Joseph Stiglitz sitzt ganz entspannt in einer Münchner Hotelsuite. Er hat nur einen Wunsch: Dreht die Klimaanlage auf! Es ist ihm zu heiß. Der 74-Jährige ist seit seiner Zeit als Chefökonom der Weltbank immer mehr zum Kritiker der Globalisierung und der wachsenden Ungleichheit zum Planeten geworden. Jetzt möchte er über das neue Zeitalter sprechen, in dem die Kritik an der Globalisierung nicht wie bei ihm von links kommt - sondern von rechts. Sichtbar an den Wahlerfolgen von US-Präsident Donald Trump oder der AfD in Deutschland.
Stiglitz sieht im Aufschwung der Rechtspopulisten einen Aufstand der Globalisierungsopfer. "Die Menschen erkennen, dass die Globalisierung für Unternehmen und sehr Reiche super funktioniert hat, aber nicht für die übrigen Bürger." Speziell auf die AfD bezogen erklärte er: "Es gibt eine ökonomisch begründete Angst in Deutschland. Es gibt jede Menge Leute, die sehr wenig verdienen, deren Einkommen seit Jahren stagnieren und die sehr unglücklich sind. Die Regierungen haben unterschätzt, wie wichtig ein anständigen Einkommen für die Würde der Menschen ist."
Die Unzufriedenheit habe aber nicht allein mit ökonomischen Faktoren zu tun. "Es gibt noch einen anderen Grund: Weil die Menschen an Angst leiden, sind sie anfällig für Angst. Die Fremdenfeindlichkeit und der Hass auf Flüchtlinge haben ein Ausmaß erreicht, das erschreckend ist und nichts mit der Realität zu tun hat. Leider gibt es eine Menge Rechtspopulisten, die diese Angst zum Stimmenfang missbrauchen.
Stiglitz glaubt nicht, dass Verlierer der Globalisierung von der Politik von Rechtspopulisten wie Trump profitieren. "Seine ganze Agenda wird sie schlechterstellen." Nach seinem Konzept stiegen die Steuern sogar für einen Teil der Mittelklasse, während sie für Reiche sänken. "Keine Regierung besaß jemals die Frechheit, so etwas vorzuschlagen."
Joseph Stiglitz wirft Donald Trump vor, die regelbasierte Weltordnung irreparabel zu schädigen. "Trump sagt: Es gibt wieder Grenzen. Ein Land kann jeden Moment einen verrückten Typen wie mich wählen. Waren können dann nicht mehr frei über die Grenzen verkauft werden". Jedes Unternehmen gehe bei weltweiten Lieferketten auf einmal ein hohes Risiko ein, so der frühere Chefökonom der Weltbank. "Keine Firma kann mehr kontrollieren, was in den USA geschieht." Dabei seien die Vereinigten Staaten traditionell Vorkämpfer freier Märkte gewesen. "Die USA spielte eine große Rolle beim Aufbau der regelbasierten Weltordnung. Dass der Erfinder dieses Systems eine Granate hineinwirft, ist erstaunlich."