Gespräch mit Ulrich Schröder:"Ein unverzeihlicher Fehler"

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KfW-Chef Schröder über die Millionen-Überweisung an die Pleite-Bank Lehman - und warum er nicht anteilig auf Gehalt verzichtet.

Helga Einecke und Martin Hesse

KfW-Chef Ulrich Schröder führt seit einigen Wochen die KfW. Wegen der katastrophalen Börse rechnet er auch im vierten Quartal mit einem Verlust. Das Image der Staatsbank will er aufpolieren, bei seinem hohen Gehalt macht er aber keine Abstriche. Sein wichtigster Auftrag ist das neue Konjunkturprogramm der Bundesregierung.

KfW-Chef Ulrich Schröder: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen." (Foto: Foto: AP)

Süddeutsche Zeitung: Herr Schröder, Ihre Frau hat Ihnen von Ihrem neuen Job abgeraten. Hätten Sie besser auf sie gehört?

Ulrich Schröder: Über diesen Rat habe ich gründlich nachgedacht. Meine Entscheidung war richtig. Wenn ich einen ruhigen Job gesucht hätte, wäre ich nicht hierhergekommen. Die Aufgabe macht mir sehr viel Spaß.

SZ: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Sie und Ihren Vorstand wegen des Verdachts der Untreue, weil die KfW 319 Millionen Euro an die bankrotte Investmentbank Lehman Brothers überwiesen hat. Haben Sie sich etwas vorzuwerfen?

Schröder: Nein, ich habe mir nichts vorzuwerfen. Der Zahlungsvorgang, der die Ermittlungen ausgelöst hat, ist zehn Tage nach meinem Dienstantritt passiert. Mir war das Risikomanagement der KfW bis zu diesem Zeitpunkt als vorbildlich dargestellt worden und ich hatte keinen Grund daran zu zweifeln. Ich sehe mich nicht in einer Pflichtverletzung. Hinzu kommt, dass ein Untreue-Verdacht eine vorsätzliche Vermögensverletzung voraussetzt. Das weisen wir als KfW-Vorstand entschieden zurück.

SZ: Es geht immerhin um 319 Millionen Euro, die von der KfW versehentlich überwiesen wurden. Darf eine Staatsbank so mit öffentlichem Geld umgehen?

Schröder: Dieser Vorgang ist ein unverzeihlicher Fehler, der nicht hätte passieren dürfen und auch zu personellen Konsequenzen geführt hat. Er deutet auf Mängel im Risikomanagement hin, die wir sofort angegangen sind. Mit Blick auf grundsätzliche Veränderungen haben wir verschiedene externe Gutachter beauftragt, die unser Risikomanagement im Detail untersuchen und Verbesserungsvorschläge erarbeiten. So ist zum Beispiel eine zeitnahe und entscheidungsorientierte Risikoberichterstattung noch nicht weit genug entwickelt.

SZ: Also doch nicht vorbildlich und vorzüglich?

Schröder: Das muss man differenziert beantworten. Einerseits wendet die KfW exzellente Methoden bei ihrer Risikomessung an. Dies ist nicht strittig. Auf der anderen Seite gibt es aber offensichtlich an manchen Stellen operative Unzulänglichkeiten, die es zu beheben gilt. Ein vereinfachendes Bild: Wenn Sie für Ihr Haus eine hervorragende Alarmanlage haben, aber Tür oder Fenster nicht richtig schließen, kommt der Dieb bequem rein. Wir haben vorzügliche Methoden, aber bei dem Beispiel Lehman fehlte eine simple komplette Liste mit sämtlichen, auch schon in unseren Systemen gebuchten Verpflichtungen gegenüber dieser einen Bank.

SZ: Also menschliches Versagen?

Schröder: Ich will nicht falsch verstanden werden. Wir haben im Risikomanagement hochqualifizierte Mitarbeiter, die gute Arbeit leisten. Der Lehmann-Vorfall zeigt aber, dass die KfW, wie manche andere Banken auch, in bestimmten Prozessen auf eine Finanzmarktkrise dieses Ausmaßes nicht eingestellt war.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Ulrich Schröder das Etikett von der "dümmsten Bank Deutschlands" wieder loswerden möchte.

SZ: Wie wollen Sie das Etikett wieder loswerden, die dümmste Bank Deutschlands zu sein?

Machte als "dümmste Bank Deutschlands" Schlagzeilen: die KfW. (Foto: Foto: AP)

Schröder: Das war zunächst eine sehr zugkräftige und verkaufsstarke Schlagzeile, aber das Attribut ist Unsinn. Ich bin über die Skandalisierung der Bank höchst unglücklich, weil sie die Fähigkeit und Reputation der KfW in ihrem Kernfeld trifft. Die KfW ist besser als ihr derzeitiger Ruf. Es ist richtig, Fehler beim Namen zu nennen und zu korrigieren. Die KfW ist aber eine volkswirtschaftlich absolut notwendige Institution, die seit 60 Jahren exzellente Arbeit leistet und dies bis heute tut. Sie ist unersetzbar sowohl für den heimischen Markt als auch für die internationale Entwicklungsfinanzierung und ist Vorbild für den Aufbau von Förderbanken in der ganzen Welt. Das wird sich in der öffentlichen Wahrnehmung auch wieder durchsetzen.

SZ: Wie erklären Sie sich denn, dass die KfW überhaupt dieses Etikett bekommt?

Schröder: Das Vertrauen der Menschen in Banken ist derzeit sehr gering. Die andauernden Turbulenzen auf den Finanzmärkten verunsichern die Menschen zudem. Die KfW hatte zur Rettung der IKB schon viel Geld einsetzen müssen. Und dann eine solche Fehlüberweisung, die für jedermann als massiver Fehler nachzuvollziehen ist. Das kostet Reputation. Aber wichtig ist: Dies ist ein Einzelfall und nicht der Ausdruck eines andauernden Missmanagements. Er ist deshalb nicht geeignet, die KfW unter den Generalverdacht der mangelnden Qualifikation zu stellen.

SZ: Auch in Island hat die KfW viel Geld verloren. Muss eine deutsche Staatsbank den Mittelstand in Island mit hohen Beträgen fördern?

Schröder: Unser Engagement in Island war eine bewusst getroffene strategische Entscheidung. Letztlich geht es um die Frage, ob sich die KfW, deren von der EU bestätigter gesetzlicher Auftrag die Förderung der deutschen und europäischen Wirtschaft ist, auch als eine solche Förderbank begreift. Über den Umfang kann man sicherlich diskutieren. Ich würde aber davor warnen, die KfW nur auf das Inland zu beschränken, auch weil Deutschland als Exportweltmeister mitten in Europa liegt.

SZ: Was ist mit ihrem Engagement in isländischen Wertpapieren?

Schröder: Wir stecken jedes Jahr aus unseren Erträgen rund 650 Millionen Euro in die Verbilligung der Kreditzinsen, zum Beispiel für mittelständische Unternehmen, Studierende oder den Klimaschutz. Im Fördergeschäft verdienen wir daher kein Geld. Dies tun wir, neben den Erträgen aus der Ipex, auch mit unserem Wertpapierportfolio, das breit diversifiziert angelegt wird und vor allem auch zur Sicherung unserer eigenen Liquidität gehalten wird. Wenn die KfW kein Geld mehr in Wertpapiere investieren soll, muss sie die Förderung einschränken oder Steuergelder aus dem Haushalt bekommen.

SZ: Was schlagen Sie denn vor?

Schröder: Wir sollten weiterhin in einem überschaubaren Umfang, etwa zehn Prozent der Bilanzsumme, Wertpapiere halten. Ich denke aber, dass man vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzmarktkrise darüber nachdenken sollte, das Portfolio noch konservativer zu steuern.

SZ: Das sieht die Opposition aber anders.

Schröder: Wir stehen im Eigentum von Bund und Länder. Dadurch besteht immer die Gefahr, für die politische Auseinandersetzung genutzt zu werden. Es wird immer so sein, dass die jeweilige Opposition uns prügelt, um die jeweilige Regierung zu treffen. Ich glaube aber dennoch an die Macht der Argumente.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die KfW die Konjunktur stützen möchte.

SZ: Ausgerechnet jetzt übernimmt die KfW mit dem Konjunkturprogramm noch umfangreichere Aufgaben. Ist das nicht riskant?

Schröder: Sicherlich ist das eine Herausforderung. Doch wir können und wollen der Bundesregierung nicht sagen, die Konjunktur läuft zwar nicht, aber wir sind mal eben für zwei Jahre abgemeldet. Wenn wir uns den Luxus leisten, uns nur mit uns selbst zu beschäftigen, würden wir unseren Auftrag verfehlen.

SZ: Wie stützt die KfW denn die Konjunktur?

Schröder: 15 Milliarden Euro des angekündigten Konjunkturprogramms vergibt die KfW über andere Banken als Kredite an den Mittelstand. Der Kreis der Geförderten ist zwar in der Regel auf Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 500 Millionen Euro Umsatz begrenzt. Aber nur "in der Regel". Größere Unternehmen sind also im Gegensatz zu unseren bisherigen Förderprogrammen nicht von vornherein ausgeschlossen. Dies betrachte ich als ein wichtiges Signal.

SZ: Sie fördern nun auch große Unternehmen?

Schröder: Normalerweise nein. Derzeit haben aber gerade auch die hidden champions, die Exportweltmeister mit Umsätzen von mehr als 500 Millionen Euro Probleme, die wiederum Auftraggeber für den kleinen Mittelstand sind. In diesem Sonderprogramm erleichtern wir in enger Absprache mit dem Wirtschaftsministerium den Unternehmen den Zugang zu Krediten. Generell bieten wir den Banken, denen die Refinanzierungsmärkte weggebrochen sind, eine zuverlässige langfristige Refinanzierung für Investitionskredite. Darüber hinaus erleichtern wir die Kreditvergabe durch die Option einer umfassenden Risikoübernahme der zwischengeschalteten Banken.

SZ: Gibt es neben Island KfW-Risiken aus anderen hochverschuldeten Ländern?

Schröder: Unsere Hauptrisiken liegen mit Blick auf die Finanzkrise derzeit in erster Linie in unseren Wertpapierportfolien, die unsere Ertragslage in den ersten neun Monaten stark belastet haben. Dabei weisen viele der gehaltenen Wertpapiere trotz zufriedenstellender Ratings erhebliche Wertabschläge auf. Die KfW betreibt ihr Fördergeschäft international und breit gestreut. Gerade in entwicklungspolitisch bedeutsamen Ländern fördert die KfW auch bewusst durch die Übernahme von Risiken. Wir limitieren und steuern diese Risiken sehr vorsichtig und sorgen für mögliche Risiken vor. Einen anderen Aspekt, den wir genau beobachten, sind die Unternehmensrisiken. Wenn es zu einer schweren Rezession kommt, hat das natürlich Auswirkungen.

SZ: Erwarten Sie, dass sich der Verlust im Gesamtjahr noch einmal erhöht?

Schröder: Der Oktober und der bisherige Verlauf des Novembers waren insgesamt noch einmal katastrophal an den Wertpapiermärkten. Wir haben weiter kaum die Möglichkeit von bilanziellen Erleichterungen Gebrauch zu machen. Auch wenn wir operativ weiterhin eine stabile positive Ergebnisentwicklung haben, lässt sich eine Ergebnisverschlechterung derzeit nicht ausschließen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Ulrich Schröder bei der KfW ändern möchte und warum es Jahre dauert, bis die Bank ihre Verluste abgearbeitet hat.

SZ: Inwieweit belastet die Krise der IKB noch die KfW?

Schröder: Bis jetzt belastet sie uns 2008 mit etwas mehr als eine Milliarde Euro. Darüber hinaus sehen wir im Augenblick keine Veranlassung, weitere Abschreibungen auf die von der IKB übernommenen Wertpapiere vorzunehmen.

SZ: Haben Sie die IKB zu billig verkauft?

Schröder: Wenn wir die IKB heute verkaufen würden, wäre es angesichts der verschärften Finanzmarktkrise eine Herausforderung, den vereinbarten Verkaufspreis zu erzielen, wenn wir überhaupt einen Käufer finden würden.

SZ: Wie lange braucht die KfW, um die Verluste wieder abzuarbeiten.

Schröder: Das wird sicherlich einige Jahre dauern.

SZ: Die Verluste haben auch das Kapital der KfW schrumpfen lassen. Muss der Steuerzahler neues Geld in die KfW pumpen und eine Kapitalerhöhung stemmen?

Schröder: Die Kapitalausstattung ist aus der heutigen Sicht ausreichend.

SZ: Was wollen Sie bei der KfW ändern?

Schröder: Der Vorstand hat vier Themenfelder identifiziert, an dem wir arbeiten werden: Erstens wollen wir die Organisation der KfW straffen, zweitens das Risikomanagement verbessern. Diese beiden Projekte haben wir bereits aufgesetzt. Drittens das Stichwort Corporate Governance. Die KfW braucht neben einem starken Vorstand auch eine effektive Kontrolle durch einen starken Verwaltungsrat. Das vierte Thema ist der Bankstatus. Ich bin der Auffassung: Die KfW ist eine Bank. Punkt. Und wenn das so ist, dann hat das Rechte und Pflichten als Konsequenz.

SZ: Welche?

Schröder: Zu den Pflichten gehört zum Beispiel eine bankähnliche Aufsicht, die die Besonderheiten der KfW als Förderbank berücksichtigt. Derzeit werden wir direkt vom Finanzministerium beaufsichtigt. Aber die Entscheidung über die Punkte drei und vier ist letztlich Sache der Eigentümer und bedarf gesetzlicher Änderungen.

SZ: Würden Sie sich mehr Banker im Aufsichtsgremium wünschen?

Schröder: Wichtig ist ein effektives Aufsichtsgremium, unabhängig von der Berufsgruppe. Die Kontrolle muss von Personen ausgeübt werden, die in der Unternehmenswelt sowie in der Politik zu Hause und mit dem Geschäftsmodell der KfW vertraut sind.

SZ: Sie verdienen 800.000 Euro im Jahr. Müssten Sie nicht auf 500.000 Euro gehen, weil die KfW nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer eine Staatsgarantie hat?

Schröder: Mein Gehalt hebt sich nicht von dem ab, was bei anderen öffentlichen Banken gezahlt wird, die nicht den derzeitigen Rettungsschirm in Anspruch nehmen. Als man mir die Aufgabe bei der KfW angeboten hatte, habe ich gerne zugesagt, aber auch verdeutlicht, dass ich mich gehaltlich gegenüber meiner Aufgabe in der NRW-Bank nicht verschlechtern wollte. Das wurde akzeptiert. Im Übrigen enthält mein Gehalt eine erfolgsabhängige Vergütung. Ich erwarte nicht, dass mir die Eigentümer vor dem Hintergrund des Jahresergebnisses für 2008 einen solchen Bonus zahlen werden.

© SZ vom 24.11.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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