Geldanlage:Abgeltungsteuer - na und?

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Banken trommeln zum Schlussverkauf. Doch wer um jeden Preis dem Fiskus entrinnen will, zahlt am Ende nur drauf. Und viele betrifft die neue Abgabe ohnehin nicht.

Catherine Hoffmann

Die Finanzbranche kann es nicht lassen. "So retten Sie Ihr Geld vor der Abgeltungsteuer. Nur noch kurze Zeit möglich!", drängt der Fondsvermittler Fonds-4-you. Und der Versicherer Volksfürsorge ermuntert seine Kunden: "Sparen Sie sich die Abgeltungsteuer!" Auf der Internetseite des Itzehoer Aktien Clubs läuft der Countdown: "noch 19 Werktage, 11 Stunden und 41 Minuten". Mit den Slogans sollen die Anleger mobilisiert werden, sich doch endlich mit Steuervermeidungsstrategien zu beschäftigen, bevor im neuen Jahr die Abgeltungsteuer kommt. "Steueroptimiert investieren" lockt deshalb ganz unverblümt die Hypo-Vereinsbank.

(Foto: Foto: ddp)

Doch nicht die Sorge um das Geld der Bürger und ihre Ahnungslosigkeit in Steuerfragen steckt hinter solchen Aufrufen. Die Banken, Fondsgesellschaften, Versicherungen und Vermögensberater hoffen in diesem chaotischen Börsenjahr, noch ein wenig Geschäft zu machen - wenigstens zum Jahresende. Zwar wird die Schlussverkaufsstimmung getrübt von Bankenpleiten und Kursabstürzen, aber egal: Vom 1. Januar 2009 an werden Kapitalerträge mit 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag plus Kirchensteuer besteuert, maximal also mit 28,3 Prozent. Da gelte es zu handeln. Jetzt.

Etwa 200 Milliarden Euro werden angeblich umgeschichtet, um der neuen Steuer zu entgehen, spekuliert die Branche. Sie hat eine unüberschaubare Fülle neuer Anlagemöglichkeiten geschaffen, ihre Vertreter in Marsch gesetzt, Hochglanzbroschüren gedruckt, um die Kunden zu überzeugen, dass Dachfonds, Lebensversicherungen oder Riester-Produkte die Steuerflucht ermöglichen, wenn noch in diesem Jahr gehandelt wird. Es ist nicht leicht, sich der Vertriebsoffensive zu erwehren. Doch Steuersparen um jeden Preis hat sich noch nie ausgezahlt, und der unüberlegte Kauf überteuerter Bankprodukte auch nicht.

Bitte keine Panikkäufe

Obwohl Banken, Sparkassen und andere Finanzdienstleister zur Eile drängen, sollten sich Anleger nicht zu Panikkäufen hinreißen lassen, sondern erst einmal in Ruhe all ihre Geldanlagen überprüfen. Denn längst nicht jede ist von der Abgeltungsteuer betroffen; hier besteht also gar kein Handlungsbedarf. Außen vor sind Riester- und Rürup-Produkte, alte Verträge von Lebens- und Rentenversicherungen, Immobilien, offene Immobilienfonds, geschlossene Fonds, Edelmetalle, Kunst oder Antiquitäten. Sie bleiben von der Abgeltungsteuer verschont.

Gedanken machen müssen sich Anleger vor allem über das Geld, das in Aktien und Anleihen sowie entsprechenden Fonds und Zertifikaten steckt. Doch die erste Überlegung gilt nicht der Wahl des "richtigen" Produkts. Die entscheidende Frage ist schlicht: Wann brauche ich das Kapital, das ich anlegen möchte, wieder? Wollen Sparer schon in ein, zwei oder drei Jahren auf ihr Vermögen zurückgreifen, um beispielsweise eine Eigentumswohnung oder das Studium der Kinder zu finanzieren, sind Aktien die falsche Wahl. Dividendenpapiere lohnen nur dann, wenn Anleger fünf oder besser zehn Jahre und mehr Zeit haben. Sonst ist die Gefahr zu groß, ein Jahr wie dieses oder 2002 zu erwischen und mit 40 Prozent Kursverlust verkaufen zu müssen. In Aktien wird deshalb nur das Risikokapital gesteckt, nicht der Notgroschen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Anlagestrategie nicht über den Haufen geworfen werden sollte.

Die Abgeltungsteuer ist auch kein Grund, die Anlagestrategie über den Haufen zu werfen. Wer bisher konservativ investiert hat und viele Anleihen besaß, sollte nicht plötzlich auf Aktien umschwenken, nur um sich noch Steuervorteile zu sichern. Es stimmt natürlich, dass die Kursgewinne von Aktien und Aktienfonds, die noch bis zum 31. Dezember gekauft werden, steuerfrei bleiben, wenn die einjährige Spekulationsfrist abgelaufen ist. Dividenden aber müssen versteuert werden - das gilt auch für Aktien und Aktienfonds, die vor 2009 gekauft worden sind. Das ist nicht zu unterschätzen: Langfristig machen die Ausschüttungen der Unternehmen beinahe die Hälfte der Erträge aus.

Mit Anleihen gewinnen

Erst wenn Investoren ermittelt haben, wie viel Kapital sie in Aktienanlagen stecken wollen, stellt sich die Frage nach dem geeigneten Produkt: Wählen sie selbst einzelne Unternehmenstitel aus, oder vertrauen sie einem Fonds? Wie riskant es ist, auf einzelne Aktien zu setzen, hat sich gerade in diesem Jahr gezeigt. Falls es dumm läuft, verschwinden sie sogar vom Kurszettel. Auch wenn Puristen den Kauf von Aktien bevorzugen - hier sind viel Erfahrung und genügend Geld gefordert, um auf viele verschiedene Titel setzen zu können. Einfacher gelingt die Risikostreuung mit einem Fonds. Hier kann die Wahl eines Papiers mit hohen Gebühren Anleger aber teuerer zu stehen kommen als die Abgeltungsteuer.

Wer zum Beispiel heute 10000 Euro in einen Aktienfonds steckt, zahlt vielleicht einmalig 5,25 Prozent Ausgabeaufschlag und jährlich 1,2 Prozent Verwaltungsvergütung. Unterstellt man eine Aktienrendite von sieben Prozent im Jahr - drei Prozent Dividendenrendite plus vier Prozent Kursgewinn - hat ein Anleger nach zehn Jahren rund 5500 Euro verdient. Wählt er hingegen einen günstigen Indexfonds ohne Ausgabeaufschlag und mit nur 0,2 Prozent Jahresgebühr, bleiben bei gleicher Rendite knapp 8000 Euro Gewinn. Damit kassiert die teure Fondsgesellschaft deutlich mehr Geld als der Fiskus. Die Wahl eines teuren Papiers kann also schlimmere Folgen haben als eine versäumte Steuerfrist.

Das Geld, das nicht in Aktien geht, werden die meisten in Zinspapiere investieren: Sparbriefe, Fest- und Tagesgeld, Anleihen oder Bundesschatzbriefe sind in Deutschland ungemein populär. Viele Familien haben dort den größten Teil ihres Vermögens investiert. Sie können die Hochglanzbroschüren und Werbeattacken der Banken getrost ignorieren. Hier gibt es nichts zu entscheiden, zumindest nicht dringend. Die Frage, in welche festverzinslichen Wertpapiere das Geld angelegt wird, kann im kommenden Jahr ebenso gut beantwortet werden wie in diesem. Zinseinnahmen werden künftig mit dem Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent belegt und nicht mehr mit dem persönlichen Einkommensteuersatz - und zwar unabhängig davon, wann die Anleihe gekauft oder das Zinskonto eingerichtet wurde. Gutverdiener zahlen so oder so weniger Steuern als bisher - ohne dass sie etwas tun müssten.

© SZ vom 29./30.11.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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