausland, sondern auch in China selbst eine Welle der Empörung und Wut ausgelöst und der Regierung schwer geschadet. Man warf ihr vor, die Ausbeutung junger Chinesen durch westliche Firmen nicht zu verhindern.