Familienunternehmen:Gemeinsam bestehen oder abstürzen

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Sind die Familienbande stark, riskieren die Mitglieder bisweilen sehr viel, um die Firma zu retten - trotzdem gelingt es oft nicht. Zwei Schicksale im Porträt.

Elisabeth Dostert

Vom Tuchmacher-Museum im niedersächsischen Bramsche sind es nur 20 Gehminuten zur Firma von Hans-Christian Sanders. Er stellt Bettwaren her: Inletts, Federkissen und Daunendecken. Jahrhundertelang haben viele Menschen hier im Osnabrücker Land gut von der Textilindustrie gelebt. Aber davon zeugt nur noch das Museum. Die meisten Firmen gibt es nicht mehr, und eine Weile sah es so aus, als müsse auch Sanders aufgeben. 2001 rutschte die Firma in eine schwere Krise. Aber Hans-Christian Sanders, 53, der das Unternehmen in der vierten Generation führt, hat es gerettet. Die Familie habe fest zu ihm gestanden.

Kampf um das Familienunternehmen: Hans-Chrisitan Sanders war kurz davor aufzugeben. (Foto: Foto: etd)

Auch Harald Kurreck und seine Familie haben um ihre Firma Pana gekämpft. Der 47-jährige Mittelständler aus dem bayerischen Geretsried stellt Teppiche fürs Bad her. Wie bei Sanders und vielen anderen Textilien-Herstellern wurde der Druck durch billige Ware aus Fernost gewaltig. Am Ende blieb Kurreck nur der Verkauf.

Finanzieller und emotionaler Rückhalt

"Krisen sind nicht vermeidbar", sagt Tom Rüsen, neuer geschäftsführender Direktor des Wittener Instituts für Familienunternehmen. Sie gehören zum Dasein des Unternehmens. Entscheidend sei, wie die Familie damit umgehe. In seiner Doktorarbeit hat Rüsen das emotionsgeladene Zusammenspiel zwischen Firma und Familie gründlich erforscht.

Im schlimmsten Fall mündet die Krise in der Insolvenz, die Firma ist verloren und die Familie heillos zerstritten. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform rechnet 2008 mit 27.000 bis 30.000 Pleiten, vergangenes Jahr waren es 29.150. Firmen wie der Lüneburger Strickwarenproduzent Lucia oder der Düsseldorfer Bekleidungshersteller Hirsch mussten in den ersten Monaten 2008 Insolvenz anmelden. Sanders und Kurreck blieb der Gang zum Amtsgericht erspart, auch weil sie finanziell und emotional Rückhalt in der Familie hatten.

Krise ist Privatsache

Die meisten Unternehmen scheuen sich, in der Öffentlichkeit über die Krise zu reden, aus Scham über die Niederlage. Dazu gehört Mut. "Es geht ja auch um die Ehre der Familie", sagt Familienforscher Rüsen. Es geht um die Tradition, manchmal nur einige Jahrzehnte, manchmal Jahrhunderte. Der Letzte, der Gescheiterte, will niemand sein. Und hinterher darüber sprechen schon gar nicht.

Selbst die beiden Männer, die ihre Krise gemeistert haben, reden nicht leicht über die schweren Jahre. Hans-Christian Sanders wägt jedes Wort ab, wenn er über die Krise im Jahr 2001 spricht. Er wendet Sätze ein ums andere Mal, immer dann, wenn es um die Familie und die Firma geht. Wie viel leichter fällt es ihm, über neue Betten zu reden, über REM-Phasen und Klimazonen, da wird Sanders zum brillanten Verkäufer. Die Produkte gehören der Öffentlichkeit. Die Krise ist Privatsache. "Innerhalb von drei Jahren hatten wir den Großteil des Kapitals aufgebraucht", erzählt der 53-Jährige. Schwere Jahre hat der Mann hinter sich, mehr als einmal hat er sich gefragt: "Ist es sinnvoll weiterzumachen? Soll ich die Firma verkaufen?"

Lesen Sie weiter, wie Sanders das Unternehmen rettete.

Lange hat Sanders versucht, die Probleme von seiner Frau fernzuhalten, von den drei Töchtern und dem Sohn. Aber die Familie hat seine Last gespürt. Für Eigentümer lassen sich Familie und Firma nicht trennen. Die Sorgen lassen sich nicht auf dem Weg nach Hause abschütteln.

Insolvenz abgewendet: Vor dem Konkurs konnte Harald Kurreck seine Firma bewahren, musste dafür aber große Anteile des Unternehmens verkaufen. (Foto: Foto: etd)

Eines Tages habe sein Sohn, damals zehn Jahre alt, zu ihm gesagt: "Willst du alles aufgeben, was Opi aufgebaut hat? Was hast du davon?" Das hat Sanders angespornt weiterzumachen. In seinem Büro hängen große Porträts der Kinder, blond, mitreißend lachend. Die Fotos hat Sanders in der Krise machen lassen. Er erzählt stolz von den Töchtern, die zeitweise in Kanada die Schule besucht haben und studieren, dem Sohn, kann sein, dass er die Nachfolge antritt.

Der Konsum brach ein

Es war nicht die erste Krise, aber die schwerste. "Es ging immer mal wieder rauf und dann runter, aber bis 2000 haben wir immer ordentlich Gewinn gemacht", sagt Sanders. 2001 entschloss er sich, nicht mehr nur Inletts herzustellen, das Innere der Bettwäsche, sondern ganze Kissen und Bettdecken. Der Wunsch-Übernahmekandidat war sowieso schon Teil der Familie, wenn auch nicht gesellschaftsrechtlich: Der Bettenwarenhersteller Künsemüller gehörte der Mutter.

"Wir wussten, dass wir Nackenschläge bekommen würden", sagt Sanders, "weil wir zu Konkurrenten der Firmen wurden, die bisher unsere Inletts kauften." Vor solchen Schlägen fürchtet er sich nicht: "Das allein hätten wir verkraftet." Aber dann platzte in Deutschland die Internetblase und der Konsum brach ein. Der Druck aus China wuchs permanent. Zu spät entschloss er sich, die Näherei in Bramsche und die Weberei in Bentheim zu schließen. Die Banken verweigerten weitere Hilfen, stellten Kredite fällig, beharkten sich gegenseitig.

Gewinn seit 2006

In diese Zeit fallen Sanders' bitterste Erfahrungen. Er brauchte neue Geldgeber. "Ich musste mich klein machen, denen das Gefühl geben, dass sie Herr des Geschehens sind." Einem wie ihm fällt das schwer. Der Macher zu sein, ist leichter. Besonders übel habe ihm eine seiner vier Hausbanken mitgespielt. Ihren Namen will er nicht nennen. "Ich habe Perspektiven aufgezeigt. Davon wollten die gar nichts wissen. Die wollten mich bluten sehen", sagt Sanders. Manche Berater erwiesen sich als falsch, und manche Freunde auch. "Es gab Leute, auf die ich mich glaubte verlassen zu können und die mich enttäuscht haben. Helfen tun dann andere."

Mit Familie und Freunden stemmte Sanders 2005 die Refinanzierung. Er sei nichts schuldig geblieben, sagt er: Ende 2007 habe er seine Verbindlichkeiten beglichen - verzinst. "Alle haben weit mehr bekommen, als sie am Markt für festverzinsliche Wertpapiere hätten erzielen können", sagt Sanders. Seit zwei Jahren macht die Firma wieder Gewinn: 2006 und 2007 legten die Erlöse um insgesamt ein Fünftel zu, auf 40 Millionen Euro. In Deutschland beschäftigt Sanders noch 200 Mitarbeiter, in der Ukraine 450. Im kommenden Jahr soll mit einem Partner die Produktion in Thailand anlaufen. Dort will Sanders mit Polyester gefüllte Fertigbetten selbst herstellen, die er bislang noch in China kauft. Sanders kann wieder der Macher sein.

Posten aufgegeben

Nicht mehr frei im Sinne von rechtlich unabhängig ist die Pana Textil GmbH. Im Geschäftsjahr 2006, dem letzten in Selbständigkeit, setzte der Hersteller von Badteppichen mit 56 Beschäftigten in Deutschland und 165 in Ungarn gut neun Millionen Euro um. Es sei das erste Verlustjahr in der Firmengeschichte gewesen, sagt Harald Kurreck. In endlosen Schachtelsätzen schildert der 47-Jährige die Krise seiner Firma.

Die Ängste und Sorgen sind dem schmächtigen, freundlichen Mann immer noch anzusehen. Er wirkt hektisch, wenn er durch die Produktionshalle läuft. Schon als Kurreck Anfang der 90er Jahre die Geschäfte übernahm, steckte die Firma in einer Krise. Zu dieser Zeit gehörte Pana noch seinem Schwiegervater Emil Hanfstängl. Kurreck arbeitete damals für einen Handelskonzern mit Milliardenumsätzen. Für die Firma des Schwiegervaters hat er den Posten aufgegeben.

Er verlagerte die Produktion nach Ungarn, um billiger produzieren zu können. Irgendwie ist ihm immer wieder etwas eingefallen: Gemeinsam mit einer Maschinenbaufirma entwickelte Pana ein preiswertes Verfahren, um Teppiche fast wie Papier zu bedrucken. Dafür gab es Innovationspreise. 2001 lieh sich Kurreck Geld, um in Geretsried zu investieren. Die Gesellschafter bürgten und nahmen Kredite auf: Kurreck selbst, der Schwiegervater, dessen beide Töchter und deren Lebenspartner. Für die Firma riskierten sie die eigene Existenz. "Wenn Pana Insolvenz hätte anmelden müssen, wäre die Familie heute ein Sozialfall", sagt Kurreck.

Monatliche Pension

Fünf Jahre lang habe er den Kredit brav bedient. Doch dann verschärfte sich die Marktlage wieder. "Bei einem Badteppich, der beim Discounter 9,95 Euro kostet, geht es manchmal um wenige Cent, um im Geschäft zu bleiben", sagt Kurreck. Seine Hausbank - auch er will den Namen nicht nennen - wandte sich schnell ab. "Nur die staatliche LfA hat uns die Stange gehalten", sagt der Manager. Am Ende sei der Familie nur der Verkauf im Zuge einer komplizierten Transaktion geblieben. Die Banken mussten auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, die Familie ganz.

Einen Euro zahlte der börsennotierte indische Konzern Faze Three für die Mehrheit an Pana. Kurreck hält jetzt 24 Prozent. Er erreichte zumindest, dass sein 82-jähriger Schwiegervater, bis zur Übernahme mit 56 Prozent der größte Gesellschafter, über eine monatliche Pension finanziell abgesichert wurde. Das Geschäft läuft wieder besser. Von den zwölf Millionen Euro, die für dieses Jahr geplant sind, hat er schon acht Millionen erwirtschaftet. In Geretsried hat er vier Mitarbeiter eingestellt. Den einen Euro von Faze Three hat Kurreck noch. In den nächsten Wochen muss er ihn unter den Altgesellschaftern aufteilen.

© SZ vom 29.5.2008/jkf/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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