Forschung:"Musk stellt einiges infrage"

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Prof. Dr. rer. nat. Hansjörg Dittus ist im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt - genauer: zuständig für den Bereich Raumfahrtforschung und -technologieInstitutsleiter (Archivbild) (Foto: picture-alliance/ dpa)

Hansjörg Dittus vom Zentrum für Luft- und Raumfahrt sieht die Initiative von Space-X positiv.

Interview von Hans von der Hagen

Hansjörg Dittus ist im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zuständig für den Bereich Raumfahrtforschung.

SZ: Elon Musk hat die Autoindustrie aufgemischt. Erschüttert er auch die Raumfahrt?

Hansjörg Dittus: Und wie! Er stellt einiges infrage, was jahrelang als nicht umsetzbar galt.

Zum Beispiel?

Als vor ein paar Jahren die Diskussion um die Wiederverwendbarkeit von Trägerraketen, zumindest ihrer Unterstufen, erneut aufkam. Damals war es gängige Meinung, dass sich das erst lohnen würde, wenn Raketenstufen 50 Mal eingesetzt würden. Jetzt macht Musk vor, dass es sich schon dann rechnen kann, wenn eine Stufe zwei bis drei Mal wiederverwendet wird. Die eigentliche Leistung von Sapce X ist es aber, dass es gelungen ist, eine komplette Raketenunterstufe zum ersten Mal überhaupt wieder zur Erde zurück zu bringen.

Wäre es nicht besser, wenn eine Stufe gleich 50 Mal eingesetzt werden könnte?

Nicht zwingend. Denn dafür müsste man Stufen in einer ganz anderen Qualität bauen. Das geht mit Wasserstofftriebwerken, wie sie derzeit in Europa gebaut werden, nicht. Je nach Treibstoffart leidet das Material beim Start enorm. Musk verwendet relativ alte Triebwerke auf Kerosinbasis. Sie können trotzdem mehrmals genutzt werden. Damit macht er vor: Wiederverwendbarkeit ist einfacher, als man denkt.

Er verspricht immer ziemlich viel ...

... und ändert seine Pläne rasch. Trotzdem überrascht er uns oft. Er ist wirkungsvoll und hält seine Versprechen am Ende ein. Nur eben nie ganz so, wie er sie angekündigt hat. Und schon gar nicht in der prognostizierten Zeit. Das wird gern genutzt, um Zweckpessimismus zu verbreiten. Doch das ist eher ein Ausdruck von Unsicherheit. Das kann man ja verstehen: Setzt Musk sich durch, müsste die Konzeption von großen Trägerraketen komplett überdacht werden.

Was können die Europäer Musk entgegensetzen?

Geballte Forschungs- und Entwicklungsleistung. In Europa wird zurzeit die neue Großrakete Ariane 6 entwickelt. Aber so, wie die konzipiert wurde, ist schon jetzt klar: Sie lässt sich nicht wiederverwenden. Man kann sie eben nicht einfach umbauen. Die Industrie hatte uns ursprünglich erzählt, dass sie mit der Ariane 6 in rentable Bereiche vorstoße - sofern jetzt mal die steuerfinanzierten Entwicklungskosten von vier Milliarden Euro außer Betracht bleiben. Ob die Industrie, die eine führende Rolle bei der Entwicklung haben wollte, das angesichts der Fortschritte von Musk einhalten kann, wird sie noch beweisen müssen. Er bietet ähnliche Leistungen gegenwärtig sehr günstig an.

Können die Ariane -Raketen und die Falcon -Raketen von Musk für die gleichen Aufgaben eingesetzt werden?

Nicht ganz. Musk hat von Anfang an auch die bemannte Raumfahrt mitgedacht. Das haben die Europäer nicht gemacht. Die Ariane soll Satelliten primär in die geostationäre Umlaufbahn bringen. Geostationär bedeutet, dass sich die Satelliten in 36 000 Kilometern Höhe mit der Erde drehen, also ihre Position relativ zur Erdoberfläche nicht verändern. Darauf ist die Ariane spezialisiert und jahrelang war das auch ein relativ stabiles Geschäft. Für diese Aufgabe hat die Ariane 5 und auch die künftige Ariane 6 eine viel größer Nutzlastkapazität als die Falcon 9. Vielleicht war es ein Fehler, dass sich Europa mit seinen Raketen nur auf diesen Bereich konzentriert hat.

Warum?

Weil sich dieser Markt in den vergangenen zwei Jahren zurückentwickelt hat, was so nicht vorhersehbar war. Jetzt kommen andere Kunden wie etwa Oneweb, die viele kleine Satelliten in geringerer Höhe aussetzen möchten. Doch dafür ist die Ariane nicht richtig geeignet und viel zu teuer.

Nun will Musk eine Falcon Heavy in Richtung Mars schicken. Warum muss eine Rakete für einen solchen Flug so groß sein?

Weil sie eine Transportkapsel auf eine viel höhere Geschwindigkeit beschleunigen muss, damit diese das Schwerefeld der Erde verlassen kann. Und je größer die Anfangsgeschwindigkeit ist, umso schneller ist man beim Mars.

Musk will bald auf dem Mars eine Siedlung errichten. Ist die Menschheit schon so weit?

Es ist weniger eine Frage des Könnens als des Geldes. In Europa geben wir heute für die bemannte Raumfahrt etwa 600 Millionen Euro im Jahr aus, um uns mit rund acht Prozent an den Kosten der Internationalen Raumstation ISS und an den weltweiten Bemühungen zur Exploration zu beteiligen. Wollten wir uns an einer Station auf dem Mond beteiligen, ähnlich wie jetzt in der Antarktis, bräuchten wir mindestens fünf Mal so viel Geld, also drei Milliarden Euro jährlich. Für eine bemannte Station auf dem Mars das 20-Fache. Ich gehe davon aus, dass wir in 30 bis 40 Jahren vielleicht eine internationale Station auf dem Mond haben. Aber des Geldes bedarf es noch.

© SZ vom 01.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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