Eine Meldung geistert durch die Nachrichtenseiten im Netz und sie liest sich gefährlich: "Anonymous will Facebook angreifen" heißt es dort, was sich erst einmal nach einer neuen Bedrohung anhört.
So neu ist die vermeintliche Ankündigung des Hacker-Kollektivs allerdings nicht: Das Video, auf das sich die meisten Medien beziehen, ist bereits seit drei Wochen bei YouTube auffindbar. "Facebook hat Informationen an Regierungsbehörden verkauft und heimlich IT-Sicherheitsfirmen den Zugang erlaubt, damit sie Menschen aus aller Welt ausspionieren können", heißt es dort. "Facebook weiß mehr über Dich als Deine Familie", sei aber weder verlässlich, noch privat, weshalb die Menschen "eines Tages zurückblicken und sehen werden, dass wir das Richtige getan haben."
Für den 5. November ist die "Operation Facebook" anberaumt, bis dahin sollen Mitstreiter gefunden und in anonymen Chaträumen ein Schlachtplan entwickelt werden. Das Datum ist nicht zufällig gewählt: Der 5. November ist der Guy-Fawkes-Day, also der Erinnerungstag an den Mann, der einst versuchte, das britische Parlament in die Luft zu sprengen und dessen Konterfei als Kennzeichen der anonymen Bewegung dient. "Verbreitet die Nachricht wie Aids", heißt es geschmacklos auf dem Twitter-Kanal "OP_Facebook".
Die mediale Aufmerksamkeit hat nun jedoch nicht nur dafür gesorgt, dass sich die Informationen über den Angriff mit erhöhter Geschwindigkeit im Netz verbreiten; vielmehr mischen sich nun auch die Wortführer von Anonymous über Twitter ein - und kritisieren die Aktion heftig. "Medien der Welt...hört auf zu lügen! Op Facebook ist nur eine weitere Fälschung! Wir 'töten' nicht den Boten. Das ist nicht unser Stil", wird über den Twitter-Account "Anonops" verbreitet. Man nütze Facebook auch als Werkzeug und lege sich deshalb lieber mit den wirklich Mächtigen an.
Wenig später muss die Gruppe jedoch zugeben, dass ein Teil der Mitglieder hinter der Aktion steht, das Kollektiv diese aber nicht komplett unterstützt. Das Twitter-Konto "Anonops" gilt als eine Art offizielles Verlautbarungsorgan der Web-Guerilla, dort berichten diese über Attacken auf Webseiten und Server von Regierungen, Behörden und Unternehmen.
Loses Kollektiv
Wie stark die Meinungsunterschiede sind, ist kaum abzuschätzen: Anonymous agiert als Kollektiv, die einzelnen Mitglieder sind dem Vernehmen nach in der Regel nur lose untereinander verbunden oder stoßen sogar einzig für bestimmte Aktionen dazu.
Gemeinsam war bislang der Wunsch, den vermeintlich Mächtigen wie Unternehmen oder Regierungen die Grenzen aufzuzeigen, wenn deren Handlungen den ethischen Vorstellungen der Mitglieder nicht entsprechen. In den vergangenen Monaten wurden immer wieder mutmaßliche Anonymous-Aktivisten verhaftet; ihre Rolle und genaue Motivation bleibt aber unklar.
Darüber, wer als mögliches Ziel fungieren könnte, herrscht gegenwärtig offenbar Uneinigkeit. Verschärfend zum Meinungsstreit kommt hinzu, dass sich theoretisch erst einmal jeder als Anonymous-Mitglied ausgeben und Kampagnen starten kann.
Datendiebstahl oder Sabotage?
Ob am 5. November Facebook wirklich massiv Daten abhandenkommen werden, darf derzeit bezweifelt werden. Das Unternehmen lebt von der Sicherheit der Daten seiner etwa 700 Millionen registrierten Nutzer und erhielt dafür vor einiger Zeit sogar Lob von LulzSec, einer weiteren Splittergruppe aus dem Anonymous-Umfeld.
Noch ist nicht einmal gesichert, ob bei der Aktion wirklich Informationen gestohlen werden sollen. Wahrscheinlicher ist, dass die Angreifer mit Hilfe einer Denial-of-Service-Attacke versuchen werden, über ein Bombardement von Anfragen die Facebook-Server in die Knie zu zwingen und damit zeitweise unerreichbar zu machen.
IT-Unternehmen dieser Größe sind auf solche Sabotageversuche jedoch in der Regel vorbereitet: Beim Versuch, die Seite von Amazon lahmzulegen, scheiterte Anonymous Ende vergangenen Jahres.