Großkonzerne in Not:Kündigung als letztes Mittel

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Kampf gegen die Krise: Noch versuchen die meisten Dax-Konzerne ohne betriebsbedingte Entlassungen auszukommen, doch etliche Unternehmen ziehen bereits den Joker Kurzarbeit.

Die Krise trifft nicht alle gleich. Die wenigsten Unternehmen aus dem Aktienindex Dax spüren wie der Rohstoffkonzern K+S oder der Autohersteller VW, der von der Abwrackprämie für Altautos profitiert, eine leichte Erholung ihres Geschäfts. Der Sportartikelkonzern Adidas und die Energieversorger Eon und RWE wollen ihre Belegschaft ohne Einschränkung durch die Krise bringen. Auch die Medizintechnik-Unternehmen Fresenius und Fresenius Medical Care zeigen Stärke. Sie planen weder Entlassungen noch Kurzarbeit. Davon sind andere weit entfernt.

Demo bei ThyssenKrupp - die Mitarbeiter bangen um ihre Jobs. (Foto: Foto: AP)

Das ergibt eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung bei den 30 Dax-Konzernen, die Ende des vergangenen Jahres der Bundesregierung versprachen, ihre Beschäftigung möglichst konstant zu halten. So will die Commerzbank nach der Übernahme der Dresdner Bank 9000 Stellen abbauen, davon 6500 in Deutschland. Das soll allerdings nicht per Kündigung geschehen. Ende März einigten sich Vorstand und Betriebsrat auf einen Sozialplan, der betriebsbedingte Kündigungen bis 2011 ausschließt. Die Stellen werden über Abfindungen, natürliche Fluktuation und Altersteilzeit reduziert. Ähnlich will man bei der Deutschen Bank vorgehen, wo aber mehr Stellen auf- als abgebaut werden sollen. Die Deutsche Börse hat es vergleichsweise gut. Sie hofft mit einem Einstellungsstopp und ohne Entlassungen über die Runden zu kommen.

Beim Stahlkonzern und Autozulieferer Thyssen-Krupp herrscht echte Krisenstimmung. Die Belegschaft ist alarmiert und geht auf die Straße. Konzernchef Ekkehard Schulz baut den Konzern um. Fast alle Mitarbeiter in den Stahlwerken sind in Kurzarbeit. Das reicht aber nicht. In der Stahlsparte sollen mindestens 1500 Job wegfallen, im gesamten Konzern 3000, heißt es in Unternehmenskreisen. Eine Garantie, dass es wie in der Vergangenheit ohne Kündigungen geht, will Schulz partout nicht geben. Der Stahlerzeuger Salzgitter versucht die Krise mit Kurzarbeit zu überstehen.

Daimler macht Druck

Alarmstimmung herrscht inzwischen auch bei Daimler. Knapp die Hälfte der gut 140.000 Beschäftigten in Deutschland hat das Unternehmen in Kurzarbeit geschickt und der Vorstand stimmt die Belegschaft schon auf drastischere Sparpläne ein. "Im äußersten Fall", so der Konzernchef Dieter Zetsche könne er "Entlassungen nicht ausschließen". Das will der Münchner Konkurrenz BMW dieses Jahr noch verhindern. Der Münchner Lkw-Hersteller MAN will sich sogar an seine Beschäftigungsgarantie bis 2012 halten. Er entlässt jedoch einige Mitarbeiter in Polen

Unter besonderen Druck dürfte derzeit Siemens-Chef Peter Löscher stehen. Der hatte im Dezember die Jobgarantie von Dax-Konzernen auf dem Gipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel angeregt. Mehr als 7000 Mitarbeiter hat der Konzern seit Januar bereits in Kurzarbeit geschickt. Insgesamt könnten bis zu 15.000 der 130.000 Siemensianer in Deutschland bald weniger arbeiten, verlautet aus dem Aufsichtsrat. Doch Betriebsräte fürchten, dass spätestens 2010 auch härtere Einschnitte folgen könnten. "Brechen weitere Aufträge weg, sieht es düster aus", sagt ein Aufsichtsrat.

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Der Handelskonzern Metro kündigte ebenfalls im Januar einen Umbau des Konzerns an, der allerdings in jedem Falle stattgefunden hätte. Weltweit sollen etwa 15.000 der 285.000 Stellen wegfallen. Der Chemiekonzern Henkel hat bereits im Frühjahr 2008 ein Programm aufgelegt, das bis 2011 weltweit den Abbau von 3000 der 52.000 Stellen vorsieht. Der Hamburger Konsumgüterkonzern Beiersdorf plant keine Kündigungen, aber er schließt sie für 2009 nicht kategorisch aus. Gleiches gilt für den Münchner Gas-Hersteller Linde.

BASF schließt im Ausland

Beim Chemie- und Pharma-Konzern Bayer verhindert eine Betriebsvereinbarung Kündigungen bis 2009. Der Konkurrent Merck kam bisher sogar ohne Einschnitte aus. Derzeit verhandelt Firmenchef Karl-Ludwig Kley mit den Arbeitnehmervertretern über Kurzarbeit für 500 Beschäftigte. Auch BASF trifft die Krise hart. Erstmals seit 1993 soll es demnächst Kurzarbeit im Stammwerk Ludwigshafen geben. Jeder Zehnte der 32.800 Mitarbeiter könnte betroffen sein. Betriebsbedingte Kündigungen gelten noch als ausgeschlossen. Vorstandschef Jürgen Hambrecht hat angekündigt, weniger profitable Anlagen und Standorte in Vereinigten Staaten, Asien und Europa zu schließen. Mindestens 1500 Arbeitsplätze sollen wegfallen.

Die Deutsche Post will an ihrem Beschäftigungspakt nicht rütteln, der bis Mitte 2010 rund 90 Prozent der Beschäftigten vor betriebsbedingten Kündigungen schützt, nicht rütteln. Ähnlich sieht es bei der Telekom aus, wo die 50.000 Beschäftigten der Servicegesellschaften bis 2011 Kündigungsschutz genießen.

Die Versicherer Allianz, Münchener Rück und Hannover Rück schließen betriebsbedingte Kündigungen für 2009 aus. Die Lufthansa, deren Frachtsparte stark unter der Flaute leidet, will "vorschnelle betriebsbedingte Kündigungen" vermeiden. Die wären ein Tabu-Bruch. Das Versprechen, von Entlassungen abzusehen, hat es von dem Walldorfer Softwarekonzern SAP nicht gegeben. Dafür überraschte das Management die Mitarbeiter schon Anfang Oktober 2008 mit der Verkündigung "sofort gültiger Kostensparmaßnahmen". Dazu gehörten das ersatzlose Streichen offener Stellen, Stornierung jeglicher nicht-kundenbezogenen Dienstreisen, Streichung von Weiterbildungsveranstaltungen bis hin zu Weihnachtsfeiern. Im Januar legte SAP nach und teilte erstmals in seiner 37-jährigen Firmengeschichte mit, dass in diesem Jahr weltweit 3000 Stellen gestrichen werden sollen, davon 640 in Deutschland. bü/dad/dom/etd/haz/

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© SZ vom 18./19.04.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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