Griechenland:Beinahe Schutzlos

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Zum ersten Mal seit fünf Jahren steht Griechenland ohne Sicherheitsnetz der Euro-Länder da. Nur die EZB gewährt noch Geld.

Von Bastian Brinkmann und Markus Zydra, München

Noch einmal haben Mario Draghi und seine Kollegen Geld gewährt. Ein letztes Mal vielleicht. Am späten Mittwochabend hat der Rat der Europäischen Zentralbank entschieden, die Nothilfen für die griechischen Banken erneut zu verlängern - und dies, obwohl das offizielle Rettungsprogramm für Griechenland 22 Stunden zuvor, um Punkt 0 Uhr, ausgelaufen war.

Die Währungshüter gewähren damit dem Land erneut eine letzte Frist. Hätte die EZB sich anders entschieden und die Nothilfen gestoppt, dann wären die Banken umgehend pleite gewesen; und mit ihnen wohl auch das Land. Zugleich aber erhöhte die EZB den Druck auf Athen ein wenig. Denn die griechische Zentralbank hatte eigentlich mehr Geld beantragt, mehr als die 89 Milliarden Euro, die die Frankfurter Währungshüter schon genehmigt hatten. Doch das lehnte der EZB-Rat ab.

Das dürfte den Druck auf die griechische Regierung und die Banken des Landes in den nächsten Tagen weiter erhöhen. Die Sparer dürfen zwar maximal nur 60 Euro am Tag abheben - so hat es die Notenbank in Athen vorgegeben. Doch weil die Griechen zuhauf diese engen Rahmen ausnutzen und Geld abheben, könnten die Bargeldreserven der Banken dennoch innerhalb von Tagen aufgezehrt werden.

Die EZB wird nach dem Referendum am Sonntag entscheiden, wie es weitergeht. Einige EZB-Ratsmitglieder hätten die Nothilfen gerne schon jetzt reduziert oder ganz gestrichen. EZB-Chef Draghi möchte dagegen abwarten, ob es nicht doch noch zu einer Einigung zwischen Gläubigern und Griechenland kommt.

Die Entscheidung der EZB kam an einem Tag, da Griechenland zum ersten Mal seit fünf Jahren nicht mehr unter dem Schutz der Euro-Länder steht, die ein Hilfspaket für Athen geschnürt hatten. Griechenland ist jetzt ein Land ohne Sicherheitsnetz und seinen Gläubigern ausgeliefert. Das sind vor allem die Euro-Länder, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB). Athens Gläubiger haben Ansprüche in dreistelliger Milliardenhöhe. Sie könnten Griechenland fallen lassen - und das Land in die Pleite schicken. Aber werden sie das tun?

So reagiert der IWF

Bis Dienstagnacht hätte die Regierung in Athen rund 1,5 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen müssen. Weil Griechenland dies nicht getan hat, müsste das Land eigentlich als pleite gelten - jedenfalls dann, wenn es ein ganz normaler Kredit wäre. Doch die Ratingagenturen werten den Vorfall nur als Zahlungsverzug, weil der IWF eine öffentliche Institution ist - und der Fonds zunächst mal nur eine Mahnung nach Athen schicken wird.

Tanzen für Europa: Demonstranten unter einer riesigen Flagge der Union vor dem Parlamentsgebäude in Athen. (Foto: Yannis Behrakis/Reuters)

So reagieren die Euro-Partner

Die Länder der europäischen Währungsunion haben im Juni 2010 einen Euro-Rettungsschirm gegründet, der die Abkürzung EFSF trägt. Er hat mit Griechenland einen Vertrag geschlossen. Für die Notkredite an Athen gelten die Standardregeln der Finanzmärkte. Dazu gehört auch eine Verzugsklausel: Zahlt Griechenland nicht, kann der EFSF seine Forderungen sofort fällig stellen. Athen müsste ohne Aufschub zahlen. Das Geld dafür fehlt aber, das Land wäre pleite. Auch eine Nicht-Zahlung an eine dritte Partei kann die Verzugsklausel auslösen - und Athen hat eben die IWF-Rate nicht fristgemäß gezahlt. Theoretisch kann der EFSF nun jederzeit erklären, dass er Griechenland für pleite hält. Athen könnte dagegen klagen, Gerichtsstand ist Luxemburg.

So reagiert die EZB

Die Europäische Zentralbank erlaubt der griechischen Zentralbank seit Anfang des Jahres, Notkredite an die Banken des Landes zu vergeben: die sogenannte Emergency Liquidity Assistance (ELA). Diese Hilfen hat die EZB nach und nach aufgestockt. Ohne diese Sondermilliarden hätten die Banken ihren Kunden kein Geld auszahlen können. Die Sparer hätten ihre Konten geplündert, weil sie einen Grexit fürchten.

Am Sonntag hatte die EZB die Nothilfe auf 89 Milliarden Euro begrenzt und der Athener Notenbank verwehrt, den Banken zusätzliche Milliarden zu gewähren. Das zwang die Regierung dazu, Kapitalkontrollen einzuführen und die Summen zu begrenzen, die man am Geldautomaten abheben kann. Nachdem Griechenland die IWF-Rate nicht bezahlt hat und auch in keinem Hilfsprogramm ist, könnte die EZB nun alle Hilfskredite für Athens Geldhäuser widerrufen. Diese Bedingung hatte sie zumindest im Fall Zypern selbst aufgestellt: "Emergency Liquidity Assistance kann nur erwogen werden, wenn ein EU/IWF-Programm in Kraft ist, das die Solvenz der betroffenen Banken sicherstellt", hatte die EZB damals mitgeteilt.

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(Foto: SZ-Grafik)
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(Foto: SZ-Grafik)

Weniger radikal wäre es gewesen, wenn die EZB die Sicherheitsanforderungen für die Wertpapiere erhöht, die griechische Banken bei der griechischen Zentralbank als Pfand für die Notkredite einreichen. Die Sicherheiten könnten dann nicht mehr so hoch beliehen werden. Das Geld der Banken würde sich verknappen. Dieser Umstand könnte einige griechische Banken bis an den Rand des Ruins bringen.

Griechenland schuldet der EZB 27 Milliarden Euro. Rund 3,5 Milliarden Euro werden am 20. Juli fällig. Hat Griechenland bis dahin keine neuen Geldquellen gefunden, droht die Pleite. Die EZB gewährt keinen Aufschub.

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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