Familienunternehmer Wacker im Interview::"Die Pflichten der AG zwingen zur Disziplin"

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Ulrich Wacker über die Schwierigkeiten der Familie mit dem Gang an die Börse und die Nachfolgeregelung in Familienunternehmen.

Elisabeth Dostert

Ulrich Wacker weiß, wovon er spricht: Die Familie des 58-Jährigen hat im vergangenen Jahr ihr Unternehmen, einen Baugerätehersteller, an die Börse gebracht. Noch heißt es Wacker Construction, nach einer Fusion soll es in wenigen Wochen in Wacker Neuson umfirmieren. Auch wegen der Erfahrungen in der eigenen Familie hat der Jurist 2001 die gemeinnützige Stiftung Equa gegründet, sie hilft Familienunternehmen in kritischen Lagen. Die Entscheidung, an die Börse zu gehen, war für Wacker ein langwieriger Prozess.

Die Entscheidung, an die Börse zu gehen, war für Ulrich Wacker ein langwieriger Prozess. (Foto: Foto: oh)

SZ: Herr Wacker, Anfang Juni fand die erste Hauptversammlung von Wacker Construction als börsennotiertes Unternehmen statt. Sie sind immer noch Aufsichtsrat des Unternehmens. Ihrer Familie gehört noch gut ein Drittel des Kapitals. Was war das für ein Gefühl, fremden Aktionären Rede und Antwort zu stehen?

Wacker: Das war Neuland für mich. In der Messehalle habe ich zum ersten Mal deutlich gespürt, dass Wacker Construction an der Börse ist. Wir saßen da hinter einer Theke im Rampenlicht.

SZ: Was heißt Theke: Fühlten Sie sich ausgestellt oder verkauft?

Wacker: Das ist so, wie man das im Fernsehen bei den Hauptversammlungen der Dax-Konzerne sieht - ein großer langer Tisch, an dem Vorstand, Aufsichtsrat und Notar sitzen. Man sieht kaum das Publikum, weil das Licht blendet. Das ist ein ganz anderes Gefühl als im überschaubaren Kreis von Familiengesellschaftern.

SZ: Ein angenehmes?

Wacker: Ich habe die Stimmung durchaus als sachlich und angenehm empfunden. Das liegt sicher daran, dass vor allem Kleinaktionäre unsere Hauptversammlung besucht haben, weniger institutionelle Anleger. Die interessieren sich im Augenblick weniger für kleinere Werte wie Wacker.

SZ: Gab es Kritik am Aktienkurs? Wacker ist Mitte Mai 2007 zu 22 Euro an die Börse gegangen, heute ist das Papier noch gut elf Euro wert. Damit können die Kleinaktionäre doch nicht zufrieden sein?

Wacker: Die Aktionäre erkennen mittlerweile, dass nicht das Management den kurzfristigen Aktienkurs verantwortet, sondern die Finanzmärkte eine Eigendynamik entwickelt haben. Ich hatte erwartet, dass die Kritik stärker ausfällt. Mit dem Aktienkurs kann schließlich keiner zufrieden sein, wir im Übrigen auch nicht.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie sich die Familie Wacker nach langen Diskussionen schließlich zum Börsengang durchringen konnte.

SZ:Was hat Sie in der Hauptversammlung am meisten gestört?

Wacker: Die ganzen Formalien, die man einhalten muss, wenn man sich in der Öffentlichkeit bewegt. Man muss viele Sätze ablesen, um den Formalien zu genügen und HV-Beschlüsse gerichtsfest zu machen. Darunter leiden Authentizität, Humor und Spontaneität. Ich würde lieber lockerer reden.

SZ:Gab es in den vergangenen Monaten Momente, in denen Sie den Börsengang bereut haben?

Wacker: Nein. Wir hatten auch schon Erfahrung mit familienfremden Gesellschaftern, weil von 2003 bis 2006 der Finanzinvestor Lindsay Goldberg & Bessemer mit 30 Prozent an Wacker beteiligt war. Die Fragen, die ein Finanzinvestor stellt, unterscheiden sich nicht so wesentlich von denen, die die Inhaber börsennotierter Papiere stellen. Die Publizitätspflichten einer Aktiengesellschaften zwingen zu einer Transparenz und Disziplin, wie sie in Familienunternehmen nicht üblich ist. Das empfinde ich aber als positiv. Seit 2001 haben wir ein halbes Dutzend Due-Diligence-Prüfungen über uns ergehen lassen. Wir kennen unsere Schwächen und Stärken ziemlich genau. Die Bilanzierung läuft heute viel schneller als früher. Für unsere Familie war der Börsengang die richtige Entscheidung. Ich kann aber nicht allen Familien unbesehen zum Börsengang raten.

SZ:Wie lief denn die Entscheidungsfindung in Ihrer Familie ab?

Wacker: Das war ein langwieriger, mühsamer Prozess. Wir sind eine weitverzweigte Großfamilie. Wacker wird in diesem Jahr 160 Jahre alt. Wir haben fast die gesamten neunziger Jahre für die Entscheidung gebraucht, an die Börse zu gehen. Sie fiel dann im Jahr 2000.

SZ: Was heißt das? Keine Familienfeier ohne Zoff über den Börsengang?

Wacker: Das nicht. Aber wir hatten turbulente Jahre. Es gab große Diskussionen. Es gab immer wieder Patt-Situationen, weil wir keine Mechanismen zur Konfliktlösung hatten. Wir hatten keinen Beirat, keinen Aufsichtsrat. Die Familie braucht einen neutralen Schiedsrichter, der die Dinge versachlicht. Diese Erfahrungen sind einer der Gründe, weshalb ich 2001 die Equa-Stiftung gegründet habe. Ich will Unternehmerfamilien helfen, nicht in die gleichen Gruben zu fallen, in die andere schon gefallen sind.

SZ:Was waren denn genau die Streitpunkte in Ihrer Familie?

Wacker: Die lassen sich schwer benennen. Oft geht es nur vordergründig um die Sache und unterschwellig um persönliche Animositäten und Verletzungen, deren Ursache manchmal Jahrzehnte zurückliegen. In einer Krise wird so manches offene Beziehungskonto ausgeglichen. Zeitweise saßen drei von uns, mein inzwischen verstorbener Bruder, ein Cousin und ich, in der Geschäftsführung. Das war mit Sicherheit ein Problem. Wir waren unterschiedlich alt und hatten verschiedene Charaktere, Mentalitäten, Erfahrungen und Vorstellungen, wie die Firma aussehen sollte. Viele Jahre haben wir uns immer nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden: Wir taten nichts. Das kann bei einem gut aufgestellten Unternehmen lange gut gehen. Irgendwann dämmerte es mir doch, dass man nicht immer nur ernten, sondern auch säen muss. Aber wir konnten uns nicht auf eine Strategie einigen. Um so wichtiger war es für uns, die Gesellschafterbasis zu versachlichen. Das gelang uns mit dem Finanzinvestor.

SZ: Reden sie noch mit Ihren Verwandten?

Wacker: Wieder. Die Nagelprobe war für uns der Herauskauf des Investors. Da musste die Familie erstmals seit der Entscheidung über den Börsengang wieder etwas gemeinsam unternehmen - und es hat geklappt. Das hat mich ungeheuer gefreut. Jeder brachte erhebliche Beträge aus seinem Privatvermögen auf und verschuldete sich. Da habe ich gespürt, dass der Geist des Familienunternehmertums noch in uns schlummert.

Lesen Sie im dritten Teil, wie Ulrich Wacker die Nachfolge in Familienunternehmen regeln würde und welche Ratschläge er für Unternehmen bereit hat, die an die Börse streben.

SZ:Wem raten Sie von einem Börsengang ab?

Wacker: Ein Unternehmen, das die richtigen Personen, Kraft, Loyalität und Konsens in der Familie hat und dies auch für die Zukunft sicherstellen kann, braucht die Börse nicht. Da ist die Börse so gar kontraproduktiv, weil sie die Stärken eines Familienunternehmens wie Verlässlichkeit oder die Verantwortung für Mitarbeiter und Gesellschaft verwässert.

SZ: Inwiefern?

Wacker: Man muss Konzessionen machen. Ich kann meinen Aktionären nicht sagen, ich will euer Geld, aber was ihr denkt und was euch wichtig ist, kümmert mich nicht. Das wäre arrogant.

SZ: Welche Konzessionen?

Wacker: Wir wollen nach wie vor langfristig das Richtige zum Wohle des Unternehmens tun. Heute müssen wir uns, anders als früher, aber auch über die kurzfristigen Folgen Gedanken machen.

SZ:Eine der Ursachen für den Konflikt in Ihrer Familie war die große Zahl der Gesellschafter. Würden Sie Eltern dazu raten, die Firma immer nur einem Kind zu vererben?

Wacker: Ja. Das ist, wie man im Adel und in der Landwirtschaft sieht, ein probates Mittel, um Probleme im Gesellschafterkreis zu vermeiden. Das trauen sich heutzutage nur wenige Familien.

SZ: Warum?

Wacker: Weil die Unternehmen Gerechtigkeit anders definieren als Gesellschaft und Familie. Zum Wohle des Unternehmens wäre es gerecht, die Firma dem leistungsstärksten Nachkommen zu übergeben. Das empfindet die Familie als ungerecht, denn alle Kinder sollen ja gleich behandelt werden.

SZ: Was raten Sie den Unternehmern, die sich nicht für einen Erben entscheiden können?

Wacker: Sehr große und alte Familien mit mehreren Hundert Gesellschaftern greifen häufig zur Familien-Aktiengesellschaft, wie Haniel, Heraeus oder Freudenberg. Allerdings haben sich die Gesellschafter rigide Spielregeln gesetzt, etwa, wie man den Gesellschafterkreis verlassen kann.

SZ: Die meisten Unternehmen haben sehr viel weniger Gesellschafter.

Wacker: Die sind konfliktanfälliger. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass ab einer Zahl von zwanzig, dreißig Gesellschaftern die Entscheidungsprozesse wieder friedlicher ablaufen. Wir hatten damals in den neunziger Jahren noch eine kritische Zahl von Aktionären - rund ein Dutzend.

SZ: Wenn man sich für die Börse entschieden hat, was muss man beachten?

Wacker: Man sollte versuchen, das Heft in der Hand zu behalten. Als wir uns damals für die Börse entschieden haben, hatte ich auch wenig Ahnung von Kapitalmarkt und Bilanzierung. Wir haben uns fallweise Rat geholt. Man sollte sich nicht abhängig machen von Investmentbankern, die sind teuer und nur etwas für Leute, die ein Rundum-sorglos-Paket brauchen und wollen. Man muss sich aber klar darüber sein, dass man dann nicht mehr Herr des Verfahrens ist. Bevor man die Konsortialführer aussucht, sollte man mit möglichst vielen Banken reden. Das sind ja keine karitativen Einrichtungen, die denken zuerst an ihre Rendite. Wer mit vielen Instituten spricht, kann auch mal das eine gegen das andere ausspielen. Das gleiche gilt für Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Juristen.

SZ: Die Deutsche Bank hat 2007 von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger die "IPO-Zitrone" für den schlechtesten Konsortialführer bekommen. Sie hat auch Wacker an die Börse begleitet. War der Termin wirklich richtig?

Wacker: Aus Sicht des Unternehmens war es der beste Termin in den vergangenen zwei Jahren. Für die Aktionäre sicher nicht.

© SZ vom 12.06.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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