Galeria Karstadt Kaufhof:Ein schwarzer Tag

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Der Warenhauskonzern will ein Drittel aller Filialen schließen und 7500 Mitarbeiter entlassen. Falls die Mieten nicht gesenkt werden, könnte es noch schlimmer kommen.

Von Michael Kläsgen, München

Beim Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof kommt es zu einem Kahlschlag: Geschäftsführung und Arbeitnehmervertreter haben sich auf einen Sozialplan geeinigt. Danach werden zunächst mindestens 62 Filialen von Kaufhof und Karstadt geschlossen, 110 bleiben bestehen. Zusätzlich zu den Warenhausfilialen sollen etwa 20 Standorte von Karstadt Sports und 25 Reisebüros schließen. Insgesamt werden bis zu 6000 Vollzeitstellen abgebaut, das betrifft etwa 7500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen gekündigt wird. Für sie soll für die Dauer von sechs Monaten eine Transfergesellschaft gegründet werden. Es bleiben Unternehmensangaben zufolge etwa 25 000 Mitarbeiter beim Warenhaus beschäftigt.

Für sie sollen die Bedingungen des Ende 2019 geschlossenen Tarifvertrages gelten. Seine Gültigkeit war mit der Einleitung eines Schutzschirmverfahrens in Eigenverwaltung Anfang April aufgehoben worden. Auf den Sanierungsplan haben sich Sachwalter Frank Kebekus und der Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz mit der Gewerkschaft Verdi und dem Gesamtbetriebsrat geeinigt. Die Einigung steht unter dem Vorbehalt, dass die verbleibenden Vermieter die Mieten senken.

Die Kaufhof-Filiale am Berliner Alexanderplatz bleibt. Andere Häuser in der Stadt schließen. (Foto: K. Bocsi/Bloomberg)

Die Höhe der Mietminderung hängt auch vom Geschäftserfolg der jeweiligen Filiale ab. Weigern sich Vermieter, sieht die Vereinbarung vor, dass noch weitere Filialen geschlossen werden. Am Montag soll der Insolvenzplan dem Gläubigerausschuss vorgelegt werden. Falls er nicht zustimmen sollte, müsste das Unternehmen in die reguläre Insolvenz. Die Gläubiger müssten dann damit rechnen, dass sich die Bedingungen weiter verschlechtern und die Insolvenzquote kleiner ausfällt.

Auf einer Betriebsversammlung am Freitag gab die Geschäftsführung bekannt, dass zum 1. Juli das Insolvenzverfahren eröffnet werden soll. Dann endet das dreimonatige Schutzschirmverfahren. Von den Bedingungen dieses Verfahrens soll auch der ehemalige Konzernchef Stefan Fanderl negativ betroffen sein. Seinen Abgang gab das Unternehmen vergangene Woche überraschend bekannt. Er werde wegen des Schutzschirmverfahrens keine Abfindung erhalten, hieß es.

Zudem wird die Abteilung Einkauf Sport in Essen dichtgemacht und im März 2021 an Sportscheck übergeben. Ebenso wird der Zentralbereich Reisen am Standort Essen ausgegliedert. Die Finanzbuchhaltung in Köln-Porz wird aufgelöst. Der Gesamtbetriebsrat sprach von dem "schwärzesten Tag für uns alle". Auch die Geschäftsführung sagte, die Sanierung habe "eine Dimension, die noch nicht erlebt wurde". Geiwitz erklärte: "Letztlich geht es darum, das Unternehmen und damit viele Tausend Arbeitsplätze zu sichern." Verdi hofft unterdessen, die Zahl der Schließungen noch weiter senken zu können. "Wir werden mit aller Kraft für den Erhalt der Standorte und die Zukunft der Beschäftigten kämpfen. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen", sagte das Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Hier sei die Politik gefragt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) forderte die Geschäftsführung auf, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten.

Benko verkaufte kurz zuvor 17 Immobilien

In den Verhandlungen hatten Kebekus und Geiwitz zunächst mit der Schließung von 80 Filialen und einem Abbau von zusätzlich zehn Prozent des Personals gedroht. Die Gewerkschaft Verdi nimmt für sich in Anspruch, das Management habe in den seit Montag laufenden Verhandlungen den Abbau von zusätzlichen zehn Prozent der Stellen vom Tisch genommen.

Eine weitere Voraussetzung für eine endgültige Einigung ist die Zustimmung des Gesellschafters. Galeria Karstadt Kaufhof gehört ebenso wie einige der Warenhaus-Immobilien der Signa-Holding des österreichischen Immobilien-Investors René Benko. Seine Einwilligung gilt aber als Formsache, er hatte Kebekus vorgeschlagen und Geiwitz eingesetzt. Arbeitnehmer hatten immer wieder kritisiert, bei Galeria werde nur gespart, es fehle ein schlüssiges Konzept. Benkos Interesse gelte ausschließlich den Immobilien. Ein Paket mit 17 Immobilien hatte Signa kurz vor Eröffnung des Schutzschirmverfahrens an einen Finanzinvestor weitergegeben.

Galeria Karstadt Kaufhof war bereits vor Corona in Schwierigkeiten, geriet aber durch die Pandemie in finanzielle Not. Die Geschäftsführung rechnet aufgrund des Konjunkturabschwungs bis Ende 2022 mit Umsatzeinbußen von bis zu 1,4 Milliarden Euro. Die Schließungen von gleich mehreren Filialen in einigen Großstädten wie Berlin, München oder Hamburg lösten bei vielen Kommunen Besorgnis aus. Norbert Portz vom Deutschen Städte- und Gemeindebund warnte schon bei Bekanntwerden der ersten Schließungspläne im Mai vor der Gefahr einer Verödung vieler Innenstädte. "Galeria Karstadt Kaufhof ist nicht irgendwer. Die Warenhäuser sind für viele Innenstädte systemrelevant", sagte er. Voraussichtlich werden die Filialschließungen Folgen über das Unternehmen hinaus haben. Es könnten Tausende Arbeitsplätze bei anderen Einzelhändlern und Zulieferern bedroht sein.

© SZ vom 20.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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