Handel:Der Problem ist Real

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Der Handelskonzern Metro hat sich von zahlreichen Tochterunternehmen getrennt. Nun soll die Supermarktkette Real verkauft werden. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Das Geschäft der Kette läuft seit Jahren schlecht. Nun könnten die 34 000 Mitarbeiter zum Spielball eines deutsch-russischen Konsortiums werden.

Von Michael Kläsgen, Düsseldorf

Das abgelaufene Jahr sei ein ereignisreiches Jahr gewesen, sagt Metro-Chef Olaf Koch. Wie das kommende Jahr wird, weiß er selbst nicht. Nur so viel steht fest: Es wird nicht weniger ereignisreich werden, sondern wahrscheinlich sogar für manche dramatisch. Etwa für die 34 000 Mitarbeiter der Lebensmittelkette Real, für die Koch bislang verantwortlich war, es aber im Verlaufe des kommenden Jahres wahrscheinlich nicht mehr sein wird.

Viele von ihnen wurden lange nach Tarif bezahlt und damit besser als die Kollegen bei der Konkurrenz, etwa bei Edeka oder Rewe. So wie es aussieht, müssen viele von ihnen fürchten, demnächst entweder weniger zu verdienen oder ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Grund dafür ist, dass Metro vergangene Woche bekannt gab, die 277 Real-Märkte bis Ende Januar an den Immobilienentwickler X-Bricks und den russischen Investor SCP verkaufen zu wollen. The SCP Group ist eine Investmentfirma mit Büros in London und Luxemburg, die mit dem Kapital des russischen Konzerns Sistema Immobilien kauft. Chairman ist Felix Jewtuschenkow. Koch erwähnt SCP am Donnerstag mit keinem Wort. Er sagt am Rande der Bilanzpressekonferenz nur, dass etwa 40 Märkte geschlossen werden könnten. Es sei zwar mit dem Konsortium vereinbart, dass die Beschäftigten übernommen werden müssen von denen, die die Märkte weiterführen. Aber ob es Edeka, Kaufland, Tegut oder der Baumarktbetreiber Kaes wirklich tun werden und zu welchen Konditionen, ist dahingestellt. Die Tarifbedingung gelte nicht mehr, sagt Koch.

Die Real-Kette ist seit Jahren ein Problemfall für die Metro, die sich ganz auf das Großhandelsgeschäft mit Lebensmitteln konzentrieren will, auf die Versorgung von Restaurants, Hotels und Caterern. Der Metro-Chef hatte vor 15 Monaten angekündigt, die Real-Märkte verkaufen zu wollen. Seither läuft das Geschäft in den Märkten noch schlechter als vorher. Geplant war ursprünglich, den Verkauf Ende Mai dieses Jahres abzuschließen. Doch daraus wurde nichts. Koch wechselte die Verhandlungspartner, führte exklusive Gespräche mit dem Immobilienentwickler Redos, doch die endeten bislang ergebnislos. "Der Real-Prozess ist herausforderungsvoll", sagt er und fügt optimistisch hinzu, das der Verkauf nun aber in der "finalen Phase" sei. Nur: Bislang hat Koch keine seiner selbstgesetzten Fristen halten können. Einiges spricht dafür, dass es auch diesmal schiefgehen könnte. Koch sieht da keine Gefahr. Andererseits fragt sich, warum X-Bricks in acht Wochen gelingen soll, was Redos in sechs Monaten nicht gelungen ist?

Koch sagt dazu, Redos habe erst über das Schicksal jedes einzelnen der 277 Märkte entscheiden und dann den Vertrag unterschreiben wollen. Dazu muss man wissen, dass hinter Redos Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka steht. Der ist noch durch die Schlacht um die Supermärkte von Kaiser's Tengelmann leidgeprüft. Edeka will keinesfalls wieder Scherereien mit dem Kartellamt riskieren. X-Bricks und SCP gehen ganz anders vor: Nun soll erst der Vertrag unterzeichnet werden. Investoren übernehmen Lebensmittelkette, das ist für das Kartellamt in Ordnung. Erst danach will das deutsch-russische Konsortium entscheiden, an wen die einzelnen Real-Märkte gehen. Die Investoren übernehmen damit das gesamte kartellrechtliche Risiko. Koch ist das recht, vor allem, weil er dann Real ganz los ist, die Märkte die Bilanz von Metro nicht mehr belasten und er sich voll auf den Ausbau des Großhandelsgeschäfts konzentrieren kann.

Es ist ein Schachzug, dass sich X-Bricks nun offiziell als alleiniger Käufer präsentiert

Für die 34 000 Mitarbeiter von Real könnte sich der nun geplante Verkauf als übel erweisen. Sie könnten zum Spielball von Kaufland, Edeka, Tegut und anderen Händlern werden. D ie Investoren sind nur zum Zuge gekommen, weil der Immobilienentwickler X-Bricks sein Angebot in einem entscheidenden Punkt geändert hat. X-Bricks war zu Beginn des Verkaufsprozesses schon einmal der Favorit von Koch gewesen, wurde aber von den Verhandlungen ausgeschlossen. Der Grund dafür ist, dass X-Bricks eine strategische Partnerschaft mit dem Supermarktbetreiber Kaufland von der Schwarz-Gruppe (Lidl) eingegangen war und Kaufland darauf bestand, 100 bis 120 Real-Märkte zu übernehmen. Koch sagt, er habe Kaufland klargemacht, dass dies so nicht möglich sei, schon allein aus kartellrechtlichen Gründen. Daraufhin brachen die offiziellen Gespräche ab. Natürlich ist Kaufland aber immer noch an einer hohen Anzahl von Real-Märkten interessiert und mit der Metro weiter in Kontakt. Daher der Schachzug, dass sich X-Bricks ohne Kaufland präsentiert. Von SCPs Beteiligung wissen viele bisher nicht. Kochs Kalkül ist, dass das Kartellamt dem Verkauf nun zustimmt und aufgrund der langen Vorverhandlungen die Aufteilung der Märkte kein Problem darstellt. Selbst wenn das der Fall sein sollte, stellt sich die Frage, was im Anschluss mit den Mitarbeitern passiert. Zwar sind Tegut, Kaes, Kaufland und Edeka regional an unterschiedlichen Märkten interessiert und es gibt auch unterschiedliche Präferenzen, was die Größe der Märkte anbetrifft. Im Grunde wollen aber alle die etwa einhundert attraktivsten Real-Märkte kaufen. Es bleiben daher mehrere Dutzend Märkte zusätzlich zu denen, die wahrscheinlich geschlossen werden, die zur Disposition stehen. Auf einmal steht daher ein langwieriges Szenario wie bei der Supermarktkette Tengelmann im Raum: dass Tausende Mitarbeiter entlassen und etliche Filialen geschlossen werden könnten.

© SZ vom 13.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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