Der Mann war zu frech. Er hatte eine eigene Meinung: Leider die falsche. Thomas Stallkamp, einer der führenden Manager des amerikanischen Autoherstellers Chrysler, der gerade mit Daimler fusioniert worden war, hatte ein paar Ratschläge für seine neuen deutschen Kollegen: Die neuen Partner sollten sich mal auf neue Zeiten einstellen, meinte der Amerikaner. Sie könnten noch einiges lernen von Chrysler: "Sie müssen flexibler sein". sagte er. "Schneller entwickeln, schneller auf Kundenwünsche eingehen, Produkte schneller auf den Markt bringen. Daimler sei viel kleiner als Chrysler und sei nicht so profitabel: "Diesen Unterschied müssen wir überbrücken".
Solche Worte kamen bei Jürgen Schrempp nicht gut an. Der hatte aus den beiden Autobauern Daimler und Chrysler einen neuen Konzern geschaffen. Er wollte eine Welt-AG führen, aber auf keinen Fall war der Deutsche mit dem überbordenden Selbstbewusstsein bereit, sich von einem Amerikaner sagen zu lassen, wie man den neuen Konzern zu führen habe. Schrempp soll dafür gesorgt haben, dass Stallkamp den Konzern bald verließ.
"Wir wollen die Nummer eins werden"
Jürgen Schrempp, der 1995 mit 50 Jahren an die Spitze des damaligen Konzerns Daimler-Benz gekommen war, hatte sich offenbar in den Kopf gesetzt, als Manager in die Geschichte einzugehen, der Maßstäbe setzt. So plante er den Zusammenschluss von Daimler mit dem amerikanischen Anbieter Chrysler. Am 7. Mai 1998, vor genau 15 Jahren, traten er und Chrysler-Chef Bob Eaton in London vor die Medien. "Das wird eines der innovativsten Unternehmen, das die Welt je gesehen hat", dröhnte Schrempp. "Und eines der rentabelsten." Andere hielten den Zusammenschluss über den Atlantik hinweg für eine Schnapsidee. Luxusautos und Massenfahrzeuge passten nicht zusammen, sagten sie.
Schrempp wischte alle Einwände weg: "Wir wollen die Nummer eins werden", sagte er unbescheiden. Die Amerikaner sollten den Daimler-Absatz in den USA fördern, die Schwaben dem Verkauf von Chrysler in Europa auf die Beine helfen. Gemeinsam werden die Firmen mit einer Produktion von insgesamt 3,6 Millionen Fahrzeugen die Nummer fünf in der Rangliste der größten Autokonzerne, hinter General Motors, Ford, Toyota und dem Volkswagen-Konzern.
"Unternehmensehe wurde im Himmel geschlossen"
Das neue Unternehmen war mit einem Umsatz von damals 234 Milliarden Mark der drittgrößte Autokonzern der Welt, der doppelt soviel Geld einnahm wie der VW-Konzern (113 Milliarden Mark). "Diese Unternehmensehe wurde im Himmel geschlossen", sagte Schrempp und wurde zum Schöpfer eines geflügelten Wortes. Es fliegt ihm noch heute um die Ohren.
Die Partner begannen zu streiten. Aus einer der wichtigsten Fusionen in der Industriegeschichte war eine der größten Pleiten geworden, die 2007 mit der Scheidung endete. Der Name Schrempp, steht seitdem als Synonym für das Scheitern eines Managers, der mit kernigen Sprüchen die alten Gesetze der provinziellen deutschen Wirtschaft aushebeln wollte und heute in den Lehrbüchern als Beispiel dafür dient, wie man eine Fusion nicht machen sollte. "Für mich zählt vor allem eines: Profit, Profit, Profit", war Schrempps Credo. Am Ende wurde er von Verlusten verschüttet.
Wie trunken schob sich der Macher durch die feuchtfröhlichen Gästereihen, als er im November 1998 in der Frankfurter Börse und ein paar Stunden später an der New Yorker Wall Street die neue Daimler-Chrysler-Aktie einführte. Sein breites Lächeln, das krachende Schulterklopfen sagten alles: Hier ist einer, der ein neues Zeitalter begründet. Schrempp war so stolz auf sein Fusionswerk, dass er einen Journalisten vom Wall Street Journal dazu brachte, ein Buch über den Architekten zu schreiben. Das Werk hat auf den Deutsch den für Schrempp schmeichelnd-schönen Titel: "Die Stunde des Strategen". Wann werde es möglich sein, den Erfolg der Fusion zu beurteilen, wurde er im Trubel gefragt. Die überraschende Antwort: "Nach zwei Jahren."