Neuer Gewerkschaftschef Claus Weselsky:"Die GDL hat kein ramponiertes Image"

Claus Weselsky, neuer Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, über seine Kampfansage an Bahnchef Hartmut Mehdorn, warum die Teilprivatisierung des letzten deutschen Staatskonzerns Arbeitsplätze gefährdet, was Großgewerkschaften falsch machen - und warum Amtsvorgänger Manfred Schell sein Vorbild ist.

Melanie Ahlemeier

Claus Weselsky, 49, führt seit Dienstag die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) an. Er übernimmt das Amt von Manfred Schell, der seit Mai 1989 an der Spitze der Lokführer-Gewerkschaft stand. Die GDL ist neben Transnet und GDBA die dritte bei der Deutschen Bahn organisierte Gewerkschaft.

Neuer Gewerkschaftschef Claus Weselsky: Der gebürtige Dresdner Claus Weselsky ist neuer Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer.

Der gebürtige Dresdner Claus Weselsky ist neuer Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer.

(Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Herr Weselsky, herzlichen Glückwunsch zum GDL-Chefposten!

Claus Weselsky: Vielen Dank.

sueddeutsche.de: Als bisheriger stellvertretender Vorsitzender kennen Sie die GDL in- und auswendig. Welche Aufgaben wollen Sie in Ihrer neuen Funktion zuerst angehen?

Weselsky: Die vor uns liegende Zeit wird nicht nur rosig. Mit der Teilprivatisierung der Deutschen Bahn bis zum Herbst steht die erste große Aufgabe bereits vor der Tür, denn unsere Lokführer sind in den drei betroffenen Transportgesellschaften (Anm. d. Red.: Nah-, Fern- und Güterverkehr) integriert.

sueddeutsche.de: Die Beziehung zwischen Ihrem Amtsvorgänger Manfred Schell und Bahnchef Hartmut Mehdorn war von gegenseitiger Missachtung geprägt. Haben Sie schon einen Termin für Ihren Antrittsbesuch beim Konzernchef ausgemacht?

Weselsky: (lacht) Ja, aber das was Sie zum Thema Mehdorn/Schell sagen, kann ich nicht bestätigen. Ich war bei den Verhandlungen dabei. Hier sind zwei Charaktere aufeinandergetroffen, die eine gegensätzliche Interessenlage haben. Beide haben versucht, das für sich zu entscheiden. Da hat die GDL die besseren Karten gehabt. Aber es gab keine ausgewiesene Männerfeindschaft zwischen den beiden Herren.

sueddeutsche.de: Also machen Sie da weiter, wo Manfred Schell aufgehört hat?

Weselsky: Richtig. Ich setze genau an der Stelle an und werde mit Herrn Mehdorn eine vernünftige Zusammenarbeit pflegen.

sueddeutsche.de: Macht Ihnen der Einstieg privater Investoren beim letzten deutschen Staatskonzern Angst?

Weselsky: Wenn private Investoren einsteigen, wird der Renditedruck größer. Der Abbau von Arbeitsplätzen könnte durchaus zum Problem werden. Ich möchte kein Horrorszenario an die Wand malen, es kann auch sein, dass es ganz vernünftig abläuft. Aber private Investoren wollen natürlich das eingesetzte Kapital verzinst und mit Dividende zurückhaben.

sueddeutsche.de: Wie sieht ein von der GDL akzeptierter Bahn-Investor aus? Darf es auch ein auf Rendite getrimmter Hedgefonds sein?

Weselsky: Es ist nicht unsere Aufgabe, Einfluss auf Investoren zu nehmen. Eine Alternative sehe ich aber in der Mitarbeiterbeteiligung. Die eigenen Beschäftigten würden motiviert und am Gewinn beteiligt. Das ist auch eine Möglichkeit, den Beschäftigten etwas zukommen zu lassen.

Lesen Sie im zweiten Teil, was Claus Weselsky von seinem Vorgänger Manfred Schell lernen kann.

"Die GDL hat kein ramponiertes Image"

sueddeutsche.de: Das Vorhaben, Mitarbeiter an Unternehmen zu beteiligen, ist politisch gerade sehr modern. Hat die Bahn der GDL schon angedeutet, dass der Konzern da mitmachen würde?

Neuer Gewerkschaftschef Claus Weselsky: Bahnstreik in Stuttgart im Oktober 2007: Wann, bitte, fährt die nächste Bahn?

Bahnstreik in Stuttgart im Oktober 2007: Wann, bitte, fährt die nächste Bahn?

(Foto: Foto: AP)

Weselsky: Momentan noch nicht, aber die nächste Tarifrunde steht im Januar 2009 an. Dann wird das sicherlich debattiert.

sueddeutsche.de: Die vergangene Tarifrunde hat die GDL mit einem zweistelligen Lohnaufschlag und nach zehn Monaten Streit gewonnen - Motivation und Ansporn für die nächste Tarifrunde?

Weselsky: Wir haben gezeigt, dass die Mitglieder hinter der Organisation stehen und dass unsere berechtigten Interessen auch bedient werden müssen. Nachdem nun alle Welt verstanden hat, dass man die GDL nicht ignorieren kann, gehe ich davon aus, dass die nächste Tarifrunde eher unspektakulär ablaufen wird.

sueddeutsche.de: Was haben Sie dabei von Ihrem Amtsvorgänger lernen können?

Weselsky: Eines voran: Schell ist Vorbild für mich. Er hat die GDL massiv geprägt und nach vorne gebracht. Er hat diese 141 Jahre alte Organisation in einen Tarifzustand gebracht, der besser nicht sein kann. Was er mir mit auf den Weg gibt, ist eine ziemlich schwere Bürde: Schell war 25 Jahre lang im geschäftsführenden Vorstand. Diese erfolgreiche GDL-Story muss ich nun fortsetzen. Das wird nicht einfach.

sueddeutsche.de: Als Job-Bewerber gilt es, mit persönlichen Eigenschaften zu punkten. Sie sind zwar bereits gewählt, dennoch: Welche drei Charakterstärken bringen Sie für das neue Amt mit?

Weselsky: Das ist zum einen meine konsequente und standhafte Vertretung der Mitgliederinteressen. Außerdem pflege ich eine hohe Ehrlichkeit gegenüber den GDL-Mitgliedern. Drittens: Gesundes Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen.

sueddeutsche.de: Ein Problem plagt alle Gewerkschaften: Mitgliederschwund. Bei der GDL sieht es anders aus, sie hat gerade in Zeiten des Streiks etliche neue Mitglieder hinzugewonnen. War die Kopfprämie, die angeblich gezahlt wurde, so hoch? Und was machen alle anderen Gewerkschaften falsch?

Weselsky: Die GDL hat seit 1982 eine gleichbleibende Mitgliederzahl gehabt - trotz eines unheimlichen Personalabbaus bei der Bahn. Während des Tarifkonflikts ist die Mitgliederzahl gestiegen.

Wir hatten diesen Tarifkonflikt, weil unsere Leute schlecht bezahlt wurden und schlechte Arbeitszeiten hatten. Wir haben uns öffentlich bekannt, diesen Zustand zu verbessern - da war es logisch, dass auch neue Mitglieder zur GDL gekommen sind. In der Gewerkschaftsbewegung selbst sehe ich den größten Fehler darin, Hunderte Berufe in einer Großgewerkschaft abbilden zu wollen.

sueddeutsche.de: Aber was ist dran am Vorwurf, die GDL habe für ehemalige Transnet- und GDBA-Mitglieder Kopfprämien gezahlt?

Weselsky: Das ist kolportiert worden, das ist keinesfalls der Fall gewesen. Das haben wir gar nicht nötig. In der Phase sind uns die Mitglieder zugelaufen.

sueddeutsche.de: Gibt es den Mitgliederzustrom heute auch noch oder hat der sich wieder auf "normal" eingependelt?

Weselsky: Der große Zustrom ist momentan nicht mehr zu verzeichnen.

Lesen Sie im dritten Teil, was Claus Weselsky von einem Zusammenschluss der drei Bahn-Gewerkschaften hält.

"Die GDL hat kein ramponiertes Image"

sueddeutsche.de: Von einem Tarifabschluss in Höhe von elf Prozent können andere Gewerkschaften nur träumen, gleichwohl musste sich die GDL auch Gewerkschaftskritik anhören: Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, hat der GDL "Organisationsegoismus" vorgeworfen. Wie wollen Sie als neuer GDL-Vorsitzender das ramponierte Image wieder korrigieren?

Weselsky: Ich glaube nicht, dass wir ein ramponiertes Image haben. Wenn Großgewerkschaften auch nach Ende des Tarifkonflikts noch nachtreten, hat das Ursachen: Die Herrschaften wollen ihre eigene Unfähigkeit überdecken. Ihr Mitgliederschwund und ein Organisationsgrad in der Republik von unter 25 Prozent ist doch ganz klar Ausdruck dafür, dass sie Fehler gemacht haben.

Es ist erstaunlich und eigentlich traurig: Ausgerechnet die Gewerkschaften, die einen niedrigen Organisationsgrad haben, kritisieren die, die 80 Prozent aller Lokomotivführer vertreten und damit auch die entsprechende Schlagkraft gegenüber dem Arbeitgeber haben. An der Politik der GDL wird sich nichts ändern. Meine Botschaft an die Großgewerkschaften lautet: Bitte macht eure Hausaufgaben, organisiert Mitglieder, habt eine bessere Organisationsstärke - dann seid ihr auch wieder stark gegenüber den Arbeitgebern!

sueddeutsche.de: Ist es der pure Neid der anderen Gewerkschaften, weil die GDL in Zeiten des Streiks Mitglieder besser mobilisieren konnte?

Weselsky: Ich denke, es ist die Angst, dass sich die bisherige Entwicklung fortsetzt. Großgewerkschaften können nicht alle Mitglieder spezifisch bedienen. Interessengruppen scheren aus, neue Gewerkschaften werden gegründet.

sueddeutsche.de: Warum braucht's im Jahr 2008 mit GDL, GDBA und Transnet überhaupt noch drei Gewerkschaften bei der Bahn? Warum gibt es keinen Zusammenschluss zu einer größeren und damit schlagkräftigeren Truppe?

Weselsky: Die drei Bahn-Gewerkschaften existieren seit mehreren Jahrzehnten nebeneinander. Richtig ist, dass man zwar grundsätzlich mit einer vereinten Eisenbahnergewerkschaft eine gute Politik machen und Stärke zum Ausdruck bringen könnte. Allerdings stimmt die Interessenlage nicht überein. Die GDL vertritt nicht nur bei der Privatisierung eine andere Auffassung. Auch gibt es bei der Bahn fast 100 Beschäftigtengruppen. Deren Interessen alle übereinanderzubringen, ist nicht einfach, benötigt viel Geschick und letztendlich eine andere Herangehensweise als das momentan in der Transnet der Fall ist. Aus dem Grunde sehe ich zwischen den drei Bahngewerkschaften keine Vereinigungsprozesse.

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