Geht es nach Alex Melzer, sind bald auf jedem deutschen Dach Solarpanels verbaut. An diesem Ziel arbeitet er, ganz Start-up-typisch, vom Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg aus zwischen gelber Couch und weißem Besprechungstisch mit Macbook. Die Idee kam Melzer auf seinen Reisen durch Südamerika. Dort zahlen arme Familien hohe Strompreise an Konzerne, obwohl sich viele mit eigenen Solaranlagen versorgen könnten. Melzer übertrug die Idee auf Deutschland und gründete mit einem Partner "Zolar".
Seit Januar können Interessierte auf der Plattform Solaranlagen planen, Preise vergleichen und Verträge abschließen und haben wenige Wochen später eigenen Strom. Eine zeitgeistige Idee, vor allem im umweltorientierten Deutschland. Spricht Melzer mit potenziellen Geldgebern, geht es jedoch nicht in erster Linie um Nachhaltigkeit. "Ich glaube nicht, dass jemand in uns investiert, weil wir grün sind", sagt der Gründer.
Beim Reden mit Geldgebern fallen die Worte "öko" und "grün" eher selten
Dabei ist Zolar nur eines von vielen Start-ups, bei denen Nachhaltigkeit eine Rolle spielt - mehr als jede fünfte Gründung hat einen ökologischen Ansatz, die Branche ist die zweitwichtigste für Gründungen nach dem Handel. Manche Jungunternehmen haben offensichtlich ökologische Ideen, etwa eine App für den Tausch von übrigem Essen. Für andere ist das Öko-Element eher Zusatz, wie beim Fahrdienstleister Uber, bei dem man argumentiert, dass damit weniger Menschen ein eigenes Auto nutzen. Nun könnte man meinen: Ist ja klar, gutes Gewissen verkauft sich gut. Tatsächlich aber werden Gründung und insbesondere Finanzierung nicht leichter, je grüner ein Unternehmen ist. Im Gegenteil. Wenn Melzer mit Geldgebern redet, betont er die Wachstumsaussichten. Den Endkunden erzählt er, wie viel sie sparen und dass sie unabhängig werden vom Stromnetz. Die Wörter "grün" und "öko" fallen kaum.
Dass Grün und Geld noch nicht immer zusammenfinden, liegt zum einen in der Natur der Sache: "Investoren schauen sich alles verdammt gut an. Du brauchst eine sehr gute Strategie und Argumente", sagt Melzer, dessen derzeitige Firma seine dritte Gründung ist. In erster Linie kommt es auf Zahlen, Wachstum, Märkte an. "Ein guter Zweck hat aus Investorensicht höchstens PR-Vorteile", sagt Melzer. Die Ursachen dafür, dass ein grüner Ansatz die Gründung erschwert, reichen aber weiter.
"Grundsätzlich herrscht großes Interesse, vor allem die Energie- und Umwelttechnologie gelten als attraktiver Investitionsbereich", sagt Linda Bergset, die beim "Borderstep Institut" seit Jahren zu nachhaltiger Gründung forscht. "Viele finden das spannend, merken aber: Man braucht dafür viel Fachwissen." Schwerpunkte für grüne Gründungen liegen oft im Bereich Energie, Abfall oder Wasser. "Da ist das Umfeld natürlich komplexer, als wenn man eine App entwickelt", sagt Bergset. Einem Investoren ein Antriebssystem zu erklären ist komplizierter als eine Vermittlungsapp für Pflegekräfte zu erläutern.
Die Komplexität birgt ein weiteres Problem. Für viele Ansätze, die mit Umweltschutz einhergehen, muss Jahre in Forschung und Entwicklung investiert werden, bevor klar ist, in welcher Form damit Geld verdient werden kann. Entwicklung und Markteinführung können zehn bis 15 Jahre dauern. "Da brauchen Investoren einen langen Atem", sagt Bergset. Und nicht nur die Technik mache die Unterfangen kompliziert. "Beispielsweise gibt es bei den Sharing-Modellen oft noch rechtliche Unklarheiten." Die als Anfänger auszuleuchten, ist ebenfalls teuer und langwierig - und führt unter Umständen zu dem Ergebnis, dass ein Geschäftsmodell nicht umsetzbar ist. "So etwas kann ein zusätzlicher Risikofaktor für Investoren sein", sagt Bergset. Ein Beispiel: Insekten als Lebensmittel wären eine gute Möglichkeit, Ernährungsprobleme in manchen Regionen zu bekämpfen. Doch während auf EU-Ebene die Gesetze hier viel offen lassen, ist das in Deutschland verboten.
Dass aus der Langwierigkeit ein finanzielles Problem wird, liegt an den Mechanismen der Startup-Finanzierung: In Frühphasen geben oft Business Angels, die aus der gleichen Branche sind, kleine Summen und beraten. Weil es im Nachhaltigkeitsbereich weniger große Firmen gibt, gibt es weniger Business Angels. Risikokapitalgeber wiederum steigen oft später ein - für nachhaltig orientierte Start-ups entstehe dadurch eine "schwierige Lücke", sagt Bergset.
Wenn es schwierig ist, Geld zu bekommen, kann das aber auch an den Gründern selbst liegen. Oft sind es Naturwissenschaftler, die umweltfreundliche Technologie ersinnen. Sie sind nicht unbedingt wirtschaftlich bewandert - das wiederum sehen aber Investoren nicht gern.
"Auch bei nicht-grünen Start-ups gibt es nicht immer einen BWL-Hintergrund", sagt Bergset. "Aber bei grünen Gründungen korreliert dieses Problem mit den Finanzierungsschwierigkeiten." Auch wenn Menschen mit einem hohem ideologisch-ökologischen Anspruch antreten, ruft das Skepsis hervor, ob genug Expertise herrscht, um das ganze rentabel umzusetzen. Dennoch bemerkt Expertin Bergset eine Professionalisierung. "Viele Gründer achten inzwischen darauf, dass jemand im Team ist, der auch betriebswirtschaftlich Ahnung hat."
Das ist auch bei Zolar der Fall. Beide Gründer sind Wirtschaftsingenieure, aber Melzer für Marketing und Vertrieb zuständig, sein Partner für den technisch-operativen Teil.
Noch müssen grüne Gründer oft nach Alternativen wie Crowdfunding und speziellen Programmen wie dem Climate KIC Accelerator in Berlin schauen, der nachhaltige Start-ups fördert und bei dem auch Zolar unterstützt wurde. Langfristig wird sich aber die Ausgangslage für grüne Gründer ändern, schätzt Forscherin Bergset.
"Das Thema Nachhaltigkeit wird immer präsenter und wichtiger." Das zeige sich an der Erwartungshaltung von Konsumenten, aber zunehmend auch an Mitarbeitern, die sich wünschen, dass ihr Unternehmen nachhaltig agiert. "Die Investoren werden diesem Trend folgen", sagt Bergset.
Alex Melzer wird weiter die wirtschaftlichen Vorteile seines Geschäfts betonen - und sich trotzdem freuen, dass Umweltschutz indirekt mitgefördert wird. "Eine Art trojanisches Pferd", sagt er und grinst.