GDL droht mit Streiks:Wenn der Lokführer zum Sozialamt muss

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Zoff wegen mieser Bezahlung: Claus Weselsky, Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokführer, pocht auf gleiches Geld für alle - sonst wird gestreikt.

Streiks bei der Saarbahn, Urabstimmung bei der Hohenzollerischen Landesbahn - die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) macht in den Regionen von sich reden. Ihr Chef Claus Weselsky stellt fest: "Die GDL streikt nicht deshalb, weil sie das am besten kann." Sondern weil bei manchen regionalen Unternehmen Einstiegslöhne deutlich unter 2000 Euro für Lokführer gezahlt würden. Sie will einen einheitlichen Tarifvertrag für das Fahrpersonal bundesweit durchsetzen.

Notfalls wird halt wieder gestreikt: GDL-Boss Claus Weselsky will einen einheitlichen Tarifvertrag für das Fahrpersonal durchsetzen - bundesweit. (Foto: Foto: dpa)

Der große Erfolg der kleinen GDL

Rückblick: Vor anderthalb Jahren war Weselsky täglich im Fernsehen. Er profilierte sich an der Seite seines Vorgängers Manfred Schell und gegen Bahnchef Hartmut Mehdorn als harter Knochen im Kampf um einen eigenständigen Tarifvertrag für Lokführer. Schell und Weselsky hatten Erfolg, obwohl die GDL ohne die beiden anderen, weitaus größeren Gewerkschaften Transnet und GDBA operierte.

Nun kämpft die GDL ohne große Beachtung an der Saar, in Brandenburg und anderswo darum, diesen Erfolg auch bei den Wettbewerbern der Deutschen Bahn zu verankern. Und wieder steht eine große Gewerkschaft daneben und beobachtet das Treiben mit Argwohn - diesmal Verdi.

Tatsächlich ist es nicht nur für die Arbeitnehmer wichtig, im Fall eines Rückzugs der DB AG von bestimmten Strecken bei den Wettbewerbern vergleichbare finanzielle Bedingungen vorzufinden. Es dient auch der Herstellung von Waffengleichheit bei Ausschreibungen, und deshalb hat auch die Transnet genau dies auf ihre Fahnen geschrieben - jedenfalls im Regionalverkehr.

"Heute gibt es Lokführer, die müssen Zuschüsse beim Sozialamt beantragen", sagt Weselsky. Zwar nicht beim "Marktführer", wie er die DB AG gerne nennt, aber bei dem einen oder anderen Wettbewerber, die der ehemalige DDR-Reichsbahner manchmal mit "draußen" zusammenfasst.

80 Prozent des Fahrpersonals seien bei der DB AG beschäftigt, zehn Prozent bei Unternehmen, die über ein etwa gleiches oder gar besseres Tarifniveau verfügen. Zu letzteren zählt etwa die Schweizer Güterbahn SBB Cargo. Um die restlichen zehn Prozent aber geht es. Weselskys Zahlen zufolge sind das etwa 4000 Menschen. Die GDL prangert die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft an, die "Lokomotivführer mit einem Nettolohn unter 1300 Euro abfertigt".

Von wegen "aussitzen"

"Faire Löhne wie bei der DB" heißt daher das Motto einer Veranstaltung am Mittwoch, mit der die GDL bei Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft für einen bundesweit einheitlichen Tarifvertrag für das Fahrpersonal werben will. Weselsky zufolge glauben die DB-Konkurrenten das Problem "aussitzen zu können, weil regional die Wirkung von Arbeitskampfmaßnahmen nicht so groß ist".

Bei den Arbeitgebern im Regionalverkehr handelt es sich teils um kommunale oder landeseigene Unternehmen mit breitem Nahverkehrs-Angebot, deren Angestellte oft bei Verdi organisiert sind. Die Bahnen versuchten mit dem Anheuern von Teilzeitkräften oder Bus-Ersatzverkehr dagegenzuhalten. Weselsky droht: "Das zwingt die GDL, wenn es denn nicht anders geht, auch zum Mittel eines Solidaritätsstreiks zu greifen und die Lokomotivführer im Bereich der DB regional eventuell dazu aufzurufen, sich zu solidarisieren mit den Forderungen ihrer Kollegen."

Streiks in der Krise? Das Gespenst der Arbeitslosigkeit sieht Weselsky für Lokführer zunächst nicht. "Was momentan im Güterverkehr passiert, kann ein Stück weit kompensiert werden." Güterzuglokführer würden im Personenverkehr eingesetzt, und die bislang dort Beschäftigten bauten Mehrleistungsbestände ab. Darüber hinaus gebe es Kurzarbeit. "Der Markt insgesamt ist nicht so, dass Freistellungen drohen", sagt er. Im Personenverkehr habe sich durch die Krise nichts verändert.

Wegen des steigenden Wettbewerbsdrucks zielt die GDL auf den bundesweiten Tarifvertrag für das Fahrpersonal, unabhängig davon, ob es um Nah-, Fern- oder Güterverkehr geht. Das hält Weselsky auch der Transnet entgegen, die einen Branchentarifvertrag für den Regionalverkehr will, allerdings nicht nur auf das Fahrpersonal begrenzt. Der Unterschied ist, dass im Regionalverkehr, der von der öffentlichen Hand bestellt wird, mit Ausschreibungen Leistungen vergeben werden, im Fernverkehr bislang kein nennenswerter Wettbewerb stattfindet und im Güterverkehr pure Marktwirtschaft herrscht.

Die GDL sieht sich für die bevorstehenden Auseinandersetzungen mit einem hohen Organisationsgrad gewappnet. Er liegt Weselsky zufolge bundesweit bei 75 Prozent, im DB-Konzern bei 80 Prozent - jedenfalls was die Lokführer angeht. "Wir sehen uns als Lokomotive unter den Gewerkschaften." Der Mitgliederstand hat sich nominell seit den großen Arbeitskämpfen vor knapp zwei Jahren kaum erhöht. Weselsky nennt weiter eine Zahl von 34.000 organisierten GDL-Mitgliedern. "Wir haben allerdings intern einen Gesundungsprozess hinter uns", sagt er. Das Verhältnis aktiver zu inaktiven, meist pensionierten Mitgliedern betrage 70:30. Damit steht die GDL besser da als die Konkurrenz. Was sie erstreiken will, "sind nicht unsere Forderungen. Die Kolleginnen und Kollegen stehen voll dahinter. Das sind ihre eigenen Forderungen", sagt Weselsky, der auch CDU-Mitglied ist.

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