Streit um Hilfspaket:Die Not der Flughäfen

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Die Flugzeuge parken, die Passagiere bleiben aus: Nicht nur dem Berliner Flughafen fehlen gerade Einnahmen. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Ein Streit in der Regierung verhindert Milliardenhilfen für angeschlagene Airports. Minister Scholz hat Zweifel.

Von Markus Balser, Jens Flottau und Cerstin Gammelin, Berlin/Frankfurt

Verwaiste Flughäfen, Flotten am Boden, Hunderttausende Mitarbeiter ohne Arbeit: In großer Runde schaltete sich Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Freitag mit Vertretern der Branche zu einem Luftverkehrs-Krisengipfel zusammen. Ziel: ein Milliarden-Hilfspaket, das vor allem Flughäfen angesichts neuer Corona-Einbrüche vor dem Aus bewahren soll.

Doch nach zwei Stunden standen Scheuer und Thomas Jarzombek (CDU), der Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt im Wirtschaftsministerium, ohne Lösung da. Bei der Pressekonferenz war die Verärgerung zu spüren. Er habe sich schon mehr Bewegung von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gewünscht, klagte Jarzombek. Der habe den Weg für die Hilfen für den Gipfel nicht frei machen wollen, hieß es in Kreisen des Gipfels.

Die Lage an Deutschlands Flughäfen gilt als dramatisch. Dem Verkehrsministerium zufolge sind die Fluggastzahlen im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie auf zehn bis 15 Prozent gesunken. "Mit diesem niedrigen Passagieraufkommen kann kein Flughafen wirtschaftlich arbeiten", warnte Scheuer. Die Regierung müsse deshalb eine Milliarde Euro bereitstellen, die sich Bund und Länder teilen sollten. Andernfalls könne es böse enden, heißt es auch aus der Branche. "Das System droht zusammenzubrechen", warnte Peter Gerber, Chef des Luftverkehrsverbands BDL. Dabei müsse es um Kredite, aber auch um nicht rückzahlbare Hilfen gehen, forderte er. Die Gelegenheit wäre günstig. Denn während der Corona-Pandemie erlaubt die EU solche sonst verbotenen Stützungsmaßnahmen.

Doch innerhalb der Bundesregierung gibt es heftigen Streit. Im Finanzministerium gibt man den Schwarzen Peter allerdings an Scheuer zurück. Der habe es versäumt, die Hilfen anzumelden. Die Gelegenheit dazu wäre sogar ungewöhnlich günstig gewesen: Wegen der Pandemie hatten die Beamten von Finanzminister Scholz erst im September den Budgetentwurf für 2021 und die Finanzplanung bis 2024 fertiggestellt. Der Verkehrsminister habe aber keinen Bedarf angemeldet, sagte ein Sprecher von Scholz am Freitag. Deshalb sei "ein solches Vorhaben" - gemeint sind die Hilfen für Flughäfen in Höhe von einer Milliarde Euro - "nicht enthalten". Bei Scholz heißt es weiter, mit Blick auf die Situation der Flughäfen stünden "vor allem die Eigentümer in der Verantwortung". Da, wo der Bund Miteigentümer sei, werde es Gespräche geben, wie geholfen werden könne. Die Forderung von Scheuer, alle Betreiber zu unterstützen, habe man zur Kenntnis genommen. Weitere Aktivitäten seien deshalb nicht geplant.

Auch aus anderen Gründen sind die Hilfen durchaus umstritten. Denn vor allem Regionalflughäfen sind in Deutschland vielerorts seit Jahren defizitär. Umweltverbände hatten immer wieder gefordert, die Krise zu einer Neuordnung zu nutzen und nicht alle Flughäfen weiterzubetreiben. Zumal die Branche, wie man auch im Wirtschaftsministerium glaubt, auf längere Sicht das Vorkrisenniveau bei den Passagierzahlen nicht wieder erreichen wird. Scheuer allerdings würde gerne alle Flughäfen weiterbetreiben. Er sieht sie als Wirtschaftsfaktor für ländlichere Regionen abseits der großen Städte und hält sie auch für medizinische Zwecke für wichtig.

In der Branche wächst das Unverständnis über den Streit. Wenn Scholz wirklich nur den Flughäfen helfen wolle, an denen der Bund beteiligt sei, "dann hätten wir den Gipfel nicht gebraucht", sagt ein Vertreter. Die Gespräche zwischen den Ministerien haben seiner Ansicht nach "viel zu spät begonnen", nämlich erst vor einer Woche. Dennoch hat die Industrie die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Scheuer könne für die Flughäfen auch Mittel aus seinem eigenen Haushalt aktivieren, allerdings brauche er auch da für die Zustimmung des Bundesfinanzministeriums. Mancher vermutet auch taktische Erwägungen hinter der Zurückhaltung Scholz': Der Bund wolle sich so lange nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen, bis sich auch die Länder eindeutig dazu verpflichtet hätten mitzumachen. Sie sind an vielen Flughäfen als Gesellschafter beteiligt, unter anderem an den beiden größten in Frankfurt und München.

Doch auch auf Länderebene hat, so befürchten Branchenvertreter, die Abstimmung zwischen Verkehrs- und Finanzministerien weitgehend noch nicht stattgefunden. Damit sei das eigentliche Ziel, jetzt wenigstens innerhalb der nächsten beiden Wochen konkrete Schritte zu beschließen, nicht realistisch.

Aus einem Abschlusspapier des Gipfels geht hervor, dass Ministerium und Branche versuchen wollen, den Luftverkehr etwa mit verstärkten Corona-Tests wieder hochzufahren. Die Rede ist von ausgewählten Flugkorridoren im transatlantischen Flugverkehr, die von den coronabedingten Einreisebeschränkungen ausgenommen sein sollen. Für sie soll es spezielle "Test- und Quarantäneregime" geben.

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