Handel:Vorsicht, Piraten

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Wieder war keiner Zuhause. Das Paket liegt vor der Tür. (Foto: Alamy/mauritius images)

Ärgerlich für Online-Shopper: Im Silicon Valley werden massenhaft Pakete geklaut - vor der Haustür. Für die Händler ist das vor allem: teuer.

Von Malte Conradi

Wer in Deutschland gern über die Paketzustellung schimpft, dem sei versichert: Auch im amerikanischen Silicon Valley ist das Problem der letzten Meile noch nicht gelöst, selbst wenn zahlreiche Unternehmen hier an Lösungen arbeiten. Das Dilemma ist in Mountain View dasselbe, wie in Memmingen: Online-Shopping ist super, so lange das Paket aus dem Wagen des Zustellers tatsächlich in die Hände des Käufers gelangt. Das Problem der letzten Meile ist also eher eines der letzten Meter. Hier wie dort.

Völlig unterschiedlich ist aber der Umgang mit diesem Problem: In Deutschland nehmen die Zusteller das Paket meistens wieder mit, wenn der Empfänger nicht zu Hause ist. Das mag den Regeln entsprechen, für den Kunden ist es das schlechteste Ergebnis. Wer sein Paket bei der Post abholen muss, kann auch gleich einkaufen gehen. In Amerika ist die größte Sorge der Zusteller und der Internetshops, dem Kunden Unbehagen zu bereiten. Also landen die Pakete immer vor der Haustür, wird schon gut gehen.

Die Diebe werden Veranda-Piraten genannt

In der Bay-Area, also dem Großraum aus San Francisco, Berkeley, Oakland und dem Silicon Valley, führt das dazu, dass vor vielen Häusern bis zum Abend hüfthohe Pakettürme stehen. Denn zum einen erledigen die Menschen hier bis auf die Avocados und Granatäpfel, die sie am Wochenende gern beim Schlendern über den Bauernmarkt kaufen, jede Besorgung im Internet. Und zum anderen ist kaum jemand tagsüber zu Hause, weil ja irgendwie die irren Mieten bezahlt werden müssen.

Das mit der letzten Meile hieße aber wohl nicht "Problem", wenn diese Pakettürme vor den Haustüren eine Lösung wären. Zum einen ist da der Regen, zum anderen sind da Diebe. Die werden inzwischen landläufig "Porch Pirates" genannt, also Veranda-Piraten.

Offizielle Zahlen gibt es nicht, weil das Piratentum in den Statistiken nicht von anderen Diebstählen unterschieden wird. Allerdings wird nirgendwo in den USA so oft die Wortkombination "Amazon Paket gestohlen" gegoogelt, wie in der Bay Area. Man kann also annehmen, dass das Problem hier besonders groß ist. Dafür spricht auch, dass die Polizei im Silicon Valley regelmäßig Lock-Pakete mit GPS-Sendern versieht, um die Diebe zu verfolgen. Verschiedenen Umfragen zufolge ist jeder vierte, manche sagen: jeder dritte Kunde schon bestohlen worden.

Lokale Nachbarschaftsforen im Internet sind voll mit Berichten über gestohlene Pakete. Menschen veröffentlichen Bilder der Diebe, die sie mit Überwachungskameras gemacht haben. Helfen würden die Kameras nicht, schreibt einer: "Sie schrecken nicht ab und das einzige, was sie dir bringen, ist ein Foto des Piraten." Andere berichten von Dieben, die den Lieferwagen folgen, um zuzuschlagen, sobald das Paket abgelegt wurde. Und die Nutzer tauschen Tipps aus, wie man sich schützen kann. Einer der beliebtesten: Teure Produkte nicht mehr im Internet bestellen.

Damit wird die Sache zu einem echten Problem für die Internethändler. Für sie wäre es keine gute Entwicklung, wenn die Kunden aus Angst vor Veranda-Piraten zwar Toilettenpapier und Mineralwasser bestellen, aber für Laptops und Schmuck wieder in Läden gehen. Wohl auch deshalb arbeitet Amazon fieberhaft an Lösungen für das Problem - von schlauen Türschlössern, die den Lieferanten Zugang zum Haus gewähren, bis hin zur Lieferung in die Autos der Kunden.

Bis es so weit ist, ersetzen vor allem die großen Internethändler, also Amazon und Walmart, die gestohlene Ware meist umstandslos, auch wenn sie dazu nicht verpflichtet sind. Zahlen nennen beide nicht, aber die Kosten für diesen Kundenservice dürften horrend sein.

Die Kulanz wiederum ist ein Problem für kleinere Händler, die ihre Waren über Amazons Marketplace vertreiben. Denn automatisch erwarten die Kunden von ihnen den gleichen Service wie von Amazon selbst. Schon bieten Anwälte und Unternehmensberater Hilfe dabei an, sich zu wehren.

Immer öfter nämlich behaupten offenbar betrügerische Kunden, ein Paket sei gestohlen worden, obwohl sie es vor ihrer Haustür gefunden haben. Das ist dann wieder eine eigene Form des Piratentums.

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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