Geschichten aus Griechenland:Nur noch Geld für Fusel

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Früher handelte Markus Stolz mit griechischen Staatsanleihen, heute verkauft der Wahl-Athener griechischen Wein. Den exportiert er in die USA, denn die Griechen leisten sich nur noch Fusel.

Jannis Brühl

Die SZ hat mir ihren Lesern über Facebook, Twitter und Google Plus Menschen gesucht, die in Griechenland leben. Wir haben mit ihnen telefoniert, gesprochen, ihnen zugehört. Und alles aufgeschrieben. Jetzt erzählen wir ihre Geschichten.

Markus Stolz war früher Banker, nun exportiert er griechischen Wein. Die Griechen selbst kaufen nur noch Fusel. (Foto: Privat)

Das Geschäft mit den Schulden kennt Markus Stolz von beiden Seiten. Zwölf Jahre lang handelte er bei Goldman Sachs in London mit Staatsanleihen - ausgerechnet bei jener Großbank also, die Griechenland später durch speziell designte Finanzversicherungen half, das wahre Ausmaß seiner staatlichen Schulden zu verschleiern. So konnte das Land Euro-würdig erscheinen und in die Währungsunion aufgenommen werden. Auch für einen Hedgefonds arbeitete der Westfale Stolz. Heute sitzt er in dem Land, das unter der Schuldenlast zu kollabieren droht.

Vor 20 Jahren heiratete er eine Griechin, seit acht Jahren lebt er in Athen. Von der Finanzwirtschaft hat Stolz sich verabschiedet und sich einen Traum erfüllt: Heute handelt er mit griechischem Wein und erlebt den Niedergang unter dem Spardiktat: "So etwas ist noch keiner Wirtschaftsnation in Friedenszeiten passiert." Obwohl die Griechen allen Grund dazu hätten, greifen sie immer seltener zur Flasche, erzählt Stolz.

Die Umsätze der Winzer im Land für höherklassige Weine seien um bis zu 40 Prozent eingebrochen. Nur noch billiger Wein verkaufe sich gut. Erst sei der Trend weg vom hohen Preissegment über zehn Euro gegangen, dann sogar unter die Spanne zwischen fünf und zehn Euro. Jetzt habe sich das meiste auf ganz billige, sogenannte Bag-in-box-Weine verlagert. "Neu ist, dass selbst bekannte Weingüter, die sich ihren Ruf mit teuren Weinen erschaffen haben, mittlerweile ins Billigsegment eingestiegen sind", sagt Stolz.

Zum Glück exportiert er hauptsächlich, vor allem in die USA. Ein Geschäft nach dem anderen gehe pleite in Griechenland, doch Stolz gibt zu: Ihm hilft der niedrige Euro-Kurs, und den hat er der Krise des Kontinents zu verdanken. "Aber meine Frau hatte so hohe Einkommenseinbußen. Deshalb stehen wir heute schlechter da als früher." Sie arbeitete bei einer Bank, die Hälfte ihres Gehalts bekam sie als Bonus ausgezahlt. Diese Boni werden jedoch seit kurzem mit bis zu 90 Prozent besteuert, sagt Stolz: "Es ist ja verrückt. Die Steuererhöhungen kosten jeden einzelnen Tausende Euro." Gleichzeitig würden in allen Branchen die Löhne drastisch gekürzt.

Unter diesem Druck verändert sich das Sozialleben in dem Staat, auch einen psychologischen Schaden diagnostiziert Stolz: "Die Stimmung ist extrem schlecht. Die Griechen waren immer ein heiteres Volk. Wenn man sich jetzt abends bei Freunden trifft, erzählen alle einander nur von Problemen." Stolz sagt: "Das Volk ist derbe, derbe am leiden."

© SZ vom 02.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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