Geplante Vorzeigefabrik vor dem Aus:Der Traum vom guten Arbeiten in Bangladesch

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Sie wollten eine Fabrik bauen, die sozial und ökologisch ist, ausgerechnet in Bangladesch, wo Hungerlöhne die Regel sind. Das Unternehmen Otto hat sich das zusammen mit dem Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus vorgenommen. Doch ihr ehrgeiziges Projekt stößt auf Widerstand im Land - und droht nun, ganz zu scheitern.

Kristina Läsker

Sie haben sich einen gediegenen Ort ausgesucht, um über Armut zu sprechen. In einer weißen Villa an der Elbchaussee in Hamburg sitzen an diesem Februartag der Versandhändler Michael Otto und der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus beim Kamingespräch. Sie führen eine freundliche Debatte über Social Business. Über Geschäfte also, die gesellschaftliche Probleme lösen und dabei Gewinne erzielen. Ein paar Zuhörer lauschen, später gibt es feine Häppchen, edlen Rotwein und Pianomusik.

Es hätte so schön sein können. Wenn nicht die Botschaft des Abends so unerfreulich wäre. Denn der Unternehmer Otto muss eingestehen, dass ein lange angekündigtes soziales Projekt kurz vor dem Scheitern steht. Dass er im bitterarmen Bangladesch wohl doch keine sozial-ökologische Kleiderfabrik betreiben wird. "Uns sind große Hindernisse in den Weg gelegt worden", sagt der frühere Chef der Otto Group und heutige Aufsichtsratsvorsitzende in leisen Worten. Lange werde er sich die vergeblichen Vorstöße jedenfalls nicht mehr ansehen, sagt der 68-Jährige. Nur noch wenige Monate wolle er in Bangladesch nach einem Standort für das Werk suchen. "Sonst machen wir es woanders."

Was nach harmloser Standortfrage klingt, wirft ernste Fragen auf. Lassen sich in einem politisch unruhigen Land überhaupt soziale Fabriken realisieren? Sind die Ideen des Ökonomen Yunus nachhaltig umsetzbar? Was sind die Kooperationen zwischen ihm und den westlichen Konzernen Wert? Dienen sie nur dem Gewissen der Konsumenten in Europa und nicht den Menschen im Land?

Gemeinsam hatten Otto und Yunus Großes vor. Im November 2009 kündigte die Versandhandelsgruppe an, in Bangladesch eine Vorzeigefabrik zu bauen. Das Werk in der Hauptstadt Dhaka sollte nach neuesten Öko- und Sicherheitsstandards errichtet werden. Hier sollten von 2011 an T-Shirts, Kleider, Hosen für den Export genäht werden. Die Gewinne sollten aber nicht nach Deutschland fließen, sondern in Essen, Bildung und Medizin für die Arbeiterinnen. "Die Bevölkerung muss die Chance bekommen, sich selbst aus der Armut zu befreien", hatte Otto vollmundig versprochen. Das Werk sollte gemeinsam mit der Genossenschaftsbank Grameen errichtet werden. Diese "Bank der Armen" hatte Yunus 1983 gegründet, seither verteilt sie Kleinstkredite an mittellose Frauen. Auch Yunus lobte die geplante Textilfabrik: Diese sei zwar klein, sagte er. "Aber sie ist ein Symbol, das die Welt verändern kann."

Mehr als zwei Jahre sind seit den markigen Sprüchen vergangen. Die hohen Ansprüche sind nach und nach am Alltag gescheitert. In der Villa über der Elbe berichtet Otto fast ein wenig kleinlaut von den gröbsten Hürden. Manchmal waren es Kleinigkeiten. Wie der verweigerte Zugang zu Gas. "Sie bekommen auf legalem Weg für eine neue Fabrik keinen Gasanschluss." Weshalb sich der Milliardär entschloss, einfach eine Firma zu kaufen und umzubauen. Dann tauchten größere Probleme auf. Es seien immer neue Behörden mit teils unsinnigen Forderungen an ihn herangetreten, so Otto. Auch die Regierung bremse ihn aus. Sie wolle keine Sicherheiten für sein Vorhaben bieten. Obwohl er einen "zweistelligen Millionenbetrag" investieren wolle.

Über das womöglich größte Hindernis spricht Otto nicht. Es ist die Person Yunus selbst. In seiner Heimat ist der kluge Professor in Ungnade gefallen. Zumindest bei der Regierung von Ministerpräsidentin Sheikh Hasina. Jahrelang war der Vordenker mit Preisen überschüttet worden. Weil er mit Mikrokrediten die Menschen nachhaltig aus der Armut holte. Dann nahm die Kritik an den Kleinstkrediten zu. Vor einem Jahr drängte die Regierung Yunus aus seinem Amt. Weil er angeblich zu alt für den Chefposten bei der Grameen-Bank war. Yunus kämpfte dagegen vor Gericht und verlor. Wer seither zu dem 71-Jährigen hält, entzürnt gleichermaßen die Regierung. Kein leichter Stand für Firmen wie Otto, BASF und Adidas, die allesamt mit Yunus in einem Social Business kooperieren. Der Hanseat Otto jedenfalls will Yunus die Treue halten. Dieser habe "im Mittelpunkt einer seitens der bengalischen Regierung initiierte Kampagne" gestanden, sagt Otto.

Kritiker bezeichneten die Vorzeigefabrik als Schönfärberei

Nicht nur Yunus steht unter Beschuss. Unabhängige Organisationen halten das geplante Textilwerk für weit weniger sozial, als es klingt. Die schlechten Arbeitsbedingungen in Bangladesch könnten durch solche freiwilligen Initiativen von Konzernen nicht behoben werden, kritisiert Sabine Ferenschild vom kirchennahen Institut Südwind. Die Projekte dienten vorrangig dazu, den Europäern ein besseres Gewissen beim Einkaufen zu vermitteln, so die Expertin für soziale Standards. "Gesetzliche Regelungen wären viel besser."

Gisela Burckhardt hält Ottos Vorzeigeprojekt gar für "Schönfärberei". Seit mehr als zehn Jahren engagiert sie sich für die Kampagne für saubere Kleidung. Burckhardt hält es für falsch, dass Otto seinen Näherinnen zwar Lebensmittel und Medikamente gibt, ihnen aber nur branchenübliche Monatsgehälter von bis 50 Euro zahlen würde. "Wenn die Menschen anständige Löhne erhalten, können sie sich auch ausreichend versorgen."

Und Muhammad Yunus? An dem Abend in Hamburg schweigt er zu solchen Vorwürfen und schwärmt über all die sozialen Kooperationen, die er schon angestoßen hat. Ganz so, als stehe er über den widrigen Dingen in Bangladesch. Er wünsche sich eine Welt voller Sozialunternehmer. Es sei ja nicht das Geld allein, das glücklich macht. "Es macht noch glücklicher, andere glücklich zu machen."

© SZ vom 05.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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