Siemens:Bedrohliche Nähe

Neue Details der AUB-Affäre bringen den deutschen Siemens-Personalchef in Bedrängnis. Aufsichtsräte sind alarmiert, doch der Konzern kann kein Problem erkennen.

U. Ritzer und M. Balser

In Zusammenhang mit der AUB-Affäre gerät der amtierende Siemens-Personalchef in Deutschland, Walter Huber, zunehmend in Bedrängnis. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat der enge Mitarbeiter des Zentralvorstands Siegfried Russwurm mehr Beschäftigten des Konzerns den Übergang zur AUB schmackhaft gemacht und erleichtert als bislang bekannt. Allein am 12. April 2001 stellte Huber als damaliger Leiter der Abteilung Corporate Personal Germany fünf Siemensianern auf fünf Jahre befristete Rückkehrzusagen aus. Bisher waren erst zwei dieser Rückfahrkarten bekannt.

Die betroffenen Mitarbeiter wechselten allesamt zur AUB oder in eine der Firmen des momentan in Nürnberg wegen Beihilfe zu Untreue und Betrug angeklagten AUB-Chefs Wilhelm Schelsky. Vor Gericht gab eine Zeugin an, Huber habe sie regelrecht überredet, zur AUB zu wechseln, habe den Kontakt zu Schelsky hergestellt und sogar dabeigesessen, als sie und der AUB-Chef die Modalitäten ihres künftigen Arbeitsvertrages ausgehandelt haben. "Rückkehrzusagen sind nichts ungewöhnliches, wenn Mitarbeiter das Unternehmen verlassen", sagte ein Siemens-Sprecher. "Herr Huber hat Wiedereinstellungszusagen für Mitarbeiter aus unterschiedlichen Abteilungen und Funktionen mitunterschrieben. Wiedereinstellungszusagen gibt das Unternehmen, wenn aufgrund der Qualifikation ein besonderes Interesse an einer weiteren Beschäftigung besteht", erklärte der Sprecher weiter.

Im Falle Huber könnten sie jedoch ein Problem für den Manager werden. Denn der Konzern wollte damals erklärtermaßen die AUB als arbeitgeberfreundliches Gegengewicht zur IG Metall stärken. Einige derer, die von Huber die Rückfahrkarten ausgestellt erhielten, arbeiteten bereits zuvor jahrelang heimlich ausschließlich für die AUB, obwohl sie noch bei Siemens angestellt und vom Unternehmen bezahlt wurden. Eine Zeugin sagte in Nürnberg aus, bei ihr sei das sieben Jahre lang so gegangen. Die Rückkehrzusagen mit Hubers Unterschrift wurden zudem garniert mit großzügigen Regelungen. So wurde zumindest einigen der Betroffenen weiterhin Belegschaftsaktien, Anwartschaften auf Firmenpensionen und Jubiläumsprämien bei 25- oder 40-jähriger Firmenzugehörigkeit gewährt. Ob Huber davon gewusst hat und mit seinen damaligen Aktivitäten bewusst die AUB stärken wollte, ist bislang nicht bekannt.

Es hat ihn ja auch noch niemand richtig gefragt. Nur ein einziges Mal wurde der Manager nach SZ-Informationen zum AUB-Fall von Ermittlern befragt, nämlich am 27. März 2007 in München. Und auch das nur oberflächlich. Ganze 35 Minuten dauerte die Zeugenvernehmung, über die es nur ein augenscheinlich fahrig dahingeschriebenes, handschriftliches Protokoll gibt. Vernommen wurde Huber damals nicht von einem Mitglied der auf das AUB-Thema spezialisierten Nürnberger Sonderkommission "Amigo", sondern von einem Steuerfahnder und zwei Kriminalbeamten aus München, die in die Ermittlungen des komplexen AUB-Falles sonst nicht weiter involviert waren. In dieser Aussage war nur von einer Rückkehrzusage die Rede; tatsächlich waren es mindestens acht.

Pikante Verbindung

Huber bestreitet, von der jahrelangen verdeckten AUB-Finanzierung durch Siemens im Detail gewusst zu haben. Ob dem tatsächlich so war, will das Nürnberger Landgericht nicht hinterfragen. Der Vorsitzende Richter im laufenden Schelsky-Feldmayer-Prozess, Richard Caspar, erklärte bereits, man wolle Huber nicht als Zeugen laden. Schelskys Verteidiger Jürgen Lubojanski kritisierte dies. Er vermutet, dass Huber zur Aufklärung der AUB-Affäre einen Beitrag leisten könnte. Dementsprechend erwägt der Anwalt, beim Gericht die Vernehmung Walter Hubers zu beantragen.

Auch im Siemens-Konzern waren Huber und die AUB bereits Gegenstand interner Untersuchungen. Im Sommer 2007 wies ein Insider in einem Rundschreiben an Aufsichtsräte auf pikante Verbindungen hin. Auf Gästelisten von Siemens-Kuren sollten sich mehrere Namen aktiver und ehemaliger AUB-Funktionäre befinden, die gar nicht bei Siemens gearbeitet haben - darunter der frühere Schelsky-Firmenpartner und Ex-AUB-Bundesvorstand Lothar Mahling.

"Die Genehmigung erteilte wohl Herr Huber", schrieb der Informant in seinem Brandbrief. Siemens bestätigte die Kurteilnahme des AUB-Funktionärs. Die Rechnung sei zeitnah bezahlt worden, teilte ein Sprecher mit. Weder Rechnung noch Zahlungseingang seien gefunden worden, heißt es dagegen in einem internen Vermerk. Ob Huber die ungewöhnliche Unterstützung von Arbeitnehmervertretern genehmigte, ließ der Konzern offen.

Huber sei bei seiner Ernennung zum Personalchef in Deutschland überprüft worden, teilte Siemens mit. Die Untersuchung habe keine Erkenntnisse für rechtliche Verfehlungen erbracht, und es seien seitdem keinerlei Erkenntnisse zu Tage getreten, die diese Deutung verändern würden. Teile des Aufsichtsrates bewerten die Rolle Hubers kritischer. "Ich schließe nicht aus, dass wir reagieren müssen", sagte ein Mitglied der Konzernspitze der SZ.

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