Stralsund:Wenig Verständnis für Fischfangquoten und Förderpolitik

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Fischereipolitik und Realität driften nach Ansicht von Ostseefischern in Mecklenburg-Vorpommern immer weiter auseinander. Bei einer Informationsveranstaltung...

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Stralsund (dpa/mv) - Fischereipolitik und Realität driften nach Ansicht von Ostseefischern in Mecklenburg-Vorpommern immer weiter auseinander. Bei einer Informationsveranstaltung des Landes am Mittwoch in Stralsund kritisierten sie vor allem zunehmende Fangbeschränkungen. Die Fischer Mecklenburg-Vorpommerns dürfen 2020 in der westlichen Ostsee nur noch 1000 Tonnen Hering und 260 Tonnen Dorsch fangen. Das sind nach Angaben des Agrarministeriums 90 Prozent weniger als noch vor fünf Jahren oder beim Hering 2 bis 2,5 Prozent des Jahres 2000.

Die Quoten fielen, obwohl es immer weniger Fischer gebe und diese etwa beim Dorsch ausreichend Fische aller Größen beobachteten. „Wir haben keine akademischen Grade und sind daher nicht glaubhaft“, resümierte der Sassnitzer Kay Briesewitz, einer der mehr als 100 angereisten Fischer. Das Interesse war damit nach Angaben des Landesamtes für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei (Lallf) außerordentlich hoch. Im Land gibt es noch gut 200 Haupterwerbsbetriebe.

Der Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock, Christopher Zimmermann, bestätigte den Fischern, dass sie Hering und Dorsche in der Ostsee nicht ausrotten könnten. Die meisten Fischbestände in der Ostsee seien in guter Verfassung. Es gebe drei Ausnahmen, die jedoch alle die hiesigen Fische beträfen. Das seien die Dorschbestände in der östlichen und westlichen Ostsee und der Hering in der westlichen Ostsee. Hauptproblem sei nicht die Überfischung, sondern die geringe Nachwuchsproduktion der Fische. Die hänge beim Hering mit der Erwärmung der Ostsee zusammen.

Der Hering würde deswegen früher ins Laichgebiet im Greifswalder Bodden einwandern. Die Heringslarven ernähren sich von den Larven von Kleinkrebsen, die wiederum Algen fressen. Das Wachstum der Algen sei allein vom Sonnenlicht, nicht aber von der Wassertemperatur abhängig. Daher würden die Krebslarven später schlüpfen. Die zu früh gekommenen Heringslarven verhungern.

Dem östlichen Dorschbestand geht es Zimmermann zufolge wegen Sauerstoffmangels schlecht. „Der Bestand wird sich in den nächsten fünf bis sieben Jahren nicht erholen“, sagte er. Der westliche Dorsch leidet nach seinen Worten unter Überfischung. 2015 sei deshalb ein ganzer Jahrgang ausgefallen. Die Fangmengen müssten in den kommenden Jahren niedrig bleiben.

Die Fischer können nach Angaben des Lallf Hilfen beantragen, etwa für die zeitweilige Stilllegung der Betriebe. Seit 2017 gebe es Stilllegungsprämien für den Verzicht auf Dorschfang, seit 2018 auch für Heringe. Bisher seien an 300 Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe 4,6 Millionen Euro ausgezahlt worden. 90 bis 96 Prozent der Anträge seien bewilligt worden. Zuvor hatten Fischer bemängelt, die Prämien nicht erhalten zu haben, weil sie sich ein zweites Standbein wie Ferienwohnungen hätten.

Der Fischer Uwe Krüger aus Ahlbeck auf Usedom erklärte: „Wir wollen nur arbeiten.“ Dann brauchten sie keine Stilllegungsprämien. Viele Fischer kritisierten auch den ihrer Meinung nach unnötigen Schutz von Kormoranen und Kegelrobben. Mittlerweile gehörten die Fischer selbst auf die „Rote Liste“. „Wir kämpfen um unsere Existenz“, sagte Krüger.

Agrarstaatssekretär Jürgen Buchwald forderte die Fischer auf, aktiver zu werden und ihre Interessen über den Fischereiverband oder Erzeugerorganisationen besser zu vertreten. Er kündigte an, dass sich das Land für Abwrackprämien zur endgültigen Einstellung der Fangtätigkeit einsetze. Im Land seien zehn Betriebsschließungen angekündigt. Die notwendigen Abwrackprämien dürften bei rund 1,3 Millionen Euro liegen. Außerdem werde mit der Schließung einiger der 46 Schleppnetzbetriebe gerechnet. Vermarktungsstrukturen sollten daher gebündelt werden. Sinnvoll wäre je eine Erzeugerorganisation in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.

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