Finanzmärkte:An den Dollar gekettet

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Warum China trotz aller Zweifel weiter in US-Anlagen investiert - und globale Ungleichgewichte auch künftig die Welt bedrohen.

Alexander Hagelüken

An den Finanzmärkten tritt zur Zeit ein Käufer auf, der manchen Beobachter überrascht: China kauft in großem Stil amerikanische Staatsanleihen. Und das, obwohl die Volksrepublik mit 700 Milliarden Dollar in US-Bonds längst größter Gläubiger Amerikas sind. Und das, obwohl die Regierung in Peking vor kurzem massive Zweifel am Dollar und damit an ihren eigenen Investments der Vergangenheit äußerte - und den Greenback als einzige Leitwährung der Welt ablösen will. Wie passt das zusammen? Und was wird in der globalen Wirtschaftspolitik geschehen?

Der Yuan umzingelt von Dollarnoten: Eine schärfere Konkurrenz zum Dollar wäre für die Zukunft sinnvoll. Der Yuan ist dafür allerdings noch zu schwach. (Foto: Foto: Getty)

Für Ökonomen wie Antje Praefcke von der Commerzbank handeln die Chinesen ganz logisch. Zumindest kurzfristig bleibe ihnen wenig anderes übrig: "Sie haben kaum eine andere Wahl, als in Dollar anzulegen". Für die Einnahmen aus den chinesischen Exportüberschüssen gebe es wenig andere Anlagemöglichkeiten. Das britische Pfund verliert zur Zeit wegen Sorgen um die Kreditwürdigkeit des Landes.

Der Euro ist eine Alternative, aber kein homogener Wirtschaftsraum, sondern eine in 16 Nationen mit verschiedenen Problemen zersplitterte Währung. Die Chinesen investieren bereits in Gold oder ausländische Firmen, doch dabei gibt es Grenzen. Daher bleiben sie zunächst in gewisser Weise an den Dollar gekettet, obwohl sie ihm misstrauen.

Hemmungslose Zinssenkung

Diese Zwangsbindung ruft die globalen Ungleichgewichte in Erinnerung, die den Erdball seit Jahren dominieren. Die Amerikaner lebten auf Pump, importierten weit mehr, als sie exportierten. Die Waren kauften sie immer öfter in China, das aus seinen gigantischen Exportüberschüssen die höchsten Währungsreserven der Welt anhäufte - und damit unter anderem das amerikanische Handelsdefizit finanzierte (siehe Grafik).

Eine der Tücken dieser Konstruktion: Weil die Chinesen so viel in Dollar anlegten, konnte die US-Notenbank hemmungslos die Zinsen senken, ohne einen Absturz des Dollar und Mega-Inflation fürchten zu müssen. Mit ihren Minizinsen regten die Notenbanker die Konjunktur an, förderten aber auch gewaltige Investments in Immobilien, verbriefte Krediten und andere neue Anlageprodukte - jene Blase, die seit ihrem Platzen als Finanzkrise den Globus durchschüttelt und Millionen Arbeitsplätze vernichtet.

Damit so etwas nicht wieder vorkommt, müssen die globalen Ungleichgewichte schrumpfen: Geringere chinesische Überschüsse, geringere amerikanische Defizite, geringere Bedeutung des Dollar, auf den zur Zeit noch zwei Drittel aller globalen Währungsreserven entfallen. "Die Ungleichgewichte waren ein wesentlicher Treiber der Finanzkrise. Andere Leitwährungen neben dem Dollar zu etablieren, ist langfristig wünschenswert", findet Andreas Rees, Chefvolkswirt der HVB.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum eine schärfere Konkurrenz zum Dollar sinnvoll wäre - und warum möglicherweise sogar die Gefahr einer neuen Finanzkrise droht.

Wenn es eine schärfere Konkurrenz zum Dollar gäbe, würde das den US-Notenbankern erschweren, mit Minizinsen die nächste Blase zu erzeugen, weil sie einen Absturz ihrer Währung fürchten müssten.

Wie sehr das globale Ungleichgewicht von den Handelsbeziehungen zwischen den USA und China verantwortlich ist, sehen Sie in dieser Grafik. (Foto: Grafik: SZ)

Auf kurze Sicht rät Rees aber zur Vorsicht, was Pekings Forderungen nach mehreren Leitwährungen angeht. Und was eine Kommission unter Vorsitz des Nobelpreisträger Joseph Stiglitz angeht, die einem Uno-Gipfel Anfang Juni Vorschläge für eine neue Währungsordnung unterbreiten will. "Im Moment haben solche Diskussionen immer den Beiklang, man sollte Dollars verkaufen. Turbulenzen auf dem Devisenmarkt jedoch können wir uns mitten in der Krise gar nicht leisten." Kursschwankungen würden zum Beispiel den ohnehin schrumpfenden Welthandel stören.

Für eine Ablösung des Dollars als Leitwährung bleibt Zeit, weil eine gewisse Korrektur der globalen Ungleichgewichte in der Rezession ohnehin stattfindet. Wegen Jobverlusten und fallenden Immobilienpreisen mussten die Amerikaner ihren Konsum im Ausland reduzieren. Das Leistungsbilanzdefizit wird nach der Prognose der Commerzbank dieses Jahr unter drei Prozent schrumpfen - halb so viel wie Ende 2006. Diese Korrektur der Ungleichgewichte dämpft Sorgen um die Solidität des Dollars. Und sie beruhigt die Chinesen, was ihre Anlagen in Dollar betrifft, die mit einem schwachen Greenback dahinschmelzen.

Gefahr einer neuen Finanzkrise

Auf Sicht einiger Jahre aber bleibt die Frage, ob die globalen Ungleichgewichte nicht ein Ausmaß behalten werden, das die Gefahr einer neuen Finanz- und Wirtschaftskrise heraufbeschwört. Zwar könnte es tatsächlich sein, dass die Amerikaner dauerhaft mehr sparen als bisher und ihren Konsum auf Pump reduzieren. Einfach deshalb, weil womöglich weniger Anleger aus aller Welt bereit sind, das US-Wirtschaftsmodell auf Pump zu finanzieren.

Um die Ungleichgewichte zu reduzieren, müsste aber noch mehr geschehen. So müsste die amerikanische Zentralbank auf Dauer die Finger von einer Politik des billigen Geldes lassen. Je wichtiger der Dollar als Leitwährung der Welt bleibt, desto unwahrscheinlicher, dass die Notenbank ihren Kurs ändert.

Zum zweiten müßte die chinesische Regierung ihre Währung Yuan aufwerten. Deren künstlich niedriger Kurs verbilligt chinesische Exporte und verteuert amerikanische (oder deutsche) Importe. Bisher jedoch halten die Chinesen daran fest, mit ihren künstlich günstigen Waren den Erdball zu überschwemmen.

© SZ vom 26.05.2009/kaf/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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