Handelsabkommen:Der überraschte Dritte

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Donald Trump schließt mit Mexiko ein Handelsabkommen. Davon könnten deutsche und amerikanischeAutobauer profitieren. Doch noch ist der Deal nicht durch.

Von Jan Schmidbauer und Vivien Timmler

Ein Milchbauer aus Ontario füttert seine Kühe: Donald Trump ist der Ansicht, die staatlich subventionierte Milchindustrie Kanadas schade den amerikanischen Milchbauern. (Foto: CHRIS WATTIE/Reuters)

Donald Trump hatte im Wahlkampf angedroht, er könne das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta aufkündigen. Nun feiert er ein neues "amerikanisch-mexikanisches Handelsabkommen" - dabei gehört eigentlich auch Kanada zur Freihandelszone. Ist Nafta jetzt am Ende? Was sind die Folgen für die Wirtschaft? Wie geht es jetzt weiter? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie ist der Handel zwischen den USA und Mexiko bislang geregelt?

Die USA, Mexiko und Kanada haben im Jahr 1994 das Nordamerikanische Freihandelsabkommen geschlossen, bekannt unter der Abkürzung Nafta. Der Vertrag macht den nordamerikanischen Kontinent zu einer Freihandelszone. Das Abkommen ist in Grundzügen vergleichbar mit dem Binnenmarkt der Europäischen Union, wenn es auch nicht so weit geht. Als Nafta in Kraft trat, verschwanden in den drei Staaten Nordamerikas über Nacht fast alle Importzölle. Plötzlich wurde viel mehr zwischen den Partnern gehandelt, Firmen eröffneten Niederlassungen jenseits der Grenzen. Das Handelsvolumen der USA mit Kanada und Mexiko hat sich seit dem Inkrafttreten vervierfacht. In den USA profitieren vor allem Agrar- und Autofirmen, in Kanada die Milch- und die Holzwirtschaft, in Mexiko schafften ausländische Firmen Hunderttausende Arbeitsplätze.

Warum will US-Präsident Trump das Abkommen neu verhandeln?

Für Trump ist Nafta "das schlechteste Abkommen, das die Vereinigten Staaten je unterschrieben haben". Er macht den Vertrag für den Verlust von Hunderttausenden Arbeitsplätzen in der US-Industrie und für das hohe Außenhandelsdefizit seines Landes verantwortlich. Außerdem ist er der Ansicht, die staatlich geschützte Milchindustrie Kanadas schade den amerikanischen Milchbauern. Im Wahlkampf hatte Trump deswegen mehrmals gedroht, Nafta ganz aufzukündigen.

Der US-Präsident einigte sich dann jedoch mit dem mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto und Kanadas Regierungschef Justin Trudeau darauf, den etwa 2000 Seiten umfassenden Freihandelsvertrag zu modernisieren. Normalerweise dauert es Jahre, bis Regierungen ein Freihandelsabkommen ausgearbeitet oder aufwendig überholt haben. Vor allem Trump und Peña Nieto drängten jedoch auf rasche Ergebnisse, um das Thema aus den anstehenden Wahlkämpfen herauszuhalten. In den USA finden im November Kongresswahlen statt, in Mexiko kommt Anfang Dezember ein neuer Präsident ins Amt.

Worauf haben sich Trump und Mexiko nun geeinigt?

Bislang gibt es lediglich eine vorläufige Einigung beider Länder, viele Punkte sind noch offen und nicht final verhandelt. Auf der Webseite des US-Handelsbeauftragten stehen erste Ergebnisse. Die USA betonen vor allem die Änderungen beim Handel mit Autos. Demnach sollen Fahrzeuge künftig nur noch zollfrei in die USA importiert werden können, wenn mindestens 75 Prozent der Wertschöpfung aus Nordamerika stammen, also aus den USA und Mexiko. Eine solche Herkunftsregel, in der Fachsprache "Rules of Origin" genannt, gibt es auch im derzeit gültigen Nafta-Abkommen, die Schwelle liegt bislang bei 62,5 Prozent. Die Anhebung würde also Firmen treffen, die Bauteile aus Asien oder Europa nach Nordamerika importieren und dort verbauen.

Ein weiterer zentraler Punkt betrifft ebenfalls die Autoindustrie. 40 bis 45 Prozent der gehandelten Autos sollen künftig von Arbeitern produziert werden, die mindestens 16 Dollar pro Stunde verdienen. Autohersteller, die dem nicht nachkommen, müssen einen Zollsatz von 2,5 Prozent zahlen. Dieser Punkt ziel auf Mexiko; in dem Land sind die Löhne im Durchschnitt deutlich niedriger als in den USA. Nach Angaben des Center for Automotive Research verdienen Arbeiter in mexikanischen Autofabriken durchschnittlich etwas mehr als sieben Dollar, in den USA sind es knapp 30 Dollar. Künftig hätten Autohersteller einen Anreiz, in Ländern mit höheren Durchschnittslöhnen zu produzieren. Allerdings haben die Autohersteller auch die Möglichkeit, die Regel zu brechen und stattdessen den vergleichsweise niedrigen Zollsatz von 2,5 Prozent zu zahlen.

Andere Verhandlungsergebnisse sind eher Updates des 24 Jahre alten Vertrags, sie betreffen beispielsweise geistiges Eigentum und Finanzdienstleistungen. In anderen Bereichen ändert sich dagegen weniger. Bei landwirtschaftlichen Produkten soll es zwar neue Anforderungen bei Gesundheitsstandards geben, sie sollen aber weiterhin zollfrei gehandelt werden können. Die neue Vereinbarung soll nach Angaben des Weißen Hauses 16 Jahre gelten und alle sechs Jahre überprüft werden.

Wie geht es jetzt weiter?

Das ist die große Frage. Trump ist vorgeprescht und hat seine Vereinbarung ohne Kanada verhandelt, dem dritten Nafta-Mitglied. Das Abkommen kann allerdings nur fortbestehen, wenn die Kanadier den Änderungen zustimmen. Andernfalls müsste Trump den Deal aufkündigen und ein bilaterales Abkommen allein mit Mexiko schließen. Nafta hat eine Kündigungsfrist von sechs Monaten. Dieser Kehrtwende in der Handelspolitik müsste der US-Kongress zustimmen. Ob Trump dort eine Mehrheit bekäme, ist nicht sicher. Der republikanische Senator Ben Sasse aus dem landwirtschaftlich geprägten US-Bundesstaat Nebraska hat sich bereits kritisch über den Deal mit Mexiko geäußert. Falls die Demokraten die US-Wahlen im November gewinnen, könnte es für Trump noch schwieriger werden, eine Mehrheit im Kongress zu erhalten. Umgekehrt könnte Trump auch Rückenwind für seinen Kurs bekommen, wenn die Wahlen zu seinen Gunsten ausfallen.

Nun sollen Gespräche zwischen Kanada und den USA beginnen. Die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland, die auch für Handelsfragen zuständig ist, reiste daher an diesem Dienstag nach Washington. Die Trump-Regierung will dem Kongress bis Freitag eine Einigung präsentieren. Denn dann beginnt formell eine 90-Tage-Frist, die abgewartet werden muss, bevor der Kongress einem Handelspakt zustimmen kann. Die 90 Tage würden dann exakt vor der Amtseinführung des neuen mexikanischen Präsidenten enden. Am 1. Dezember tritt in Mexiko der frisch gewählte Präsident Andrés Manuel López Obrador an. Der populistische Politiker hat im Wahlkampf Trump stark kritisiert; wie er sich als Präsident verhält, ist offen. Er kann die Handelspolitik der abgewählten Regierung fortsetzen oder ändern.

Was passiert, wenn Kanada dem USA-Mexiko-Deal nicht zustimmt?

Trumps Verhandlungsmandat umfasst derzeit nur eine Nafta-Reform, also den Vertrag mit den beiden anderen Ländern. Daher ist nun entscheidend, was Kanada macht. Einigen sich Ottawa und Washington nicht, könnte Trump mit der Sechs-Monats-Frist Nafta kündigen und - mit Unterstützung des Kongresses - ein bilaterales Abkommen mit Mexiko schließen. Gilt zwischen den USA und Kanada kein Handelsabkommen mehr, finden Im- und Exporte wieder nach den Regeln der Welthandelsorganisation statt, was tendenziell deutlich höhere Zölle bedeuten würde. Das dürfte die US-Firmen ärgern, die nach Kanada exportieren. Im Vorjahr haben sie Waren im Wert von 282 Milliarden Dollar nach Kanada exportiert, aber nur 243 Milliarden Dollar nach Mexiko. Ottawa könnte in den jetzigen Verhandlungen diese Zahlen betonen.

Wer könnte von einem neuen Nafta-Abkommen profitieren? Und wer verliert?

Eine pauschale Antwort darauf gibt es nicht - bei Handelsabkommen gibt es immer Gewinner und Verlierer. Welches Land am Ende am meisten profitiert, hängt davon ab, was der Vertrag für die Firmen in den jeweiligen Staaten bedeutet. Besonders wichtig ist das für die Autoindustrie; kaum ein Produkt ist so globalisiert wie das Auto. Es besteht aus Tausenden Teilen, die aus den unterschiedlichsten Bereichen der Welt kommen können. Zwischen Mexiko und den USA können Teile eines Fahrzeugs mehrmals die Grenze überqueren und in verschiedenen Fabriken weiterverarbeitet werden, bis das Fahrzeug fertig ist. Wie sehr Handelsregeln ein Autohersteller betreffen, ist von Unternehmen zu Unternehmen und von Modell zu Modell verschieden. Die Finanzmärkte sehen eher Vorteile für amerikanische Autohersteller; sie produzieren auch in Mexiko. Ihre Aktien legten nach der Ankündigung Trumps deutlich zu. Die Papiere deutscher Autokonzerne, die ebenfalls in den USA und Mexiko produzieren oder dort investieren, legten ebenfalls leicht zu. Verbände der Autoindustrie kritisieren allerdings, dass Ergebnisse bislang vage und die Folgen daher kaum abzuschätzen seien.

© SZ vom 29.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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