EZB:IW-Chef: EZB-Zinskurs schadet Deutschland

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Frankfurt/Main (dpa) - Die Europäische Zentralbank (EZB) macht nach Überzeugung des Ökonomen Michael Hüther nur noch Geldpolitik für die Krisenländer im Süden Europas. Ländern wie Deutschland schade das extrem billige Geld hingegen.

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Frankfurt/Main (dpa) - Die Europäische Zentralbank (EZB) macht nach Überzeugung des Ökonomen Michael Hüther nur noch Geldpolitik für die Krisenländer im Süden Europas. Ländern wie Deutschland schade das extrem billige Geld hingegen.

Das sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) am Freitag in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. Die Notenbank hatte den Leitzins am Donnerstag überraschend auf das Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt.

Frage: Die EZB soll Geldpolitik für den gesamten Euroraum machen. Trifft das unter ihrem Präsidenten Mario Draghi noch zu?

Antwort: Dieser Zinsschritt und auch schon der vorherige sind beides Maßnahmen, die nicht für den gesamten Euroraum angemessen sind. Von daher ist es eine Geldpolitik, die ausschließlich von den Krisenländern im Süden her gedacht ist. Es kann auf Dauer nicht gut gehen, wenn man den Rest vergisst. Hier ist der Bundesbank-Präsident gefordert, weil die dauerhaften Schäden dieser finanziellen Repression beachtlich sind.

Frage: Löst die Geldschwemme überhaupt die Probleme in Europa?

Antwort: Ich wundere mich, dass man den Zins im Augenblick als wirksames Instrument sieht. Wir sehen in den Problemländern im Süden eine Störung des Kreditkreislaufs. Dort ist in der Tat ein Kreditklemmen-Phänomen zu beobachten. Das ist aber nicht durch Zinssenkungen zu lösen, denn das Problem liegt in den Bilanzen der dortigen Banken, die immer noch viel Müll da drin haben. Und man muss deshalb die Bilanzen bereinigen. Solange man nicht wirklich bereit ist, über eine Bad-Bank-Lösung dieses Problem gezielt anzugehen, ist alles andere wirkungslos.

Frage: Heißt das, die deutschen Sparer zahlen die Zeche?

Antwort: Was wir erleben, ist eine finanzielle Repression. Die Verzinsung liegt bei uns unterhalb der Inflationsrate oder knapp dabei, das heißt, die Sparer werden in erhebliche Probleme gebracht. Diejenigen, die für das Alter vorsorgen, müssen nachschießen, um das Sicherungsniveau zu erreichen. Man kann vorübergehend solche Zinsniveaus akzeptieren, aber jetzt wird deutlich, dass es noch ein länger währendes Phänomen ist, dass wir im Grunde gar nicht erkennen, wann die Korrektur eingeleitet wird. Und nach allem, was wir jetzt sehen, wird sie mit Sicherheit nicht im nächsten Jahr eingeleitet. Das ist für alle, die vor Anlageentscheidungen stehen, problematisch. Insofern gibt es eine Art Anlagenotstand.

Frage: Wie hoch müsste der Leitzins für Deutschland sein?

Antwort: Wenn man den Wachstumstrend als grobe Indikation nimmt, der bei 1,5 Prozent real in den nächsten drei bis vier Jahren liegt plus Inflationstrend, dann beträgt der neutrale Zins eher 3 bis 3,5 als 0,25 Prozent. Insofern ist dieses Zinsniveau gerade für Mitteleuropa extrem fehljustiert. Und das ist das, was so schmerzt: Es löst die Probleme im Süden nicht - und verursacht hier Probleme. Deswegen habe ich den Zinsschritt nicht erwartet. Und ich verstehe ihn auch nicht.

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