Rosemarie Frieling-Müller, 57, Sekretärin aus Düsseldorf, verwitwet, ein Kind, Steuerklasse II, 30.000 Euro
Gehalt und Witwenrente zusammengenommen habe ich ein Jahreseinkommen von 29.990 Euro brutto. Damit habe ich es, verglichen mit anderen Alleinerziehenden, relativ gut: Ich kann zwar keine großen Sprünge machen, aber ich kann unser Leben sicherstellen und meiner 14-jährigen Tochter Musik- und Ballettunterricht bezahlen. 2012 lag mein zu versteuerndes Einkommen bei 25.124 Euro, davon gingen 3947 Euro Einkommenssteuer weg. Ich habe also einen Steuersatz von knapp 16 Prozent.
Als Alleinerziehende bin ich Steuerklasse II, die sich kaum von Steuerklasse I für Ledige ohne Kind unterscheidet. Und das ist auch der Punkt, der mich an unserem Steuersystem stört: Zwei Erwachsene, die als Ehepaar oder Lebenspartner zusammenleben, können das Ehegattensplitting nutzen, und der Alleinverdiener bekommt Steuerklasse III. Ich aber lebe mit meiner Tochter zusammen, gebe also meine Einkünfte genauso für zwei Personen aus, komme aber nicht in Steuerklasse III. Der Unterschied ist erheblich, das weiß ich aus eigener Erfahrung, weil ich nach dem Tod meines Mannes zwei Jahre lang Anspruch auf Steuerklasse III hatte. Das hat dazu geführt, dass ich danach, als ich zwangsweise in Steuerklasse II wechseln musste, monatlich 180 Euro weniger hatte.
Sauer aufgestoßen ist mir, dass die Alleinerziehenden bei der Ausweitung des Ehegattensplittings auf eingetragene Lebenspartnerschaften vor kurzem außen vor geblieben sind. Nicht, weil ich etwas gegen die Gleichberechtigung Homosexueller hätte, sondern weil Alleinerziehende ja die gleiche Verantwortung für ihr Kind tragen, wie ein Alleinverdiener für seinen Lebenspartner. Die Ausweitung der steuerlichen Vorteile wurde damit begründet, dass die Beziehung auf Dauer angelegt sei, dass man gegenseitig für sich einstehe. All das habe ich auch als alleinerziehende Mutter einer Tochter. Unsere Beziehung ist auf eine Dauer angelegt, die die meisten Partnerschaften nie erreichen werden.
Kann es Absicht des Staates sein, nichtarbeitende, aber arbeitsfähige Lebenspartner zu subventionieren, nicht aber Kinder? Kann es wirklich sein, dass jemand, der sein Kind versorgt, schlechter gestellt ist als jemand, der seinen Lebenspartner versorgt? Wäre meine Tochter meine eingetragene Lebenspartnerin, hätte ich mittlerweile monatlich mehr als 200 Euro Steuerersparnis. Kann das wirklich gerecht sein? Ich glaube nicht.
Michael Uttermüller, 52, selbständiger Gebäudereiniger aus Hannover, ledig, ein Kind, Steuerklasse I, 64.000 Euro
Mein Umsatz liegt bei etwa 64.000 Euro im Jahr, nach Steuern bleiben mir davon ungefähr 26.000 Euro Gewinn übrig. Ich habe etwa eine Steuerquote von 35 Prozent. Meinen Kunden rechne ich das manchmal so vor, wenn die sich über Kosten beschweren: Von 100 Euro Umsatz bleiben mir nach der Umsatzsteuer noch etwa 85 Euro, von diesen gehen 25 Prozent Einkommensteuer weg und weitere fünf Prozent Gewerbesteuer. Wenn ich davon leben will, muss ich 50 bis 60 Euro in der Stunde für die Reinigung von Gebäuden verlangen.
Was mich an meiner Besteuerung vor allem ärgert, ist die Höhe der Freibeträge. Bei 7500 Euro im Jahr als Lediger sind das 625 Euro im Monat. Damit bezahle ich grade meine Wohnung, das heißt, bevor ich wirklich von meinem Einkommen leben kann, muss ich schon Einkommensteuer zahlen. Gerade wer eine Firma gründet und bei null anfängt, hat schnell alles aufgebraucht. Ich konnte keine Rücklagen bilden und hatte Schulden beim Finanzamt. Da klopft mir die Steuerberaterin anerkennend auf die Schulter, weil die Umsätze gestiegen sind, und im nächsten Atemzug fragt sie nach Reserven für ein paar tausend Euro Steuernachzahlung, die ich nicht habe.
Von 1300 Euro Freibetrag an könnte ich einigermaßen stressfrei wirtschaften und wirklich von dem leben, was ich mache. Wenn man keinen Ehepartner hat, der mitverdient, ist es sehr schwer. Es wäre natürlich auch toll, wenn das Ehegattensplitting reformiert würde, so dass vor allem die Kinder und weniger der Trauschein berücksichtigt würden.