Neuer Chefunterhändler Griechenlands:"Ein guter Mann"

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  • Griechenland und die Euro-Gruppe treffen sich am Donnerstag zu neuen Verhandlungen. Sie stehen unter hohem Druck, eine Einigung zu erzielen.
  • Bis Ende Mai soll Athen Reformen beschließen, damit 18 Milliarden ausgezahlt werden können. Vom 1. Juli an braucht Griechenland ein Anschlussprogramm.
  • Hoffnung macht die Rückkehr des früheren griechischen Unterhändlers Giorgos Houliarakis. Von der Verhandlungstaktik des Finanzministers Varoufakis fühlten sich die Vertreter der Euro-Gruppe erpresst.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel, Brüssel

In neuer Formation, erstmals mit einem Gesetzentwurf für ein Reformpaket und einer modifizierten Strategie sollen an diesem Donnerstag die Gespräche der internationalen Kreditgeber mit Griechenland in Brüssel fortgesetzt werden.

Das Treffen der Brüsseler Gruppe, in der die technischen Experten der Kreditgeber von Internationalem Währungsfonds, Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank sitzen, steht unter enormem Erfolgsdruck. "Wenn es Fortschritte gibt, sehen wir eine kleine Chance, uns rechtzeitig im Mai zu einigen", sagte ein hoher Vertreter eines Kreditgebers in Brüssel.

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Wie dringend ein Erfolg her muss, zeigte die Anwesenheit der Beteiligten in Brüssel. Bereits am Mittwochmittag waren Unterhändler der Euro-Länder mit dem gerade rehabilitierten früheren griechischen Verhandlungsführer Giorgos Houliarakis zusammengetroffen. Für den Abend war ein Treffen aller Euro-Staatssekretäre geplant. Auch die Teams des IWF und der EZB waren vollständig angereist.

Vertreter der Euro-Gruppe fühlten sich von Varoufakis erpresst

Athens Chefunterhändler Houliarakis trägt entscheidend zur Verbesserung des Verhandlungsklimas bei. "Ein guter Mann" sei er, hieß es bei den Kreditgebern. Er verstehe, wie Verhandlungen geführt werden müssten - anders als seine Vorgänger. Diese hatten, angeleitet von Finanzminister Yanis Varoufakis, bisher alle Listen mit Reformvorschlägen zeitgleich der Euro-Gruppe zugeleitet und öffentlich gemacht. Mit dieser Strategie sei die Euro-Gruppe nach dem Motto "friss oder stirb" erpresst worden, sagte ein Vertreter der Kreditgeber am Mittwoch in Brüssel. Diese hätten Varoufakis "wieder und wieder ermahnt", dass man vertraulich über die Vorschläge reden müsse, bevor diese ans Parlament und die Öffentlichkeit weitergeleitet würden - vergebens.

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Die neuen Gespräche gelten nun als "Lackmustest", ob es Athen künftig gelingt, vertraulich zu verhandeln. Varoufakis selbst war am Mittwoch nicht in Brüssel, meldete sich aber zu Wort, um seiner angeblichen Entmachtung zu widersprechen. Er gebe immer noch den Ton an, sagte er Zeit Online.

Noch 18 Milliarden sind abrufbar

Bis Samstagabend sollen nun die technischen Experten zusammensitzen. Konkret geht es darum, drei Auflagen des laufenden Rettungsprogramms zu erfüllen. Die Kreditgeber verlangen einen Einblick in die derzeitige Haushaltslage, eine Übersicht über die Haushaltsplanungen bis 2020 sowie strukturelle Reformen. Sobald diese Auflagen erfüllt sind, kann Griechenland mit weiterer Unterstützung rechnen, insgesamt sind noch 18 Milliarden Euro abrufbar.

Die Unterhändler gehen mit einem internen Zeitplan in die Gesprächsrunde, der keine Verzögerungen mehr zulässt. Bis Ende der ersten Woche im Mai sollen die drei Auflagen aus dem laufenden Rettungsprogramm soweit abgearbeitet werden, dass die Euro-Finanzminister auf ihrer regulären Sitzung am 11. Mai mindestens eine vorläufige Einigung feststellen können. Ende des Monats müssen die Auflagen des laufenden Rettungsprogramms komplett abgearbeitet und als Paket im Athener Parlament verabschiedet sein.

Athen braucht ab 1. Juli ein Anschlussprogramm

Das alles, sagte ein Vertreter der Kreditgeber am Mittwoch, sei "eine einfache Übung verglichen mit dem, was danach kommt". Athen braucht ab 1. Juli ein Anschlussprogramm. Das muss bis 30. Juni fertig verhandelt sein - allerdings können die Gespräche erst beginnen, wenn das laufende Programm erfüllt ist, also Ende Mai. In vier Wochen ein neues Programm auszuhandeln, ist kaum zu schaffen, zumal die Kreditgeber verschiedene Interessen haben: Der IWF bestehe darauf, verlautete aus Verhandlungskreisen, die Schuldenlast Athens bis 2020 auf 120 Prozent im Vergleich zum Bruttosozialprodukt zu senken. Derzeit liegt sie bei etwa 177 Prozent - es geht also nur mit einem Schuldenschnitt. Den wollen die Euro-Länder nicht. Gleichzeitig machen einige, auch Deutschland, weitere Finanzhilfen von einem Verbleib des IWF als Kreditgeber abhängig.

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© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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