Handelsstreit:Taktieren mit zwei Tweets

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Donald Trump droht China mit höheren Sonderzöllen. Doch wie ernst meint er es?

Von Michael Kläsgen, München

In China werden sogar US-Flaggen hergestellt. Aber nicht nur deswegen ist die chinesische Wirtschaft zum Teil von den USA abhängig. (Foto: AFP)

Die Welt rätselt einmal mehr über zwei Tweets von Donald Trump. Per Kurznachrichtendienst Twitter kündigte der US-Präsident am Sonntagabend an, die bereits bestehenden Zölle auf chinesische Importe mit einem Volumen von rund 200 Milliarden Dollar an diesem Freitag von zehn auf 25 Prozent anzuheben. Das kam ziemlich überraschend. Noch Ende vergangener Woche hatte Trumps Sprecherin Sarah Sanders angedeutet, dass sich in dem Konflikt eine Lösung abzeichne. Trump selber hatte prophezeit, ein "sagenhafter" Handelspakt mit China stehe bevor. Gilt das nun alles nicht mehr? Oder ist die Zoll-Drohung nur Taktik kurz vor Beginn der vielleicht entscheidenden Gesprächsrunde? Eigentlich nämlich sollten die Verhandlungen an diesem Mittwoch in Washington weitergehen.

Die Anleger an den Börsen reagierten am Montag zunächst mit Verkäufen, die Leitindizes vieler Länder verloren deutlich an Wert. Zwei wichtige chinesische Börsenbarometer, der CSI 300 und der Shanghai-Composite, brachen zeitweise um jeweils mehr als sechs Prozent ein. "An den Märkten wird die Situation jetzt neu bewertet, weil man bislang davon ausgegangen war, dass die Verhandlungen ihrem Ende zugehen", sagte Analyst Ken Cheung von der Mizuho Bank in Hongkong.

"Wir fallen auf diesen Trick nicht herein", twittert der Chefredakteur einer Staatszeitung

Verwirrung herrschte kurz darüber, ob die chinesische Delegation wie geplant diese Woche in die USA reisen wird. Zunächst war darüber spekuliert worden, China könne die Reise absagen, um angesichts der von Trump aufgebauten Drohkulisse nicht schwach auszusehen. Schon in der Vergangenheit hatte die Regierung in Peking klargestellt, nicht unter Druck verhandeln zu wollen. Bald darauf hieß es jedoch, China halte trotz der Drohungen an weiteren Handelsgesprächen mit den USA fest.

Ein chinesisches Team "bereitet seine Reise in die Vereinigten Staaten vor", sagte ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums am Montag. China versuche, "zusätzliche Informationen" über die Ankündigung Trumps zu erhalten. "Wir hoffen weiter, dass die USA mit China zusammenarbeiten können", sagte der Sprecher. Ob die Verhandlungen wie geplant am Mittwoch in Washington stattfinden, wollte er aber vorerst nicht sagen. Zudem blieb offen, ob Chinas Chefunterhändler, Vizepremier Liu He, die Delegation anführen wird.

Die chinesische Führung hatte offenbar geplant, eine hundertköpfige Abordnung inklusive hochrangiger Regierungsmitglieder nach Washington zu entsenden, um zu unterstreichen, dass sie einen Durchbruch will. Die plötzliche Volte Trumps interpretiert zumindest der Chefredakteur der staatlich kontrollierten chinesischen Tageszeitung Global Times, Hu Xijin, als Finte: "Wir fallen auf diesen Trick nicht herein", twitterte er zurück. In Anspielung auf das bisherige Scheitern des US-Präsidenten bei den Abrüstungsverhandlungen mit Kim Jong-un fügte er hinzu: "Er konnte ja nicht mal Nordkorea erschrecken."

In den vergangenen Monaten hat sich das Machtgefüge zugunsten der USA entwickelt

Doch der Chefredakteur könnte sich täuschen. So verwies Tao Wang, eine auf China spezialisierte Ökonomin der Schweizer Bank UBS, darauf, dass die USA in den vergangenen vier Monaten an Verhandlungsmacht gewonnen hätten. Der Grund für die Aufnahme der Handelsgespräche sei die Abschwächung der Konjunktur in beiden Ländern gewesen. Inzwischen gehe es China und den USA wirtschaftlich wieder besser, das Wachstum in China hänge aber vom Wohlwollen der USA ab. Die Ökonomin schätzt, dass ein Handelskrieg China binnen zwölf Monaten 1,6 bis zwei Prozentpunkte Wachstum kosten könnte. Das wäre ein herber Rückschlag. Schon im vergangenen Jahr war die chinesische Wirtschaft offiziell nur um 6,6 Prozent gewachsen. Das veränderte Machtgefüge spricht für eine härtere Gangart in den Verhandlungen. Aber ist die harte Tour auch sinnvoll?

Der amerikanische Investmentberater Jim Paulsen warnte davor. Höhere Zölle würden den USA und der Weltwirtschaft schaden, sagt der Chefstratege der Finanzanalysefirma Leuthold Group. Die USA würden besonders darunter leiden, weil die Industrieproduktion schon jetzt zu den Schwachstellen der Wirtschaft zähle. Sie würde weiter geschwächt. "Ich glaube, dass die Androhung von Sonderzöllen sehr wahrscheinlich Verhandlungstaktik ist und ein Abkommen zwischen den USA und China in Wirklichkeit näher rückt."

Auch der Präsident des Peterson-Instituts für Wirtschaftsforschung in Washington, Adam Posen, bezweifelt, dass es der US-Präsident mit seiner Drohung ernst meint. "Trumps Aktion wird nichts erreichen. Sie wird nicht das amerikanische Wirtschaftswachstum oder die Beschäftigung anheben. Stattdessen werden US-Haushalte quasi mit einer Steuer belegt."

An den Börsen, so prophezeien es Experten, dürfte es solange weiter turbulent zugehen, bis man weiß, ob doch alles ein Bluff ist. Aber das könnte auch Gelegenheiten zum Kauf bieten.

© SZ vom 07.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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