Finanzplatz Liechtenstein:Retten, was zu retten ist

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Eine verschwiegene Geldfestung? Das war einmal. Nach dem Steuerskandal um Klaus Zumwinkel ziehen immer mehr Anleger ihr Vermögen aus Liechtenstein ab.

Uwe Ritzer

Seine Durchlaucht reagierte deutlich. Die Treuhänder müssten sich "ernsthaft fragen, ob sie mit Nichtstun und Abwarten für ihre Kunden in Zukunft mehr erreichen", rüffelte Staatsoberhaupt und Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein eine in dem Land bislang verhätschelte Berufsgruppe. Jene Treuhänder nämlich, die für Kunden aus aller Welt anonyme Privatstiftungen einrichten und verwalten, die besonders probate Instrumente zur Steuerhinterziehung sind. Bislang beißen sich ausländische Finanzbehörden bei der Jagd nach Steuersündern am strikten Liechtensteiner Bankgeheimnis die Zähne aus. Doch die Zeiten ändern sich. Notgedrungen.

Eine verschwiegene Geldfestung? Nicht mehr. Immer mehr Bankkunden ziehen ihre Vermögen aus Liechtenstein ab. (Foto: Foto: AP)

Die Folgen des Steuerskandals um den deutschen ehemaligen Postchef Klaus Zumwinkel und die anschließende internationale Debatte über Steueroasen erschüttern den Finanzplatz Liechtenstein in seinen Grundfesten. Bei den 15 Banken des alpinen Fürstentums brachen binnen eines Jahres die Kundenanlagen um 29,5 Prozent ein. Das ergibt sich aus dem neuen Jahresbericht des Liechtensteiner Bankenverbandes (LBV). Demnach verwalteten die 15 Banken des Zwergstaates zum 31. Dezember 2008 Kundenvermögen in einem Gesamtvolumen von 120,8 Milliarden Schweizer Franken - 50,6 Milliarden Franken weniger als Ende 2007.

Verunsicherte Bankkunden

Dazwischen, im Februar 2008, flog Zumwinkel als Steuersünder medienwirksam auf. Gleichzeitig wurde bekannt, dass nicht nur die Daten des einstigen Postchefs entwendet wurden. Auch die Verbindungen vieler hundert anderer ausländischer Kunden zur Fürstenbank LGT wurden von einem Ex-Mitarbeiter gestohlen und an deutsche Behörden verkauft. Ein ähnlicher Fall von Datenklau betrifft die Liechtensteinische Landesbank (LLB). Der Ruf des Fürstentums als besonders verschwiegene Geldfestung ist schwer angeschlagen. Mehr und mehr Länder sagen in der Folgezeit Steueroasen wie Liechtenstein den Kampf an. Viele finanzstarke Kunden verunsichert das. Sie ziehen ihr Geld ab.

Die Folgen für die Banken sind massiv. Beim Marktführer LGT sank das verwaltete Kundenvermögen binnen zwölf Monaten von 68,9 auf 48,5 Milliarden Franken. Beim zweitgrößten Geldhaus LLB ging es von 59,9 auf 46,1 Milliarden Franken zurück. Bei der bis dato fünftgrößten Bank Alpe Adria halbierten sich die Anlagen. Der frühere Ableger der Hypo-Vereinsbank kündigte seine eigene Liquidation an. Der Chef der VP Bank, Adolf Real, verlässt überraschend die drittgrößte Bank nach einem Verlustjahr. Den Versuch, die Misere auf die Finanzkrise zu schieben, macht der LBV erst gar nicht. Man sei nur am Rande betroffen. Schließlich haben sich die Liechtensteiner Geldhäuser nie auf Investmentbanking konzentriert, sondern auf Anlagegeschäfte mit betuchten Kunden.

Die bürgerlich-konservative Regierung in Vaduz versucht zu retten, was zu retten ist. Sie will das Fürstentum von der grauen Steueroasen-Liste der OECD bringen. Die Reformen hätten schon vor dem Fall Zumwinkel begonnen, sagt ein Regierungssprecher, "aber natürlich hat dieser das Thema beschleunigt." Was Regierungschef Klaus Tschütscher für dringend notwendige Reformen des Finanzplatzes hält, wird von vielen im Fürstentum als Rütteln an Tabus verstanden.

Pragmatische Fürstenfamilie

Vom grenzübergreifenden automatischen Informationsaustausch bei Steuerdelikten ist man zwar noch sehr weit entfernt. Aber immerhin einigte man sich im Juli mit Deutschland auf einen Informationsaustausch bei konkreten Verdachtsfällen der Steuerhinterziehung nach dem OECD-Standard. Nächste Woche wird das Abkommen unterzeichnet. Mit den USA traf Vaduz noch weiter gehende Regelungen. Für großen Wirbel sorgt in Liechtenstein jedoch ein neues Abkommen mit Großbritannien. Dabei verpflichtet man sich, ab 2015 kein Geld mehr von britischen Kunden anzulegen, das diese nicht nachweislich bei den Finanzbehörden ihres Landes sauber deklariert haben.

Was Regierungschef Tschütscher als "bahnbrechend" feiert, hat zu heftigen Reaktionen vieler der gut 400 Treuhandunternehmen geführt. Sie sehen das Bankgeheimnis untergraben. Viele von ihnen fürchten um ihre Existenz. Ihre Kritik trugen sie daher nicht in den im braven Liechtenstein üblichen, diplomatischen Floskeln vor, sondern unmissverständlich. Was ihnen prompt besagten Rüffel von Erbprinz Alois einbrachte.

Die Fürstenfamilie hat selbst pragmatisch reagiert. Die reichsten europäischen Monarchen verkauften die Treuhandsparte ihrer LGT, deren Kunde auch Zumwinkel war. Man orientiert sich neu. Jüngst erwarb die LGT den Schweizer Ableger der Commerzbank. Nun will sie in Deutschland expandieren und neue Filialen eröffnen. Ziel sei es, die Nummer drei unter den in Deutschland tätigen Privatbanken zu werden, heißt es. Nicht jeder darf allerdings LGT-Kunde werden. Unter einer Million Euro Anlagevolumen geht gar nichts.

© SZ vom 26.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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