Zulieferer in China:Apple nach Tod von 15-Jährigem in der Kritik

Apple Hongkong

Demonstranten protestieren vor einem Apple-Geschäft in Hongkong gegen die Arbeitsbedingungen bei Apple-Zulieferern in China.

(Foto: AFP)

Vier Arbeiter sterben, einer davon in jugendlichem Alter und nach wenigen Wochen Fabrikarbeit. Die Zustände in einer iPhone-Fabrik in Shanghai erhöhen den Druck auf Apple. Die Zulieferer weisen die Schuld von sich - und machen gefälschte Personalausweise verantwortlich.

Von Eva Dou und Paul Mozur, Wall Street Journal Deutschland

Nach dem Tod eines 15-Jährigen und dreier weiterer Arbeiter in einer iPhone-Fabrik in Shanghai steht der Technologiekonzern Apple erneut unter Rechtfertigungszwang. Er muss sich gegen Vorwürfe wehren, dass seine Zulieferer in Asien das Wohl ihrer Mitarbeiter nicht ernst nähmen und Minderjährige beschäftigten.

Im September hatte der 15-jährige Shi Zhaokun in einem Werk der Firma Pegatron in Shanghai mit einem gefälschten Personalausweis eine Stelle erhalten. Er hatte sein Alter mit 20 angegeben. Doch seine Anstellung währte nicht lange: Nur knapp einen Monat nach Arbeitsbeginn starb Shi an einer Lungenentzündung.

Arbeitsschutzorganisationen sagen, dass die langen Arbeitszeiten und das Leben auf engstem Raum in den Arbeiterwohnheimen Shis Tod mitverursacht haben. Pegatron, deren Hauptsitz in Taiwan liegt, bestätigte am Mittwoch, dass vier Mitarbeiter in dem Werk in Shanghai jüngst an Krankheiten gestorben sind. Die Fabrik in Shanghai beschäftigt insgesamt rund 100.000 Menschen.

Pegatron und Apple erklärten jedoch auch, ihre Überprüfung der Todesfälle hätte ergeben, dass diese nicht auf die Arbeitsbedingungen zurückzuführen seien.

Nach dem Tod des 15-Jährigen hatte Apple im November nach Angaben einer Sprecherin ein Team unabhängiger medizinischer Experten aus den USA und China in die Pegatron-Fabrik geschickt, um den Fall zu untersuchen. Die Ermittler hätten "zwar keine Anhaltspunkte für eine Verbindung zu den dortigen Arbeitsbedingungen gefunden, aber wir sehen ein, dass das den Familien, die ihre Liebsten verloren haben, wenig Trost spendet", sagt Apple-Sprecherin Carolyn Wu.

Machtlos gegen gefälschten Personalausweis

Apple wollte sich zur Beschäftigung Minderjähriger nicht äußern. Das Unternehmen achtet nach eigenen Angaben jedoch seit langem beflissen darauf, dass seine Zulieferer die geltenden Altersbeschränkungen einhalten. Laut Sprecherin Wu setzt sich Apple gemeinsam mit Pegatron dafür ein, dass die Arbeitsbedingungen in den Fabriken den Standards des US-Konzerns entsprechen.

Pegatron unterhält nach eigenen Angaben strikte Vorkehrungen, um die Altersangaben von Bewerbern zu überprüfen. In dem strittigen Fall aber habe Shi einen gefälschten Personalausweis verwendet, nach dem er das gesetzliche Mindestalter von 16 Jahren schon überschritten hatte. "Leider war der offizielle Personalausweis, der bei der Einstellung dieser Einzelperson vorgelegt wurde, falsch ausgestellt gewesen", teilte Pegatron mit.

Im vergangenen Jahr hatte Apple einen Teil der Produktion von seinem Hauptzulieferer Foxconn Technology Group an Unternehmen wie Pegatron verlagert, um nicht allein von einer Fertigungsquelle abhängig zu sein.

Lungenentzündung nach wenigen Wochen

Das aber macht es Apple nun schwerer, die Arbeitsbedingungen in seiner Lieferkette zu kontrollieren. Im Jahr 2010 waren die Zustände bei Apple-Zulieferern erstmals in den Blick der Weltöffentlichkeit geraten, nachdem sich mehrere Arbeiter von Foxconn in den Tod gestürzt hatten. Seitdem hat Foxconn nach eigenen Angaben Geld investiert, um die Arbeitsbedingungen in seinen Fabriken zu verbessern.

Als recht neuer iPhone-Zulieferer musste Pegatron seine Belegschaft in Shanghai in diesem Jahr für die Produktion des neuen iPhone 5C zu Spitzenzeiten auf mehr als 100.000 Menschen verdoppeln. Nach Auskunft des Unternehmens führte diese drastische Expansion dazu, dass Arbeiter auf sehr engem Raum zusammenleben mussten. Bei der Essensausgabe hätten sich lange Schlangen gebildet. Allein in diesem Jahr habe Pegatron in Shanghai vier neue Wohnheime für die Arbeiter gebaut, sagt Pegatrons Finanzchef Charles Lin.

Die Mutter des 15-Jährigen sagt, ihr Sohn habe nicht genau sagen wollen, warum er im September nach Shanghai gehen würde. Erst später habe er ihr am Telefon mitgeteilt, dass er in einer Fabrik arbeite.

"Komm nach Hause", sagte die Mutter

Es ist nicht klar, wieso Shi, der nach Angaben der Familie anfangs einen Gesundheitscheck bei Pegatron absolvierte und als gesund eingestuft wurde, nur einen Monat nach seiner Ankunft in Shanghai an einer schweren Lungenentzündung starb.

"Wir haben Ärzte auf dem Gelände, aber viele junge Leute merken gar nicht, wenn sie ernsthaft krank sind", sagt Pegatrons Finanzchef Lin. Das Unternehmen beschäftigt ihm zufolge auch Krankenschwestern vor Ort. Dennoch sei es "schwer, zehntausende von Arbeitern derart genau im Blick zu behalten. Wir überlegen gerade, wie wir unser Orientierungsprogramm verbessern können", sagt Lin.

Shis Mutter erzählt, wie ihr Sohn vier Wochen nach Arbeitsbeginn anrief und sagte, er habe sich erkältet. "Komm nach Hause", habe sie gesagt, erinnert sich die Mutter. "Ich will noch bleiben, bis ich meinen Gehaltsscheck bekommen habe", habe Shi gesagt.

Als die Familie kam, war Shi bereits tot

Fünf Tage später habe sich jemand von Pegatron per Telefon gemeldet und gesagt, dass ihr Sohn sehr krank sei. Aber als die Familie nach einer elfstündigen Autofahrt in Shanghai ankam, war Shi bereits tot. Angehörige sagen, Shi habe 12-Stunden-Schichten gearbeitet. Das sei aus seinen Stundenzetteln ersichtlich.

Lange Arbeitszeiten sind in China normal. Viele Arbeiter versuchen sogar, so viele Überstunden wie möglich zu machen. Als die Auftragslage im Oktober etwas abflaute und Pegatron die Überstunden kappte, hätten rund 20.000 Arbeiter in dem Werk in Shanghai gekündigt, sagen gut informierte Personen.

Pegatron hat der Familie von Shi eine Entschädigung von rund 90.000 Yuan (etwa 10.700 Euro) angeboten. Die Familie aber habe das Angebot ausgeschlagen, weil es zu niedrig gewesen sei, sagt Shis Onkel Yang Sen. Pegatron erwiderte, dass Shis Krankheit nichts mit den Zuständen am Arbeitsplatz zu tun gehabt habe und dass das Unternehmen keine Schuld trage.

Wall Street Journal Deutschland

Mehr auf WSJ.de...

  • Wallstreet Journal Logo WSJ.de

    Dieser Artikel ist im Wall Street Journal Deutschland erschienen. Die besten Wirtschaftsnachrichten der Welt. Auf WSJ.de.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: