Folgen der Finanzkrise:Ein Schub für die Industrie

Milliarden für die Wirtschaft: Weil der Mittelstand infolge der Finanzkrise in der Klemme steckt, investiert die Bundesregierung Staatsgeld zwecks Konjunkturbelebung. Ein Überblick in Bildern.

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Die Bundesregierung plant ein Bündel von Maßnahmen, um den Unternehmen unter die Arme zu greifen. Geplant sind zusätzliche Darlehen der staatlichen KfW-Bank vor allem für den Mittelstand und eine Aufstockung des Gebäudesanierungsprogramms.Käufer von Neuwagen sollen für ein Jahr von der Kfz-Steuer befreit werden und pro Jahr können statt 600 künftig 1200 Euro für Handwerkerrechnungen abgesetzt werden. Das freut vor allem den Mittelstand, während die Großindustrie mit offenen Forderungen noch vorsichtig ist.Zusatzwünsche Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) setzt große Hoffnungen auf das angekündigte Programm. Um für positive Impulse im Handwerk zu sorgen, fordert die Branche aber weitere wirtschaftliche Anreize, beispielsweise für Privathaushalte in Form eines höheren Steuerbonus für Handwerksleistungen. Derzeit gibt es einen Steuerbonus von bis zu 600 Euro pro Jahr, also 20 Prozent von 3000 Euro Arbeitskosten. Der Handwerksverband fordert, dass dieser Bonus erhöht wird - was im Paket der Bundesregierung auch vorgesehen ist.Ein Konjunkturprogramm sei "kein Ersatz für strukturelle Reformen", meint der Generalsekretär des ZDH, Hanns-Eberhard Schleyer. Stattdessen fordert der Verband eine Erbschaftssteuerreform, die Familienunternehmen begünstigt, sowie die Senkung der Lohnnebenkosten und mehr Anstrengungen bei Bildung und Forschung.Auch in besseren Zeiten hatten 80 Prozent der kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe Probleme, bei Banken einen Kredit zu bekommen. Die Finanzkrise habe dieses Problem noch zusätzlich erschwert, meldet der Verband. Generell erwartet die Branche angesichts der noch guten Auslastung eine Stabilisierung der Beschäftigtenzahlen.Dennoch: Der Umsatz wird in der Bilanz für 2008 um ein Prozent schrumpfen. "Dem schwierigeren wirtschaftlichen Umfeld kann sich auch das Handwerk nicht entziehen", sagt Schleyer. "Sorgenkind bleibt der schwache Konsum in Deutschland."Text: Stefan Schweiger Foto:ddp

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Wenig Druck Die deutschen Maschinenbauer atmen derzeit auf und begrüßen das Konjunkturprogramm der Bundesregierung. "Zwar sind wir etwas skeptisch bei branchenübergreifenden Punkten", sagt Hannes Hesse, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Machinen- und Anlagenbau (VDMA). "Die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung ist aber unsere alte Forderung - und eine sehr sinnvolle Forderung."Eine Kreditklemme sieht Hesse in seiner Branche derzeit nicht. "Die Maschinenbauer sind mittelständische Unternehmen, die bei den Banken scheinbar hohe Vertrauenswürdigkeit genießen." Dennoch stellt der Verband Kredit-Probleme bei den Abnehmern fest. Bis zum Jahreswechsel sei die Industrie noch ausgelastet. Für die nahe Zukunft hofft der VDMA dann auf neuen Schwung - sei es durch ein Ereignis wie die US-Wahlen oder die Wiedereinführung der unbefristeten degressiven Abschreibung. Diese Maßnahme soll Investitionsanreize und schnelle Liquidität schaffen.Nach zuletzt vier schwachen Monaten peilen die deutschen Maschinenbauer für den Jahresabschluss weiter ein Umsatzplus von fünf Prozent an, vor allem auch dank eines starken Exports. Zwar schwächeln weiterhin die Branchen der Druck- und Textilmaschinen. Dies seien aber strukturelle Probleme. Diese stünden nicht in direktem Zusammenhang mit der Finanzkrise, meint VDMA-Geschäftsführer Hesse. "Was wir im nächsten Jahr erleben werden, ist Stagnation auf hohem Niveau."Text: Stefan Schweiger Foto: dpa

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Neu und sauber Für Matthias Wissmann ist die Autoindustrie die von der Krise mit am stärksten betroffene Branche. Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie begrüßt es deshalb, "dass die Politik mit der Neuordnung der Kfz-Steuer einen Impuls an die Verbraucher gibt, jetzt bald ein neues, schadstoffarmes und umweltfreundliches Fahrzeug zu erwerben".Zwei der bis zu 16 Maßnahmen in dem von der Bundesregierung geplanten Maßnahmenpaket gehen in diese Richtung und könnten der Autoindustrie helfen. Erstens sollen Neuwagen ein Jahr lang steuerfrei bleiben, besonders schadstoffarme Fahrzeuge sogar doppelt so lange. Der CDU-Mittelstandsexperte Michael Fuchs glaubt allerdings nicht an die erhoffte Wirkung: "Niemand kauft ein Auto, weil er im Jahr 200 Euro spart." Zweitens soll eine degressive Abschreibung von 30 Prozent für bewegliche Wirtschaftsgüter gelten. Dieser Steuervorteil ist für zwei Jahre geplant und würde Unternehmen auch die Anschaffung von Kraftfahrzeugen erleichtern.Ein neues Auto sei immer umweltfreundlicher als ein altes, sagt Wissmann und rechnet vor: "Jedes Jahr, um das wir das Durchschnittsalter der Automobilflotte von derzeit über 8,5 Jahre senken, spart zwei Millionen Tonnen Kohlendioxid ein." Das Tauziehen um die umweltorientierte Kraftfahrzeugsteuer zwischen Bund und Ländern nennt der langjährige CDU-Politiker Wissmann "kein Ruhmesblatt für den deutschen Föderalismus". Die Kfz-Steuer steht den Ländern zu, der Bund ist bereit, sie für den Einnahmenausfall zu entschädigen. Widerstand dagegen bestand am Montag noch bei Sachsen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Thüringen.Gegen staatliche Hilfsgelder zur Unterstützung der deutschen Autoindustrie hat sich der Audi-Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler ausgesprochen. "Grundsätzlich brauchen wir keine Subventionen, auch keine Kredite, weil wir unsere Investitionen aus eigener Kraft finanzieren können", sagt der Chef der Premium-Tochter des Volkswagen-Konzerns.Stadler wendet sich allerdings auch gegen Verzerrungen des Wettbewerbs durch Hilfen der amerikanischen Regierung für die sogenannten Großen Drei, die "Big Three" aus Detroit, also General Motors, Ford und Chrysler. Der Audi-Manager fordert deshalb Investitionsanreize und Hilfen für Forschung und die Entwicklung neuer Technologien.Dieser Wunsch könnte in Erfüllung gehen. Die Bundesregierung will die Entwicklung sauberer Motoren fördern und dafür die Mittel der Europäischen Investitionsbank (EIB) für Forschungs- und Entwicklungskredite von 7,2 Milliarden auf zehn Milliarden Euro aufstocken.Audi will weiter die erfolgreichste Marke unter den Herstellern von Luxusautos werden und bis zum Jahr 2015 in dieser Hinsicht BMW überholen. Daran hält Stadler weiterhin fest - auch trotz der Finanzkrise: "Ich bin kein Berufspessimist."Text: Michael Kuntz Foto: dpa

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Mehr Förderung Es scheint wie der Griff nach dem Strohhalm. Seit Monaten schon steht der europäischen Chipindustrie das Wasser bis zum Hals. Ausgelöst vom starken Euro und gewaltigen Überkapazitäten der Hightech-Branche kämpfen ganze Konzerne ums Überleben. Infineon und seine Tochter Qimonda bauen Tausende Stellen ab, der niederländische Konkurrent NXP schließt ganze Werke. Frisches Geld vom Kapitalmarkt oder von Banken ist kaum aufzutreiben. Topmanager der Branche hoffen deshalb nun auf einen Rettungsring: Hilfe vom Staat.In der vergangenen Woche machten Infineon-Chef Peter Bauer und NXP-Chef Frans van Houten klar, was in Europa ihrer Meinung nach fehlt: Die öffentliche Hand müsse Anreize für Investitionen, Forschung und Entwicklung schaffen, forderte Bauer. "Regierungen sollten ihr Geld lieber in die Innovationsförderung stecken, als es an Banken zu überweisen, die es noch am selben Tag wieder verlieren", wetterte van Houten.Geldspritzen will die Branche nicht. Allerdings wünschen sich die Konzerne strengere Gesetze vom Staat, um die Nachfrage nach den eigenen Produkten anzukurbeln. So sähen NXP und Infineon es gerne, wenn die EU strengere Regeln zum Umweltschutz erlassen und Computerkonzerne zum Einsatz stromsparender Chips zwingen würde, die beide Konzerne anbieten. Doch der Branche ist klar, dass sie in Brüssel auf weniger Hilfe zählen kann als beispielsweise die Autobranche. "Es gibt kaum noch einen hochrangigen Politiker auf Europa-Ebene, der sich für uns interessiert", klagt der Manager eines europäischen Konzerns. Gleichzeitig päppelten asiatische Regierungen ihre Chiphersteller mit Milliardenhilfen auf. Der Weltmarktanteil einst führender europäischer Hersteller liegt heute nur noch bei 16 Prozent.Wegen wachsender Entwicklungskosten für neue Produkte und Fabriken rechnet der europäische Halbleiterverband Semi bis 2010 mit einer Finanzierungslücke von sechs Milliarden Euro. Man brauche gemeinsame Anstrengung von Unternehmen und Politik, um die Standorte auf höchstem technischen Niveau fortführen zu können, heißt es. Der Verband fasst die Ausrüstungs- und Materialzulieferer für die Chipindustrie zusammen. Die Mitgliedsunternehmen stehen in Europa für 100.000 Arbeitsplätze und einen Jahresumsatz von insgesamt mehr als neun Milliarden Euro.Der anhaltende Trend zur Verlagerung der Produktion nach Asien hat nach Analyse des Branchenverbandes eine bedrohliche Lage für die hiesige Industrie geschaffen. Die Erosion der Fertigung und das Outsourcing von Jobs bedrohe das Fundament der europäischen Hightech-Wirtschaft. Ohne Produktion würden auch die wissensbasierten Industriebereiche wie Forschung und Entwicklung oder Systemintegration mittelfristig abwandern, heißt es in einem Grundsatzpapier des in Brüssel ansässigen Branchenverbandes.Text: Markus Balser Foto: ddp

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In der Liquiditätsfalle "Die größte Herausforderung für die Zulieferer ist eine gefährliche Verschlechterung der Liquidität in vielen Unternehmen", sagt Theodor L. Tutmann, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Zulieferer, die rund 9000 mittelständische Betriebe vertritt.Denn der Konjunkturabschwung habe Materialplanungen rasch zur Makulatur werden lassen. Noch im August hatten die Betriebe auf der Grundlage von Bestellungen aus der Automobilindustrie Stahl teuer eingekauft, um für die Lieferung von Formteilen vorzusorgen. Jetzt bleiben aber die Bestellungen der Autobauer aus. Parallel drängen die Stahlkonzerne auf die Abnahme der bestellten Mengen. Damit müssen die mittelständischen Zulieferer große Mengen teuren Stahls zwischenlagern, ohne dass abzusehen sei, ob, wann und in welchem Umfang die Kunden ihre Lieferabrufe tätigen. Die Zwischenfinanzierung überfordere viele der mittelständischen Unternehmen und führe geradezu in eine Liquiditätsfalle, heißt es bei der Arbeitsgemeinschaft.Entsprechend ist auch die Stimmung in der Branche in kürzester Zeit gekippt. Der Geschäftsklimaindex verzeichnete im Oktober mit einem Minus von 6,8 Punkten den stärksten Rückgang seit seiner erstmaligen Berechnung im Jahr 1991. Die Erwartungen für die kommenden sechs Monate verschlechterten sich deutlich um 9,3 Punkte.Der Geschäftsklimaindex wird von der Arbeitsgemeinschaft Zulieferer und dem Münchner Ifo-Institut gemeinsam ermittelt. Er beruht auf der Befragung von 600 Unternehmen aus den Branchen Gießerei-Industrie, Kunststoffverarbeitung, Stahl- und Metallverarbeitung, NE-Metallindustrie, Kautschukindustrie sowie Technische Textilien und gilt als das umfassendste Konjunkturbarometer des industriellen Mittelstandes.Von seiten der Abnehmer kommt nun Unterstützung: Die Autoindustrie habe das Problem erkannt und angeboten, in Einzelfällen mit den Zulieferern nach Möglichkeiten zur Sicherung der Liquidität zu suchen, heißt es bei der Arbeitsgemeinschaft. Sprecher Tutmann warnt vor einem Riss in der Wertschöpfungskette. "Das würde alle zu Verlierern machen: Stahlproduzenten, Zulieferer und Autohersteller".Text: Hans-Willy Bein Foto: AP

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Keine Kredite mehr Das Transportgewerbe klagt schon seit dem Frühjahr über Probleme. Erst machten dramatisch steigende Spritpreise dem energieintensiven Sektor zu schaffen, jetzt droht die Wirtschaftskrise den Firmen das Geschäft zu vermiesen - denn die Transporteure leiden immer besonders stark unter den Schwankungen der Konjunktur. Direkte Staatshilfe wollen allerdings die wenigsten, stattdessen attackiert das Transportgewerbe die an diesem Freitag im Bundesrat zur Abstimmung vorgesehene Änderung der Lkw-Maut, mit der das Verkehrsministerium eine saubere Lastwagenflotte auf den deutschen Autobahnen erzwingen willDie Höhe der Maut soll sich künftig stärker an der Schadstoffklasse der Lastwagen orientieren. Die Spediteure sprechen aber von einer de facto-Mauterhöhung.So hat der Verband bayerischer Transport- und Logistik-Unternehmen ausgerechnet, dass die Maut für die im Moment noch gebräuchlichsten Lastwagen der Schadstoffklasse 3 um durchschnittlich 72 Prozent steigen würde. Mittelständler mit 50 Lastwagen, von denen die Hälfte noch in diese Schadstoffklasse fallen, kalkulieren beispielsweise mit 180.000 Euro Mehrkosten im Jahr. "Bedingt durch die hohen Dieselpreise schreiben wir rote Zahlen", sagt etwa Bernhard Dümler von der Bamberger Spedition Dümler. "Bedingt durch die roten Zahlen bekomme ich keine Kredite für neue Lkw. Es wurden alle Investitionen gestoppt."Text: Henning Hinze Foto: dpa

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