Fujitsu Siemens:Von der Familie verstoßen

Lesezeit: 2 min

Siemens trennt sich von Europas größtem Computerhersteller Fujitsu. In den deutschen Werken wächst unterdessen die Sorge um die Arbeitsplätze.

Markus Balser

Im Grunde hat Rudi Lamprecht im Siemens-Konzern nicht mehr viel zu tun. Nach der Korruptionsaffäre musste das frühere Vorstandsmitglied Ende 2007 die Konzernspitze verlassen und arbeitet seither nur noch als Berater für das Milliardenunternehmen.

In der Produktionsstätte von Fujitsu Siemens in Sömmerda bangen die Mitarbeiter um ihre Jobs. (Foto: Foto: dpa)

In den vergangenen Wochen aber wurde es für den 59-Jährigen allerdings nochmal richtig hektisch. Denn Siemens schickte den erfahrenen Verkäufer auf eine heikle Mission. In Japan sollte er den Ausstieg des Konzerns aus dem Computerbauer Fujitsu Siemens vorantreiben.

Offenbar war Lamprecht, der schon den Verkauf des Handy-Geschäfts an BenQ einfädelte, erfolgreich. Denn nach eifriger Pendeldiplomatie der vergangenen Wochen zwischen München und Tokio sickerte am Wochenende aus dem Konzern durch, der Verkauf des Siemens-Anteils an Fujitsu sei perfekt.

Sorge um Jobs wächst

Der japanische Konzern werde die 50-Prozent-Anteile von Siemens an dem Gemeinschaftsunternehmen vollständig übernehmen und den Konzern zur eigenen Tochter machen. Auch der Kaufpreis steht offenbar schon fest: 400 bis 500 Millionen Euro müssen die Japaner nach Angaben aus Konzernkreisen zahlen.

Bereits in dieser Woche wollen die Unternehmen das Millionengeschäft bekanntgeben. An den deutschen Standorten von Fujitsu Siemens in Augsburg in Bayern und Sömmerda in Thüringen wächst damit die Sorge um Jobs.

10.500 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen insgesamt, gut 6000 davon in Deutschland. "Die Unsicherheit unter den Kollegen ist groß", sagt Betriebsratschef Paul Riegg der Süddeutschen Zeitung. Denn ein asiatischer Käufer, befürchten FSC-Manager, werde angesichts des hohen Preisdrucks in der Computerbranche als erstes die großen deutschen Standorte unter die Lupe nehmen.

Gravierende Einschnitte dürfte der Verkauf für das amtierende Management haben. FSC-Chef Bernd Bischoff stehe vor der Ablösung, heißt es bei Siemens. Seinen Posten solle Finanzchef Kai Flore übernehmen. Unklar ist, ob Fujitsu nach der Übernahme neben dem Industriegeschäft mit Servern auch am Geschäft mit PCs und Notebooks für Privatkunden festhält.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso mit dem Ausstieg ein wichtiges Kapitel deutscher Industriegeschichte besiegelt würde.

Verhandlungen noch nicht bestätigt

Fujitsu könnte sich nach einer vollständigen Akquisition nur noch auf den Vertrieb von Computern für Geschäftskunden beschränken. Das Unternehmen wolle das Geschäft mit Privatkunden, das bislang rund 20 Prozent des Umsatzes ausmacht, weiterverkaufen, heißt es. Als Käufer sei der chinesische Rivale Lenovo im Gespräch, der bereits das PC-Geschäft von IBM übernommen hatte. In den Kreisen hieß es, bei den Gespräche mit Lenovo gehe es im Moment um Personaleinsparungen.

Mit dem Ausstieg würde Siemens ein wichtiges Kapital deutscher Industriegeschichte besiegeln. FSC ist der letzte bedeutende Computerhersteller des Landes. Erst im Sommer hatte es Maxdata erwischt, der Produzent aus Marl musste Insolvenz anmelden. Fujitsu Siemens war aus dem traditionsreichen Unternehmen Nixdorf entstanden, das 1990 von Siemens übernommen wurde. Wenige Jahre später suchte Siemens einen Partner, weil das Geschäft stockte und verbündete sich 1999 mit Fujitsu.

Doch auch der neue Konzern Fujitsu Siemens kämpfte von Anfang an mit Problemen. Das Unternehmen habe einen Geburtsfehler, kritisierte selbst das FSC-Management: Es darf nur in Europa, im Nahen Osten und in Afrika verkaufen. In Asien und Nordamerika, wo die Geschäfte zuletzt gut liefen, übernimmt dies die Mutter Fujitsu. Die Münchner erreichten nie die nötige kritische Größe, um mit den aufstrebenden Konkurrenten aus Fernost mitzuhalten.

Der Technologiekonzern Siemens, der Verhandlungen bisher nicht bestätigt hat, äußerte sich am Sonntag nicht zu den Angaben. Der Aufsichtsrat hatte dem Management jedoch nach SZ-Informationen bereits vor einigen Wochen grünes Licht für einen Verkauf der Anteils am Gemeinschaftsunternehmen gegeben. Vorstandschef Peter Löscher hat öffentlich erklärt, dass er mit den Renditen von FSC nicht zufrieden sei, und damit FSC-Chef Bernd Bischoff brüskiert.

© SZ vom 03.11.2008/ld/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: