G-8-Gipfel in L'Aquila:Klub der Kolonialisten

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Staaten wie China und Indien haben beim G-8-Gipfel keinen Platz. Der Westen wird noch bereuen, dass er den Rest der Welt ignoriert.

A. Hagelüken

Weltwirtschaftsgipfel, das war der Titel, den Valéry Giscard d'Estaing und Helmut Schmidt 1975 ersannen. Der französische Präsident und der Bundeskanzler verbanden damit den Anspruch, dass bei den jährlichen Treffen die mächtigsten Wirtschaftsführer des Erdballs beraten. 1975 waren das tatsächlich noch lauter Westeuropäer und Nordamerikaner. China, Indien oder Brasilien waren kommunistische Planwirtschaften oder arme Entwicklungsländer, die keine große Rolle für die Weltwirtschaft spielten.

Es erscheint absurd, einen Gipfel der G-8-Staaten zu veranstalten und damit irgendeinen Anspruch auf globale Gestaltung zu verbinden.Im Bild: Demonstranten gegen G-8-Gipfel (Foto: Foto: Reuters)

Mehr als drei Dekaden später hat sich die Situation völlig verändert. Heute erscheint es absurd, dieser Tage in L'Aquila einen Gipfel der G-8-Staaten zu veranstalten und damit irgendeinen Anspruch auf globale Gestaltung zu verbinden. Feste Mitglieder der Runde sind Italien und Kanada, aber nicht China, dessen Wirtschaft eineinhalb bis zwei Mal so groß ist.

Keinen Platz finden auch Brasilien und Indien, die ökonomisch zum Westen aufschließen und außerdem jeden fünften Erdbewohner stellen. Die G 8 wirken wie ein Club von Kolonialherren, die cocktailschwer unter Palmen palavern, während draußen die dunkelhäutigen Diener von einst den Aufstand ausrufen.

Nachdenkliche Mitglieder der Traditionsrunde wie Angela Merkel erkennen, dass es so westzentriert nicht mehr geht. Die Bundeskanzlerin deutet an, dass sie die größere G-20-Runde als neues globales Gremium etablieren möchte. Das Problem ist, dass Westeuropäer und Nordamerikaner anders reden, als sie handeln. Sie bremsen überall, wo eine stärkere Beteiligung Chinas und der anderen neuen Mächte gefordert wäre: Beim Internationalen Währungsfonds IWF ebenso wie bei der Weltbank oder den Vereinten Nationen. Das Festhalten an den G-8-Treffen wirkt da nur wie ein weiteres Zucken des Kolonialistenclubs.

Doch selbst wer sich noch so eisern in der Vergangenheit einrichtet, vermag nicht zu ändern, dass sich globale Probleme nur global lösen lassen. Ein westlicher Kampf gegen Steueroasen ist sinnfrei, solange China einen sicheren Hafen für Fluchtkapital bietet. Den aufkeimenden Protektionismus können die größten Handelsnationen nur gemeinsam stoppen. Und damit teure Konjunkturprogramme wirken, müssen sie wegen der heutigen Verflechtung der Volkswirtschaften koordiniert werden.

Die neueste IWF-Prognose zeigt, dass sich die Gewichte der Welt weiter verschieben. In China und Indien wächst die Wirtschaft dieses Jahr trotz Krise ordentlich und nächstes Jahr rasant. Der Westen dagegen erholt sich nur langsam. Speziell Deutschland kann froh sein, wenn das Minus 2010 klein ausfällt - und das hängt davon ab, dass die Asiaten wirklich rasch den Weg aus dem Tal finden, das für sie nur eine Delle ist. Die exportabhängige deutsche Wirtschaft ist besonders darauf angewiesen, dass der weltweite Handel wieder in Schwung kommt. Einschränkungen ausländischer Firmen treffen die Deutschen stark - weshalb sie daran interessiert sein sollten, dass ein wahrhaft globales Staatengremium entsteht, das solche Fragen klärt.

Durch das Festhalten am Status quo signalisieren die Deutschen und andere Westler den neuen Boomstaaten aber ganz etwas anderes: Dass sie die Machtverteilung in internationalen Organisationen belassen wollen. Das werden sich Chinesen oder Inder kaum gefallen lassen. Sie haben jahrtausendealte Kulturen, die jahrzehntelange Arroganz des ökonomisch früher so dominanten Westens hat bei ihnen Wut aufgestaut. Wer sich beleidigt fühlt, bockt - oder er baut parallele Strukturen zu den etablierten Organisationen auf. Beides kann nicht im Interesse des Westens sein.

Als das weltweite Finanzsystem nach der Lehman-Pleite bedroht war, haben Westeuropäer und Nordamerikaner einmal gezeigt, wie es geht. Die Reform der Finanzmärkte zwischen den G-20-Staaten zu verhandeln, war der richtige Entschluss. Diese Entscheidung aus der Not sollte der Maßstab sein, nach der eine globale Wirtschaftsführung künftig gestaltet wird. Wenn der Westen die Ansprüche der neuen Boomstaatendagegen weiter ignoriert, wird er es noch bitter bereuen.

© SZ vom 09.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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