Fernwärme:Heizen mit Wind

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Blick ins Innere des "Wasserkochers von Wedel". (Foto: Christian Charisius/dpa)

Wirtschaftsminister Habeck weiht eine neue Anlage für grüne Fernwärme ein. Gerade für Städte wäre das eine Lösung. Aber sein Heizungsgesetz bleibt umstritten. Einigt sich die Ampel bis Dienstag nicht darauf, wird es knifflig.

Von Saskia Aleythe und Michael Bauchmüller, Wedel

Der Weg in die Zukunft führt vorbei an großen Kohlehalden. Sie türmen sich auf am Kraftwerk in Wedel bei Hamburg und glitzern schwarz in der Sonne, als Robert Habeck am Donnerstagnachmittag eine kleine Festrede hält. Der Bundeswirtschaftsminister ist gekommen, um hier ein Symbol für die Wärmewende zu feiern: Die Eröffnung einer Wind-zu-Wärme-Anlage, die künftig eine Rolle bei der Produktion grüner Fernwärme spielen soll. Die Anlage in Wedel zeige, "dass die Wärmewende Realität wird", sagt Habeck unter einem weißen Schirm zum Schutz vor der Sonne, "das ist ein gutes Signal für den Klimaschutz". Ihm gegenüber ragen die Schornsteine des Kohlekraftwerks in die Höhe. Es ist ein Zustand zwischen zwei Welten, ziemlich am Anfang einer Versorgung ohne fossile Energien.

Für den Grünen Habeck kommt der Termin wie gerufen. In Berlin stehen die entscheidenden Tage für sein Heizungsgesetz an - schon am Wochenende gehen die Verhandlungen darüber weiter. Bis Montag, spätestens Dienstag muss sich weisen, ob das Gesetz nächste Woche in den Bundestag eingebracht wird. Nur dann gibt es eine Chance, dass es noch vor der Sommerpause verabschiedet wird. Für wie realistisch er es halte, dass man sich bis dahin einige, wird Habeck in Wedel gefragt. "Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, es nicht zu tun", sagt er, die Korridore für einige Einigung seien klar definiert. Er wäre dann "sehr erstaunt", setzt er noch nach, "wenn man jetzt durchhalten würde, es nicht aufzusetzen". Können die Koalitionsfraktionen sich bis Dienstag nicht einigen, ist das weitere Geschick des Gesetzes ungewiss - und auch, ob und wie sich die Klimaziele in Gebäuden erreichen lassen. Passend dazu lädt Habeck für Montag zum "Fernwärmegipfel" in sein Ministerium - er soll ausloten, was geht. Und wie schnell.

Sie funktioniert wie ein Wasserkocher

Die Anlage in Hamburg ist ein Beispiel dafür, wie saubere Fernwärme gehen kann. Sie funktioniert wie ein Wasserkocher, ihr Herz sind zwei riesige Wasserkessel, die durch Strom aus Windparks im Norden beheizt werden. Wind gibt es im Norden genug, Stromleitungen für die entstandene Energie bis in den Süden des Landes allerdings nicht - deswegen werden die Windräder bei Starkwind oft ausgeschaltet, in der Fachsprache heißt das Abregeln. Herrscht nun Starkwind, können sich die Räder auch öfter mal weiterdrehen, weil die entstehende Energie nun auch nach Wedel geleitet werden kann. Das Abregeln ist ein großes Ärgernis bei der Verwendung von grüner Energie, da es auch zulasten der Verbraucher geht, die dafür bezahlen müssen. "Nutzen statt Abschalten, das ist das Gebot der Stunde", sagte Habeck. Mit neuen Regeln will er das erleichtern.

Habeck (rechts) bei der Einweihung der Wind-zu-Wärme-Anlage in Wedel. Schon in fünf Jahren sollen die Investitionskosten wieder drin sein. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Nutzen statt Abschalten - in Wedel geht das so: Die Anlage ist Abnehmer für die Windenergie und macht Wärme daraus. 80 Megawatt Fernwärme soll schließlich entstehen, 27 000 Haushalte damit beliefert werden. Das benachbarte Kohlekraftwerk kann es nicht allein ersetzen, aber jenes kann nun weniger Wärme produzieren, was wiederum gut fürs Klima ist. 50 000 Tonnen Kohle sollen jährlich eingespart werden können und bis zu 100 000 Tonnen Kohlenstoffdioxid. Die Power-to-Heat-Anlage hat der Stromnetz-Betreiber 50 Hertz mit 31,5 Millionen Euro finanziert. Schon in fünf Jahren will er die Investitionskosten wieder hereingeholt haben.

Gerade in den Städten ist die Fernwärme die leichteste Möglichkeit, klimafreundlich zu heizen. Die elektrische Wärmepumpe fällt hier als Option oft flach, und ob jemals im großen Stil Wasserstoff durch die einstigen Gasleitungen fließen wird, steht in den Sternen. Ganz zu schweigen von der Frage, ob dieser Wasserstoff wirklich grün wäre und was er kosten würde. Optionen für die Fernwärme gibt es reichlich. So können Großwärmepumpen das übernehmen, was in vielen einzelnen Stadthäusern nicht so einfach geht. Mancherorts, etwa in München, sind die Bedingungen für Geothermie gut, also für Erdwärme. Und auch die Kombination mit Windkraft bietet sich an: Schließlich lässt sich die Wärme hier wie in einer riesigen Thermoskanne speichern. Und das, bei starkem Wind, auch recht günstig.

Die Dinge kommen in Bewegung

Doch der Weg ist noch weit. Am Donnerstag, parallel zur Veranstaltung in Wedel, legt die Deutsche Energie-Agentur (Dena) Zahlen zur Fernwärme vor, sie sind ziemlich fossil. Danach kamen 2021 nur 22 Prozent der Fernwärme aus erneuerbaren Quellen, der Rest stammte überwiegend aus Gas oder Kohle. Der Öko-Anteil wiederum ging vor allem auf die Verbrennung von Biomasse zurück oder den "biogenen Anteil" in der Verbrennung von Müll. Großwärmepumpen oder Power-to-Heat spielte 2021 noch keine Rolle. "Wir müssen schnell die richtigen Anreize schaffen, um zügig Investitionen in die erneuerbare Fernwärme zu stärken", sagt Dena-Chef Andreas Kuhlmann. Die derzeitigen Förderungen und Vorgaben reichten dafür noch nicht.

Doch die Dinge kommen in Bewegung. "Wir haben in Deutschland gut 30 Power-to-Heat-Anlagen, weitere sind in Planung", sagte Habeck in Wedel. Viele Stadtwerke haben sie mittlerweile in ihre Zukunftspläne integriert. Für Hamburg etwa ist sie eine von mehreren Komponenten im großen Plan der Wärmewende: Bis 2030 will der Stadtstaat seine zwei noch verbliebenen Kohlekraftwerke abschalten. Das ohnehin als marode geltende Heizkraftwerk in Wedel soll Ende 2026 vom Netz gehen. Zuletzt war die Abschaltung für 2024/25 vorgesehen, allerdings verzögert sich der Bau eines 1,2 Kilometer langen Fernwärmetunnels unter der Elbe. Der wiederum ist dringend nötig, um ein geplantes Gas- und Dampfkraftwerk auf der anderen Seite, im Hafen, mit dem Fernwärmenetz zu verbinden. Es soll das Kohlekraftwerk in Wedel ablösen und perspektivisch vom Brennstoff Gas auf Wasserstoff umgerüstet werden.

Fernwärme kann aus verschiedenen Quellen eingespeist werden

Für die Fernwärme in Hamburg sind noch weitere heiße Quellen vorgesehen: Es soll vor allem auch industrielle Abwärme genutzt werden, aber auch solche aus der Müllverbrennung oder Flusswärmepumpen. Auch unterirdische Wärmespeicher gehören zum Konzept. "Das Fernwärmesystem hat verschiedene Möglichkeiten, man kann aus verschiedenen Quellen einspeisen", lobt Habeck.

Hamburg liegt mit seinen Maßnahmen schon weit vor der Welle. Noch diesen Monat, so der Plan, soll ein Gesetz zur "Wärmeplanung" das Kabinett passieren. Es würde alle Städte verpflichten, die Wärmewende durchzuplanen. So könnten zum Beispiel Haushalte irgendwann nachschauen, ob und wann die Fernwärme auch in ihre Straße kommt - und sie sich entsprechend über die Zeit nach der Öl- oder Gasheizung nicht groß Gedanken machen müssen. Das regelt dann der Versorger. An technischen Möglichkeiten, das ist die gute Nachricht, mangelt es nicht.

Doch Bauvorhaben brauchen Zeit und Planung. "Alles das, was beispielsweise 2026 als ,neues' Fernwärmenetz gebaut wird, muss jetzt bereits fertig durchgeplant sein", sagt Ingbert Liebing, Chef des Stadtwerkeverbands VKU. Manche Projekte dauerten zehn Jahre. Und die dafür notwendigen Tiefbauunternehmen "wachsen derzeit auch nicht auf den Bäumen", warnt Liebing. Immerhin der Wasserkocher in Wedel steht schon.

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