Hauptversammlung bei Adidas:Demo nur am Hintereingang

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Konflikt auf der Hauptversammlung: Adidas verteidigt sein Olympia-Engagement. Der Konzern habe die Zustände in China nicht zu verantworten - tibetische Demonstranten sehen das freilich anders.

Thomas Becker

Vor dem Haupteingang der Fürther Stadthalle liegt eine kleine Wiese. Fettes Grün, leicht abfallend, gerade groß genug für einen kleinen Kick. Genau dort wollte die tibetische Fußballauswahl ein Spielchen machen - vor den Augen der Adidas-Aktionäre, die sich an diesem Morgen ein paar Schritte weiter zur Hauptversammlung trafen.

Wenig Aufmerksamkeit: Die tibetischen Fußballspieler bei der Hauptversammlung von Adidas. (Foto: Foto: ddp)

Bestes Fußballwetter, ideale Temperaturen - und doch wurde nichts aus dem morgendlichen Kick. Die Stadt Fürth hatte der Organisation "International campaign for Tibet" für deren "stille Aktion" einen anderen Platz zugewiesen: beim Lieferanteneingang.

Vor der riesigen, lärmenden Lüftung hinter dem Catering-Zelt für die VIPs durften die Tibeter ihre Mini-Tore aufbauen. Laufkundschaft: null pro Stunde. Das Anliegen der Tibeter: Die Olympiasponsoren Adidas und VW sollen sich stärker für die Menschenrechte in China engagieren. Ein paar Minuten später sagt der Adidas-Vorstandsvorsitzende Herbert Hainer vor den Aktionären: "Asien boomt, und wir boomen dort erst recht."

Adidas wird bei den Olympischen Spielen in Peking in 27 von 28 Sportarten vertreten sein, 16 Mannschaften ausstatten, darunter auch die chinesische, insgesamt etwa 3000 Athleten. "Diese Athleten bilden für uns den Adel des Sports", so Hainer, "und diesem Adel fühlen wir uns verpflichtet."

"Ehrlichste Olympiamarke aller Zeiten"

Seit 1928 ist der Hersteller bei Olympia präsent, zähle die Veranstaltung "zu den Keimzellen unseres Geschäfts" und Adidas sei "die älteste und ehrlichste Olympiamarke aller Zeiten", so der unlängst mit dem Bundesverdientskreuz ausgezeichnete Hainer.

Man nehme die Debatten um die Spiele "sehr ernst", schließlich gehe es "um Fragen der Moral, des Friedens und der Menschenrechte und damit um die grundlegenden Werte des Humanismus".

Den Adidas-Kritikern hält er entgegen: "Sie moralisieren unser Engagement in einer Form, als würden wir gegen ethische Normen verstoßen. Wir lassen uns aber nicht in moralische Haftung für einen Zustand nehmen, den wir weder herbeigeführt noch zu verantworten haben. Wir stellen auch keine Produkte für Regierungen oder gesellschaftliche Systeme her." Dennoch: Adidas ist nun mal Made in China.

Tenzin Namgyal trägt Puma. Seit drei Jahren ist er Torwart und Kapitän der tibetischen Fußballauswahl. Seit 1991 existiert diese Mannschaft, die es eigentlich gar nicht geben und die nicht an Fifa-Turnieren teilnehmen darf. Bekannt wurde ihr Schicksal in dem dänischen Film "The Forbidden Team" (2003). Wie alle Spieler hat Namgyal tibetische Eltern, die Heimat in seinen 29 Lebensjahren jedoch noch nie gesehen.

Er spielt für den Pokhara Football Club, einem halbprofessionellen Verein der nepalesischen Liga, die meisten Mannschaftskameraden spielen in Indien. Vom Fußball leben kann keiner von ihnen, Namgyal verdient sein Geld in einer Früchte-Fabrik.

Die Bundesliga kennt er nur aus dem Fernsehen - was sich am Samstag ändern wird. Auf Einladung von Hertha BSC werden die Tibeter ihr erstes Bundesligaspiel im Olympiastadion erleben. Davor werden sie eine Mahnwache vor der chinesischen Botschaft abhalten - und in der "Schwalbe", einer Kneipe in Prenzlauer Berg, ihre Panini-Sammelbilder präsentieren. Erste Auflage: 1000 Stück. Auch in Indien und Nepal sammelt man Bildchen, erzählt Namgyal, der Torwart. Allerdings die der europäischen Stars.

Auch einen Trainer haben die Tibeter dabei: Kelsang Dhundup hat seine Auswahl nur ein paar Wochen im Jahr beisammen, mehr als ein paar Freundschaftsspiele sind nicht drin. Und ständig steht man vor dem Problem, das die Politik dem Team beschert: Viele Vereine ziehen gegebene Zusagen wieder zurück, weil Sponsoren Bedenken anmelden.

In Österreich, der Schweiz und den Niederlanden kamen in den vergangenen Wochen ein paar Freundschaftsspiele zustande, nun steht der Coach mit seinen elf Jungs vom Team Tibet auf einem schmalen Grünstreifen vor der Tiefgarage der Stadthalle, eingerahmt von Polizisten und etwa zwei Dutzend Sympathisanten, die mit Plakaten und einer Theaterperformance versuchen, so etwas wie Aufmerksamkeit zu erzeugen. Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben sich der Aktion der "International Campaign for Tibet" (ICT) angeschlossen: Reporter ohne Grenzen, Human Rights Watch, Forum Menschenrechte, Christliche Initiative Romero, Kampagne für saubere Kleidung.

Öffentlichkeitswirkung nahezu null

Doch draußen vor der Halle liegt die Öffentlichkeitswirkung nahezu bei null. Deswegen hat sich ICT-Geschäftsführer Kai Müller bei der Hauptversammlung als Kleinaktionär auf die Rednerliste setzen lassen - wie auch mehrere andere Vertreter von Menschenrechtsorganisationen.

Sie alle fordern Adidas auf, sich entschieden zur olympischen Charta zu bekennen, die Unterstützung für den Fackellauf zurückzuziehen und vor allem die bislang fehlende Entschlossenheit zur Verbesserung der Menschenrechtslage abzulegen und proaktiver Partner der Organisationen zu werden. "Warum unterstützen Sie nicht das Team Tibet?", fragt ein französischer Vertreter von Reporter ohne Grenzen.

Fragen zu einem möglichen Imageschaden durch die Rolle als Olympia-Sponsor beantwortet Adidas-Chef Hainer mit einem knappen Nein: "Bislang haben wir keine Auswirkungen gespürt." Was die politische Dimension betrifft, führte Hainer aus: "Den größten Einfluss haben wir, wenn wir den Sport weiter in die Welt hinaustragen. Wir tun das, was wir am besten können: Unsere Mitarbeiter vor Ort fördern, Leute in Lohn und Brot bringen. Wir haben 4000 Geschäfte in China, schaffen etwa 40.000 bis 50.000 Arbeitsplätze. Und die Leute werden ordentlich bezahlt."

Mehr politische Macht besitze Adidas nicht, sagte Hainer, "da überschätzen Sie mich". Zu den politischen Verhältnissen äußere man sich prinzipiell nicht: "Da müssten wir in Spanien ja über die Eta reden und in den USA über Guantanamo." Außerdem gehöre man in China zu den zehn besten Arbeitgebern und sei darauf "sehr stolz". Zu den Angeboten der verschiedenen Menschenrechtsorganisationen, an der Verbesserung der Lage mitzuarbeiten, sagte Hainer nichts.

Draußen vor der Halle haben Tibets beste Fußballer ihre Mini-Tore längst wieder abgebaut. Alles lief ruhig ab, keine Zusammenstöße mit der Polizei - bis auf einen: Beim fröhlichen Gekicke auf dem Grünstreifen rollt der Ball plötzlich unter ein Polizeiauto. Es wurde niemand verletzt.

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