Foodwatch stellt neue Studie vor:Profit auf Kosten der Kinder

Lesezeit: 4 min

Die Lebensmittelindustrie dreht den Kindern gerade jene Produkte an, die sie dick machen, zeigt ein neuer Report von Foodwatch. Die Werbebudgets dafür sind millionenschwer. Doch statt dagegen vorzugehen, belässt es Ernährungsministerin Aigner bei Appellen an die Eltern.

Thorsten Denkler, Berlin

Die Müsli-Abteilung in einem Berliner Supermarkt. Hier stehen sie, die Dickmacher der Nation. Frühstücksflocken, die mehr Zucker als Hafer enthalten. Mit Farbstoffen vollgepumpte, klebrig-süße Maisringe. Ein Regal weiter: die Softdrinks, Zuckerwasser mit Farbstoffen und Aromen. Und dann die Süßwarenabteilung - umfangreicher meist als das komplette Obst- und Gemüse-Angebot. Die Packungen alle schreiend bunt. Schon auf den ersten Blick ist klar, wer hier die wichtigste Zielgruppe ist: Kinder und Jugendliche.

Foodwatch: Fast alle Kinder-Lebensmittel ungesund

Kinder-Lebensmittel unter der Lupe.

(Foto: dapd)

Wer Augen hat, kann dies sehen. Für alle anderen haben die Ernährungsaktivisten von Foodwatch jetzt in einer umfassenden Studie über Kinderlebensmittel mal klargestellt, wie die Ernährungsindustrie "unsere Kinder kauft", wie Martin Rücker von Foodwatch sagt.

Die Erkenntnis ist alarmierend. Die Lebensmittelindustrie stellt die Ernährungspyramide schlicht auf den Kopf. Wer das Bild von der Pyramide kennt, der weiß: Ganz unten im grünen Bereich sind die Lebensmittel, die hauptsächlich gegessen und getrunken werden sollten. Wasser, ungesüßter Tee, Brot, Kartoffeln, Gemüse, Obst. Ganz oben, im roten Bereich die Lebensmittel, die Kinder nur selten zu sich nehmen sollten: Süßigkeiten vor allem, wozu auch Frühstücksflocken zählen.

Der Foodwatch-Report zeigt jetzt, wie es tatsächlich auf dem Lebensmittelmarkt aussieht. Mehr als 1500 Lebensmittel haben die Autoren der Studie (PDF-Datei) in den vergangenen Monaten identifiziert, die sich speziell oder indirekt über die Eltern an Kinder als Zielgruppe richten.

Das niederschmetternde Ergebnis: Fast drei Viertel der untersuchten Lebensmittel gehören in den roten Bereich der Lebensmittelpyramide. Kinder, das scheint das zentrale Anliegen der Lebensmittelindustrie zu sein, sollen früh an genau die Produkte gewöhnt werden, die sie dick machen. So viel können sich Kinder den ganzen Tag gar nicht bewegen, wie die Industrie Fett und Zucker in den Produkten verarbeitet.

Der industrienahe Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) reagiert empört: Die Auswahl der Kinderlebensmittel "durch eine eher unmethodische Recherche" sei "willkürlich" und folge "offenbar nur dem Ziel", möglichst viele Produkte in eine negative Kategorie einsortieren zu können. Es existiere keine Definition von Kinderlebensmitteln. Zudem würden zahlreiche der von Foodwatch genannten Produkte wie etwa Frühstücksflocken zu mehr als 80 Prozent von Erwachsenen verzehrt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema