Gesundheitspolitik: Zusatzbeiträge:Der arme Herr Zinsmillionär

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Die Koalition ermöglicht den Kassen weitere Zusatzbeiträge - und will Ungerechtigkeiten durch einen Sozialausgleich beheben. Doch nun entdecken Regierungspolitiker auch bei diesem Sozialausgleich Probleme.

G. Bohsem

Obwohl die Gesundheitsreform nicht beschlossen ist, haben die Fachpolitiker von Union und FDP erste Änderungen am Regelwerk angemahnt. Das geht aus einem Positionspapier hervor, das von den Gesundheitsexperten der Fraktionen erarbeitet worden ist.

Die Koalition schleift bei der Gestaltung der Zusatzbeiträge noch einmal nach. (Foto: ddp)

Jens Spahn (CDU), Max Straubinger (CSU) und Ulrike Flach (FDP) betonen in dem Schreiben zwar ihre volle Zustimmung zum Reformwerk, das nächste Woche vom Parlament verabschiedet wird. "Allerdings bleibt eine Ungerechtigkeit", argumentieren sie weiter. Bei der Berechnung des vorgesehenen Sozialausgleichs würden lediglich Lohn, Gehalt und Rente berücksichtigt. "Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Zinsen oder Dividenden und andere Einkünfte spielen dabei nach dem vorliegenden Gesetzentwurf keine Rolle." Das soll sich nach dem Willen der drei Politiker in den nächsten Jahren ändern.

Den Gesundheitsexperten geht es konkret um die Ausgestaltung der umstrittenen Zusatzbeiträge. Künftig sollen alle Kostensteigerungen im Gesundheitssystem nicht mehr von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zusammen, sondern alleine von den Beschäftigten gezahlt werden. Die dazu notwendigen Beiträge werden ihnen nicht mehr wie bisher automatisch vom Gehalt abgezogen. Sie müssen sie vielmehr zusätzlich überweisen, daher der Begriff Zusatzbeitrag. Der Zusatzbeitrag gilt unabhängig vom Einkommen. Das heißt, jedes Kassenmitglied, ob es nun Schichtleiter bei BMW ist oder dort die Toiletten putzt, muss den gleichen Betrag zahlen.

Um besagte Putzfrau nicht zu überfordern, will die schwarz-gelbe Koalition einen Sozialausgleich einführen. Nach den Plänen übernimmt der Staat jeden Cent des Zusatzbeitrages, der über zwei Prozent des Bruttoeinkommens hinausgeht. Allerdings wird dazu eben nur das Einkommen aus Arbeitsverhältnissen und der Rente geprüft. Jemand kann also Zinsmillionär sein oder mehrere Mietshäuser besitzen - er würde einen Sozialausgleich erhalten, wenn er gleichzeitig einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht oder eine kleine Rente aus einer früheren Berufstätigkeit erhält.

"Das ist nicht gerecht", schreiben die Gesundheitsexperten. "Daher wäre es richtig, generell beim Sozialausgleich nicht allein auf das beitragspflichtige Einkommen aus Lohn, Gehalt und Rente abzustellen, sondern die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des zahlenden Mitglieds zu berücksichtigen." Ein solcher Ansatz werde bereits seit 2004 bei der Überforderungsklausel für Zuzahlungen bei Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln zugrunde gelegt. Die Kassen müssten bereits heute bis zu sieben Millionen Anträge auf Befreiung von der Zuzahlung prüfen - deshalb könne auch der Aufwand für den Vorschlag der Gesundheitsexperten nicht als übermäßig bezeichnet werden.

"Noch nicht mehrheitsfähig"

"Wir sind mit der Gesundheitsreform auf dem richtigen Weg", unterstrich Spahn. Jedoch fehle ein wichtiger Schritt, um die von Union und FDP angestrebte Abkopplung von den Lohnkosten perfekt und den Sozialausgleich noch gerechter zu machen, nämlich die Berücksichtigung des gesamten Einkommens. "Dies ist derzeit in der Koalition noch nicht mehrheitsfähig, wir wollen aber dafür werben, dass es das wird", sagte der CDU-Politiker. Der Vorschlag solle eine Perspektive eröffnen und sei nicht als Kritik an der Reform zu verstehen.

Ähnlich argumentierte auch die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, Ulrike Flach. "Die Fachleute der Fraktionen wollen diesen Punkt anders regeln", sagte sie. In der Politik bestehe jedoch immer die Notwendigkeit, einen Konsens herzustellen. "Deshalb brauchen wir noch ein wenig Zeit zum Werben." Diese sei durchaus vorhanden, denn der Zusatzbeitrag werde über die kommenden Jahre erst langsam ansteigen.

© SZ vom 05.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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