Höhere Beiträge für Versicherte:Denkt die Krankenkassen neu!

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2017 schlagen die kostenträchtigen Gesetze der vergangenen Monate richtig zu Buche. (Foto: Stephan Rumpf)

Für gesetzlich Krankenversicherte wird es in den nächsten Jahren richtig teuer. Es ist Zeit, die Kassen anders zu finanzieren.

Ein Kommentar von Guido Bohsem

Die gute Nachricht ist, dass die vielfach beschworene Kostenexplosion bei der gesetzlichen Krankenversicherung erst einmal ausbleiben wird. 2016 steigen die Beiträge lediglich um 0,2 Punkte. Im Durchschnitt, aber längst nicht für jede Kasse. Wem seine Kasse zu teuer werden sollte, kann also immer noch zu einem günstigeren Anbieter wechseln und weiterhin weniger zahlen, als er das noch 2014 musste. Viele gerade der günstigen Kassen haben zudem ihr Angebot erweitert. Sie haben die üppigen Finanzreserven genutzt, um ihren Versicherten auch alternative Behandlungen oder homöopathische Mittel anzubieten, die es sonst nicht auf Rezept gibt. Sie modernisieren sich, bieten einen immer größeren Zusatzservice über Apps oder das Internet an. So weit, so gut.

Die schlechte Nachricht lautet, dass es 2017 schon ganz anders aussehen wird. Dann nämlich, so räumen es auch die Gesundheitsexperten der großen Koalition ein, wird es für alle teurer. Die kostenträchtigen Gesetze der vergangenen Monate schlagen so richtig zu Buche. Insbesondere die große Reform der Krankenhäuser kommt die Kassen teuer zu stehen. Zum Glück läuft die Konjunktur und gibt es so viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze wie nie zuvor. Ansonsten müssten SPD und Union schon wieder über ein neues Spargesetz nachdenken, damit die Kassen die Wucht der neuen Ausgaben meistern können.

Ruf nach Wiederherstellung der Parität ist verfrüht

Als besonders ungerecht wird schon jetzt empfunden, dass die Arbeitnehmer die zusätzlichen Kosten alleine tragen müssen. Denn der Anstieg des Zusatzbeitrages kostet die Arbeitgeber nichts. Von vielen Seiten ist bereits der Ruf nach einer Wiederherstellung der Parität zu hören, also der Regelung, wonach sich Unternehmen und Beschäftigte die Kosten der Krankenversicherung komplett teilen.

Das ist verständlich und doch falsch, zumindest aber verfrüht. Noch ist der Anteil, den die Versicherten alleine tragen müssen, unwesentlich höher, als er zu Zeiten von Ulla Schmidt war, die mit der Parität Schluss gemacht hat. Kommt es im kommenden Jahr aber zum erwartet deutlichen Beitragsanstieg, wird es zu einer heftigen politischen Diskussion über einen höheren Anteil der Arbeitgeber kommen. Obwohl der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD das ausdrücklich ausschließt, wird die SPD diese Forderung wohl vortragen und sie im anstehenden Bundestags-Wahlkampf nutzen.

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Von Guido Bohsem

Die Versicherten würden die höheren Beiträge leichter akzeptieren, wenn mit ihnen deutliche Verbesserungen in der gesundheitlichen Versorgung einhergingen. Doch das passiert nur teilweise. Die zuletzt vereinbarte Extramilliarde für die Krankenhäuser kam nur durch den politischen Druck der Klinik-Lobby zustande. Kaum ein Politiker kann es aushalten, wenn die Beschäftigten der Krankenhäuser im Wahlkreis auf die Barrikaden gehen und in Berlin lautstark vor dem Brandenburger Tor demonstrieren.

Königsweg für gerechtere Lastenverteilung

Verbesserungen gibt es aber auch - so zum Beispiel die bessere ärztliche Versorgung auf dem Land oder der Umstand, dass die Bezahlung der Krankenhäuser künftig von der Qualität der Behandlung und dem medizinischen Erfolg abhängig sein wird. Diese kommen allen Patienten zugute. Finanziert werden sie aber nur von den gesetzlich Versicherten und nicht von den Privatpatienten. Auch die leiden unter höheren Beiträgen. Doch die Gründe dafür sind eher nicht in den politischen Reformen zu suchen, sondern in der Unwirtschaftlichkeit des privaten Versicherungssystems.

Es gibt einen Königsweg, der eine gerechtere und gleichmäßigere Lastenverteilung garantiert: eine stärkere Finanzierung des Gesundheitswesens über die Steuern. Der Zuschuss aus der Steuerkasse beträgt im kommenden Jahr 14 Milliarden Euro - ein Volumen, das er schon seit Jahren haben sollte, hätte Finanzminister Wolfgang Schäuble ihn nicht gekürzt, um seinen Haushalt zu sanieren.

Zwei Dinge müssen in der Zukunft geschehen, um die Versorgung zu verbessern. Die Höhe der Überweisungen aus dem Bundeshaushalt muss steigen, und die jeweilige Regierung muss gleichzeitig eine Garantie aussprechen, sie nicht nach Belieben abzusenken. Der höhere Bundeszuschuss ist dabei nicht alleine eine Frage der Gerechtigkeit, er ist notwendig wegen der beiden großen "D", die das Sozialsystem in Zukunft ordentlich durchrütteln werden, der Demografie und der Digitalisierung. Beide sorgen tendenziell für geringe Einnahmen für die Krankenversicherung, weil es insgesamt weniger Arbeitnehmer geben wird und weil sich die Klickarbeiter der digitalen Welt aus dem sozialen Sicherungssystem verabschieden werden.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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