Finanzmarkt:Ab in die Heimat

Lesezeit: 2 min

In der Finanzkrise zogen sich viele Auslandsbanken aus Deutschland zurück und verwehrten hiesigen Unternehmen die Kredite. Wiederholt sich dieses Muster in der Corona-Krise? Die Deutsche Bank jedenfalls setzt darauf.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Wie verhalten sich die großen Wall-Street-Banken in der Krise? Ziehen sie sich in die Heimat zurück und verwehren damit europäischen Unternehmen dringend benötigte Kredite, frei nach der "America First"-Doktrin von US-Präsident Donald Trump? So ungefähr will es Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing beobachtet haben. "Wir sehen, dass einige andere Banken ihre Engagements bei großen Kunden reduzieren", sagte er am Mittwoch in einer Telefonkonferenz mit Analysten zu den Quartalszahlen. "Das ist eine Chance für uns. Wir versuchen nun, in diese Lücke hineinzuspringen." Auch die Financial Times hatte diese Woche mit Verweis auf Kreditlinien für Dax-Unternehmen geschrieben, Wall-Street-Banken zögen sich zurück. Tatsächlich war dieses Phänomen in der Finanzkrise zu beobachten: Damals hatten sich viele Institute auf Unternehmen in der Heimat konzentriert. Auch deutsche Finanzlobbyisten verweisen seither gerne auf diese Gefahr, um die Bedeutung der heimischen Branche zu betonen.

Auslandsbanken wie JP Morgan, Citi, Bank of America oder Goldman Sachs weisen das stets von sich und betonen, wie wichtig ihnen der deutsche Markt sei. Auch in der Corona-Krise könne daher von einem Rückzug keine Rede sein, hieß es bei drei großen amerikanischen Banken. Im Gegenteil: Sein Team arbeite derzeit härter als zuvor, um Kunden mit Krediten und anderen Leistungen zu unterstützen, sagt Armin von Falkenhayn, Deutschlandchef der Bank of America. "Im ersten Quartal haben wir unser Kreditvolumen in Europa um über 20 Prozent ausgeweitet und in Deutschland seit Jahresbeginn bislang Anfragen unserer Kunden nach Krediten positiv entschieden". Ein Sprecher der US-Investmentbank Citi sagte: "Wir ziehen uns kein bisschen aus den europäischen Märkten zurück, weder im Kreditgeschäft noch in anderen Bereichen". Das Bankgeschäft laufe derzeit auf Hochtouren, man stehe uneingeschränkt zur Verfügung: "Das ist eine Offensive, aber kein Rückzug."

Ob die Auslandsbanken den Unternehmen wirklich treu bleiben, wird sich vermutlich erst in ein paar Monaten zeigen. Die Deutsche Bank versucht jedenfalls schon jetzt, sich als Retter zu positionieren. "Wir sind fest entschlossen, unsere Bilanz zu nutzen, um Kunden zu unterstützen, die uns jetzt ganz besonders brauchen", sagte Sewing. Dabei profitiere man aber auch von dem enormen Krisenpaket des deutschen Staates gegen Corona. Viele Unternehmen geraten dank der Hilfskredite vorerst gar nicht erst in Schwierigkeiten oder nutzen Kurzarbeit, anders als in den USA, wo die Arbeitslosigkeit in die Höhe geschnellt ist. Die US-Banken mussten für Ausfälle bei Kreditkarten hohe Rückstellungen bilden.

Die Deutsche Bank hofft nun, mit einer im Branchenvergleich relativ niedrigen Risikovorsorge für faule Kredite durch die Krise zu kommen. Das Kreditvolumen von 460 Milliarden Euro verteile sich auf viele Branchen und Regionen und sei im Durchschnitt gut besichert, sagte Sewing. Die Risikovorsorge werde wohl längst nicht auf Finanzkrisen-Niveau steigen, so der Konzernchef, was man unter anderem der prompten Staatshilfe für viele Unternehmen zu verdanken habe. Am Montag hatte die Bank Eckpunkte des Quartalsergebnisses bekannt gegeben, das dank guter Geschäfte im Handel die Erwartungen übertroffen hatte. Am Mittwoch legte die Aktie erneut deutlich zu.

© SZ vom 30.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: