"Hot-Chip-Challenge":Dieser Chili-Chip raubt Kindern den Atem

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Der Chip wird im Sarg geliefert. Er kostet rund zehn Euro. (Foto: Hot Chip/Hersteller)

Eine Mutprobe macht auf Tiktok die Runde: Wer schafft es, den angeblich schärfsten Tortilla-Chip der Welt zu essen? Ein Wettbewerb mit erheblichen Risiken.

Von Jens Többen

Das Produkt kommt im Sarg daher. Wer ihn öffnet, zieht sich zuerst die beigelegten Schutzhandschuhe an. Erst dann wird die Verpackung aufgemacht, die einen einzelnen Tortilla-Chip beinhaltet. Doch dabei handelt es sich nicht um irgendeinen gewöhnlichen Mais-Cracker, sondern um den angeblich schärfsten der Welt. "Any last words?" steht herausfordernd auf der Innenseite des Sargs. Hier soll von der Verpackung bis zu den Handschuhen vermittelt werden: Essen ist hier ein Event.

Als solches ist es im Netz schon ziemlich erfolgreich. Auf Tiktok ist daraus schnell ein Trend geworden. Die Videos, in denen Jugendliche ihn verzehren, werden teilweise millionenfach geklickt. Eine weitere Challenge läuft auf der Kurzvideo-Plattform, diesmal mit der Frage: Wer schafft es, den superscharfen Chip zu essen?

Der Begriff "Challenge" kommt ausnahmsweise nicht von Tiktok, sondern vom Hersteller selbst. Auf dessen Website schreit alles nach Mutprobe. "Glaubst du, dass du es drauf hast?", heißt es dort in großen Buchstaben neben dem Produkt, auch offiziell als "Sarg" vermarktet. Es ist etwa so groß wie ein Kartenspiel, erinnert auch vom Design daran. Eine Box kostet knapp zehn Euro, wohl nicht der einzige Grund, warum sich der Chip nicht als Snack für Kinoabende eignet. Auch der Hinweis, dass das Produkt nichts für Kinder, Schwangere und stillende Frauen sei, ist angegeben. Was wäre das auch für eine Mutprobe, wenn "vollkommen unbedenklicher Genuss" auf der Packung stünde.

Die Chips haben es in sich. Sie werden laut Hersteller mit der Carolina Reaper Chili gewürzt, der schärfsten Chili der Welt. Auf der Scoville-Skala, die Schärfe misst, erreicht die Schote einen Wert von bis zu 2 200 000 Scoville Heat Units (SHU). Zum Vergleich: Ein Jalapeño hat circa 2500 - 8000 SHU. Die Menschen, die sich den Chip im Challenge-Eifer einverleiben, schwitzen und tränen, manche ringen nach Luft. Beim Essen von Chilis ganz normal, schreibt der Hersteller auf der Website.

Ganz normal ist es dann aber doch nicht. Erst kürzlich musste laut Medienberichten der Notarzt an eine Schule im nordrhein-westfälischen Euskirchen kommen. Mehrere Fünftklässler hatten dort an der Challenge teilgenommen, sie hatten Atemschwierigkeiten und Magenprobleme. Einer musste sogar ins Krankenhaus gebracht werden. Auch zu Augenschäden soll es laut dem Westfälischen Anzeiger gekommen sein, als sich die Schüler nach dem Verzehr in die Augen fassten. Die Schule in Euskirchen warnt nun vor den Chips.

Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung warnte bereits 2011 vor extra scharfen Produkten, die sonst nur bei Wettbewerben verzehrt werden. Unter Umständen könnten diese lebensbedrohlich sein, heißt es dort. Der Verbraucherschützer Armin Valet blickt besorgt auf den Trend. "Die Challenge-Dynamik richtet sich an alle, besonders Kinder sind empfänglich und auch besonders gefährdet bei sehr scharfen Lebensmitteln." In seinen Augen wären konkrete Vorgaben wichtig, wann Warnhinweise oder Sicherheitsverschlüsse notwendig sind.

Es ist kein Wunder, dass der Verzehr des Crackers viral geht. Nicht nur ist das Konzept aufgebaut wie eine Mutprobe, es wird auch dazu angeregt, möglichst viel davon zu konsumieren. Für drei Chip-Särge gibt es Rabatte, bei fünf wird angeblich sogar ein Baum gepflanzt. Ein offizieller Wettbewerb für den Gewinn eines iPhones findet sich auf der Website. Der ideale Nährboden für einen Trend.

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