Jetzt ist sie also da, die Möglichkeit zur Mietpreisbremse. Und gestritten wird vor allem darum, ob das die Mieten wirklich bremsen kann. Dabei liegt, wie neue Forschungen vermuten lassen, das tiefere Übel des teuren Wohnens woanders: in den zunehmend irren Kaufpreisen, ob in München, Hamburg, Paris oder London. Und darin, dass es dafür ökonomisch keinen vernünftigen Grund gibt.
Nach einer aktuellen Studie von Moritz Schularick steckt dahinter ein globales Phänomen. Der Bonner Wirtschaftshistoriker wertete zusammen mit Kollegen die Entwicklung der Hauspreise für 14 Industrieländer seit 1870 aus. Erstaunlich: Bis in die Fünfzigerjahre stiegen die Hauspreise nicht stärker als die allgemeine Inflation, noch 1960 waren sie im Schnitt real nicht mehr wert als 1880. Obwohl es immer mehr Menschen gab. Dann setzte weltweit Monopoly ein, in Städten, wie auf dem Land: Seither hat sich der reale Wert von Häusern verdreifacht - bei nur mäßig höheren Baukosten. "Es sind allein die Bodenpreise, die explodiert sind", sagt Schularick.
Was die Ökonomen bei der Ursachensuche herausfanden, hat es in sich. Vor 1960 scheint der Preisdruck immer wieder gedämpft worden zu sein, weil es dank rasanter Entwicklung von Eisenbahnen, Autos und modernen Schiffen möglich (und stetig günstiger) wurde, mehr Land zu erschließen und verfügbar zu machen, etwa für Pendler. Das Angebot stieg mindestens so stark wie der Wohnbedarf. Damit war in den Sechzigern Schluss. Seither wurden die Schienennetze nicht mehr ausgebaut, kam keine neue Transportrevolution. Seitdem ist das Angebot an Bauland faktisch begrenzt (wer will sein Häusle schon in der Arktis haben?), mal abgesehen von der einen oder anderen Lückenschließung im Stadtbau.
Da ist es ökonomisch kein Wunder, dass die Häuserpreise davonlaufen. Dabei gilt allerdings auch, dass der Markt nicht richtig funktioniert. Normaler Weise müsste, wenn mehr nachgefragt wird, auch das Angebot steigen. Wenn das erdkundlich auf dieser Welt zunehmend schwierig ist, lassen sich Preise leicht hochtreiben. Ein Trend, der seit den Achtzigern via Finanzliberalisierung beschleunigt wurde, wie US-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz vermutet. Der neue Geldzauber ermöglichte, noch mehr auf Pump in Häuser zu investieren, mit den Werten zu spekulieren. Welcome, Bubble.
Das Ergebnis ist eine Art pathologische Hypo-Inflation, die jene reicher macht, die Boden besitzen - ohne dass sie oder ihr Land mehr leisten. De facto steigen die Hauspreise, weil andere produktiver werden, die Leistung im Rest der Wirtschaft wächst und mehr Geld da ist. Marktwirtschaftlich betrachtet, profitierten Hausbesitzer, ohne selbst zum Fortschritt beizutragen, so Schularick. Neue Schätzungen deuten darauf hin, dass dies sogar der Hauptgrund für das gestiegene Gefälle zwischen Reich und Arm ist. Wer einmal dabei ist, steigert über Nacht sein Vermögen.
Wer die Mieten bremsen will, kuriert nur an einem Symptom. Natürlich wollen Hauskäufer bei steigenden Preisen auch höhere Erträge. Das tiefere Problem sind die Bodenpreise. Die Lösung liegt dann darin, hier den Teuerungsirrsinn umzukehren, etwa durch höhere Steuern auf Grundbesitz, wie es Schularick und Stiglitz vorschwebt; so eine Art Monopoly-Bremse. Oder es zu erschweren, Häuser auf Kredit zu kaufen. Dann gäbe es auch keinen so hohen Druck mehr, die Mieter um Hilfe zu bitten. Und wir bräuchten womöglich gar keine Mietbremse mehr.
An dieser Stelle schreiben jeden Freitag Nikolaus Piper und Thomas Fricke im Wechsel.