Geldanlage:Die Profis bleiben drin

Lesezeit: 4 min

Trotz Krisen und steigenden Zinsen: Die Manager von Mischfonds setzen weltweit weiter auf Aktien. Der beste machte sogar in den schwierigen vergangenen Monaten ein Plus. Und was heißt das für die Kleinanleger?

Von Harald Freiberger, München

Wer sein Geld rentabel anlegen will, also nicht zum Zins von 0,01 Prozent auf einem Tagesgeld-Konto, der hat es derzeit nicht leicht. Lange war das vergleichsweise einfach, weil die Aktienmärkte über neun Jahre fast ununterbrochen boomten. Doch im Jahr 2018 ist der Zustand an den Börsen kritisch. Der Deutsche Aktienindex liegt 16 Prozent unter seinem Höchststand, beim amerikanischen S&P 500 sind es sieben Prozent.

Die Kardinalfrage bei der Geldanlage lautet, welchen Anteil Investoren auf den schwankungsanfälligen, aber langfristig rentableren Aktienmarkt legen sollen - und welchen Anteil auf den sichereren Anleihenmarkt. In Phasen, in denen die Aktienkurse fallen, kommen viele ins Zweifeln, ob ihre Aktienquote nicht zu hoch ist, umso mehr, wenn gleichzeitig die Zinsen für Anleihen steigen.

Als sich im Oktober die Rendite von US-Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit auf 3,2 Prozent erhöhte, war für viele Anleger ein solcher Moment des Zweifels. Wenn eine relativ sichere Anleihe mehr als drei Prozent Zinsen bringt, warum soll man dann noch Aktien kaufen, die ohnehin angeschlagen scheinen? Ist es vielleicht Zeit, im größeren Stil umzuschichten von Aktien in Anleihen?

Allein im größten der deutschen Mischfonds liegen 13 Milliarden Euro

Privatanleger könnten sich daran orientieren, wie Profis diese Frage einschätzen. Die Kapitalmarktstrategen von Fondsgesellschaften beschäftigen sich jeden Tag damit, ob sich das "Big picture" gerade ändert, also das große Bild, das den Kapitalmärkten zugrunde liegt: die Entwicklung von Zinsen, Inflation und Konjunktur. Am drängendsten stellt sich die Frage den Managern von Mischfonds, die sich aus verschiedenen Anlageklassen zusammensetzen. Sie müssen, anders als Manager reiner Aktien- oder Anleihenfonds, ständig über die Verteilung des Fondsvermögens auf die einzelnen Gattungen nachdenken.

Die Fonds-Ratingagentur Morningstar hat für die SZ solche Mischfonds ausgewählt (siehe Tabelle). Es handelt sich um Mischfonds mit voller Flexibilität. Das heißt: Der Fondsmanager kann die Aktienquote je nach seiner Einschätzung des "großen Bildes" auf null Prozent herunterfahren, sie aber auch auf 100 Prozent erhöhen. Ausgewählt wurden nur Fonds, die beim Rating von Morningstar die Bestnoten 4 oder 5 erhielten. Sie sind der Größe nach sortiert: Der Fonds FvS Multiple Opportunities verwaltet ein Vermögen von fast 13 Milliarden Euro (FvS steht für die Fondsgesellschaft Flossbach von Storch), beim M&G Dynamic sind es acht Milliarden Euro, beim Raiffeisen-Nachhaltigkeit-Mix noch rund 600 000 Euro.

"Mischfonds mit voller Flexibilität sind ein guter Gradmesser für die Einschätzung der Fondsmanager, weil sie absolute Freiheit haben und die gesamte Klaviatur spielen können", sagt Ali Masarwah von Morningstar. Der Blick auf die Tabelle zeigt, dass der größte Fonds auch der erfolgreichste ist: Der FvS Multiple Opportunities steht bei der Wertentwicklung über ein, drei und fünf Jahre jeweils an der Spitze. Obwohl die Aktienmärkte in diesem Jahr schwächeln, steht bei dem Fonds auch im Einjahresvergleich noch ein Pluszeichen vor der Prozentzahl, während alle anderen im Minus notieren, der schlechteste mit acht Prozent. "Flossbach von Storch kriegt das immer ganz gut hin", sagt Masarwah. Auch bei den jährlichen Gebühren, die zwischen 1,4 bis 2,41 Prozent betragen, liegt der Multiple Opportunities im unteren Bereich.

Wie schätzt Philipp Vorndran, der Kapitalmarktstratege von Flossbach von Storch, die aktuelle Lage ein? Ist es Zeit, von Aktien in Anleihen zu wechseln? "Das wäre aus unserer Sicht grundlegend falsch", sagt er. Fast alle Vorzeichen deuteten darauf hin, dass es sich bei den Kursverlusten von Aktien in den vergangenen Monaten um eine vorübergehende Delle handle, nicht aber um eine Trendwende. Die Zinsen steigen zwar, aber nur langsam, die weltweite Konjunktur ist weiter in gutem Zustand, und die Aktienkurse sind im Verhältnis zu den Unternehmensgewinnen nach den jüngsten Verlusten nicht mehr übermäßig teuer. Die Folge dieser Einschätzung: Flossbach von Storch hat den Kursrückgang im Oktober genutzt, um die Aktienquote sogar noch einmal zu erhöhen - von rund 62 auf 68 Prozent.

"Im Extremfall könnten wir auch mal 100 Prozent französische Aktien haben, wenn wir die gut finden."

"Wir sind Verfechter einer internationalen Ausrichtung", beschreibt Vorndran die Strategie des Fondsmanagements. Das Portfolio habe seinen Schwerpunkt außerhalb Europas, "einfach, weil es dort bessere Geschäftsmodelle gibt". Hoch profitable Dienstleistungen von Unternehmen wie Facebook, Whatsapp, Amazon oder Samsung seien in europäischen Aktienindizes kaum enthalten. Bei der Auswahl der Aktien achtet Flossbach von Storch vor allem auf die Qualität der Unternehmen, nicht so sehr auf einen Branchen- oder Länderproporz. "Im Extremfall könnten wir auch mal 100 Prozent französische Aktien haben, wenn wir die gut finden", sagt Vorndran.

Die Einschätzung von Flossbach von Storch deckt sich mit der anderer Fondsgesellschaften. Zwar gibt es einzelne Experten, die vor zunehmenden Risiken bei Aktien warnen, so wie es die große US-Fondsgesellschaft MFS vor wenigen Wochen getan hat. "Wir sind nervöser als noch vor einem Jahr", sagte ihr Chef Michael Roberge. "Es kommen schwierige Zeiten auf Investoren zu. Sie müssen jetzt risikobewusster sein." Die Mehrheit der Fonds-Experten aber setzt nach wie vor den Schwerpunkt auf Aktien. Darauf deuten auch Daten von Morningstar hin: Bei weltweit 1600 Mischfonds betrug die Anleihenquote zuletzt relativ niedrige 23 Prozent; sie hat sich in den vergangenen zwölf Monaten nicht wesentlich erhöht. "Das liegt auch daran, dass die Fondsmanager wenige Alternativen haben, die großen Trends der vergangenen Jahre sind nicht gebrochen", sagt Morningstar-Experte Masarwah. Die Konjunktur befindet sich zwar in einem späten Zyklus, aber sie läuft immer noch. Zwar sind die Renditen von US-Staatsanleihen gestiegen. Wenn europäische Fondsmanager sie kaufen, müssen sie aber das Währungsrisiko absichern, was einen großen Teil des Zinses auffrisst. Und Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit bringen derzeit nicht mehr als 0,37 Prozent.

Und so sind sich die Fondsgesellschaften in Deutschland weitgehend einig: Bei den Mischfonds von Fidelity liegt der Schwerpunkt deutlich auf Aktien. Immerhin heißt es, dass man nach dem Renditeanstieg von US-Staatsanleihen wieder in solche investiere. Franklin Templeton sieht Aktien im globalen Vergleich immer noch im Vorteil gegenüber Anleihen. Und Allianz Global Investors hält die Aktienquote seines Mischfonds bei fast 80 Prozent.

Wenn Privatanleger überlegen, ob es nicht langsam an der Zeit wäre, sich von Aktien in Richtung Anleihen zu orientieren, dann fällt die Antwort professioneller Anleger ziemlich eindeutig aus: noch nicht.

© SZ vom 19.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: