Bei Sparern werden Anleihen immer beliebter, und zwar in einer ganz bestimmten Spielform: als ETF. Im Juni erst stieg das Vermögen der Anleihe-ETF auf über eine Billion Dollar. Im Vergleich zum gesamten Anleihemarkt mit einer Größe von mehr als 100 Billionen Dollar ist das zwar wenig, doch dem Vermögensverwalter Blackrock zufolge wächst das Segment jährlich um 22 Prozent.
Die Abkürzung ETF steht für Exchange Traded Fund, also für einen Fonds, den Anleger an der Börse für wenig Geld kaufen und verkaufen können. Er funktioniert wie ein Sammelkorb für Wertpapiere, beispielsweise für Aktien oder Anleihen. Welche das sind, entscheidet der Index, der ihm zugrunde liegt. Bei Aktien kann das der deutsche Leitindex Dax sein. Steigen die Kurse im Dax, steigt auch der Kurs des ETF. Ähnlich verhält es sich mit Anleihe-ETF, die allerdings ausschließlich in festverzinsliche Wertpapiere investieren.
Beim Investment in Anleihe-ETF gibt es einige Besonderheiten, die manchmal für Verwirrung sorgen
Dass ETF von Anleihen immer beliebter werden, hat für Kai Hattwich, Portfolio-Manager bei der Berliner Privatbank Quirin, einen eindeutigen Grund: "Die Investitionsschwelle ist sehr viel niedriger". Liegt die Mindestanlage für eine Anleihe bei Unternehme gerne bei 1000 oder gar 10 000 Euro, können Anleger in ETF bereits mit 100 Euro einsteigen und bekommen dafür nicht nur eine Anleihe, sondern gleich einen Anteil an teils mehr als 1000 Anleihen. Die Investitionen sind damit breiter gestreut.
Die Welt der Anleihen und damit auch der Anleihe-ETF aber ist eine komplizierte, weshalb sich Anleger lange und ausführlich über all die Absurditäten und Besonderheiten informieren sollten. Die vielleicht gravierendste Abweichung zum Investment in Aktien: Fallen die Zinsen, steigen die Kurse. Steigen die Zinsen hingegen, fallen die Kurse. "Das wissen viele Anleger nicht und sind dann enttäuscht, wenn es bergab geht", sagt Honorarberater Benjamin Reinhard.
Wie das sein kann, zeigt ein Rechenbeispiel. Kaufen Anleger eine Anleihe für 1000 Euro mit drei Prozent Zinsen pro Jahr und einer Laufzeit von zehn Jahren, bekommen sie jedes Jahr 30 Euro ausgeschüttet und am Ende der Laufzeit 1000 Euro zurück. Sinken die Zinsen und der Staat gibt die nächste Anleihe über zehn Jahre nur noch mit einem Prozent Zinsen aus, bekommen Anleger nur noch zehn Euro pro Jahr. Die erste Anleihe wird dank der nun niedrigeren Zinsen begehrter und der Kurs steigt. Da ein Anleihe-ETF nur ein Sammelsurium an festverzinslichen Papieren ist, verhalten sich Indexfonds ähnlich.
Im Prinzip ergeben sich zwei Spielarten, wie Anleger mit Anleihe-ETF Geld verdienen können. Die Erste: Sie kaufen einen Indexfonds, legen ihn ins Depot und warten ab, am besten mehr als zehn, besser mehr als 20 Jahre. Dann profitieren Anleger über die Jahre hinweg von der jährlichen Zinszahlung. Einige Indexfonds reinvestieren die Zinsen direkt wieder, andere schütten sie aus. Anleger sollten also vorher darauf achten, welche Variante der Indexfonds spielt. Zurzeit sind die Zinsen in vielen Märkten gering. Honorarberater Reinhard sagt: "Das ist immer noch besser als auf der Bank und fast genau so sicher". Steigen die Zinsen über die Jahre, gewinnen Anleger. Denn der ETF ersetzt auslaufende, niedrigverzinste Anleihen dann gegen solche mit höheren Zinsen. Bei Unternehmen in den USA oder Schwellenländern sind die Zinsen noch höher, bringen aber auch ein entsprechendes Risiko mit sich. "Umso näher es der Rente zugeht, umso risikoarmer sollten die Papiere dann sein", rät Reinhard.
Die zweite Möglichkeit für Anleger, mit ETF die Altersvorsorge aufzubessern: Auf sinkende oder eben steigende Zinsen zu spekulieren und somit über die Kursentwicklung der Anleihen einen Gewinn einfahren. Erst vor wenigen Tagen deutete Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, an, dass die USA die Zinsen wieder senken werden. Das würde bedeuten, dass Anleger, die Anleihe-ETF mit US-Staatsanleihen und aktuellen, höheren Zinsen halten, einen Kursgewinn verbuchen dürften.
Auch die Kurse in Schwellenländern oder anderen höher verzinsten Anleihen dürften zumindest kurzfristig steigen. "Höhere Rendite gibt es immer nur mit dem entsprechenden Risiko, und das ist in Schwellenländern und bei Hochzinsanleihen hoch", sagt Detlef Glow, Fondsanalyst beim Datenspezialisten Refinitiv.
Besonders verlockend, aber risikoreich sind "High Yield Bonds". An den Finanzmärkten versprechen sie hohe Renditen, tragen aber auch den Namen "Ramschanleihen", weil sie meist von Unternehmen oder Staaten ausgegeben werden, die nicht oder kaum kreditwürdig sind. Privatanleger sollten davon grundsätzlich die Finger lassen, rät Honorarberater Reinhard. "Als Sicherheit oder Gegengewicht zur Aktie taugen solche Anleihen nicht", sagt er.
Eine wichtige Kennzahl, um zu sehen, wie stark die Anleihen schwanken können, ist die "Duration". Sie gibt an, wie weit der Kurs einer Anleihe fallen kann, wenn sich das Zinsniveau am Markt um einen Prozentpunkt erhöht. Beträgt die Duration beispielsweise sechs Jahre, kann der Kurs der Anleihe um sechs Prozent fallen, wenn sich die Zinsen um einen Prozentpunkt erhöhen oder um sechs Prozent steigen, wenn die Zinsen um einen Prozentpunkt fallen.
Anleger, die in Fremdwährungen anlegen, müssen zusätzlich noch das Währungsrisiko einkalkulieren. Denn Aktien und Anleihen werden nicht automatisch in Euro gehandelt, sondern in lokalen Währungen oder US-Dollar, erklärt Hattwich von der Quirin Bank. Kaufen Anleger aus Europa dann Anleihen von US-Unternehmen, ändert sich der Wert ihrer Investments je nach Wechselkurs. Hattwich vergleicht das mit einem Urlaub in den USA: "Steht der US-Dollar im Vergleich zum Euro tief, sind Einkaufstüten während des Urlaubs voller. Steht der US-Dollar dagegen hoch, wird aus einem Einkaufsbummel eher Window-Shopping."
Absichern gegen ein solches Risiko können sich Anleger mittels bestimmter ETFs. Sie tragen meist ein "Hedge" im Namen, sind aber mit zusätzlichen Kosten verbunden. Ob sich das lohnt, ist im Einzelfall und je nach Währung zu entscheiden.